Eure Klagen über die allgemeine Seichtigkeit, Gedankenlosigkeit, und Verflossenheit, über den Klugdünkel, und das unversiegbare Geschwäz, über die Verachtung des Ernstes und der Gründlichkeit in allen Ständen mögen wahr seyn, wie sie es denn sind. Aber welcher Stand ist es denn, der diese Stände insge¬ sammt erzogen hat, der ihnen alles wissen¬ schaftliche in ein Spiel verwandelt, und von der frühsten Jugend an zu jenem Klug¬ dünkel und jenem Geschwäze sie angeführt hat? Wer ist es denn, der auch die der Schule entwachsenen Geschlechter noch immer¬ fort erzieht? Der in die Augen fallendste Grund der Dumpfheit des Zeitalters ist der, daß es sich dumpf gelesen hat, an den Schrif¬ ten, die ihr geschrieben habt. Warum laßt ihr dennoch immerforr euch so angelegen seyn, dieses müßige Volk zu unterhalten, ohnerach¬ tet ihr wißt, daß es nichts gelernt hat, und nichts lernen will; nennt es Publikum, schmei¬ chelt ihm als eurem Richter, hezt es auf gegen eure Mitbewerber, und sucht diesen blinden und verworrnen Haufen durch jedes Mittel
Eure Klagen uͤber die allgemeine Seichtigkeit, Gedankenloſigkeit, und Verfloſſenheit, uͤber den Klugduͤnkel, und das unverſiegbare Geſchwaͤz, uͤber die Verachtung des Ernſtes und der Gruͤndlichkeit in allen Staͤnden moͤgen wahr ſeyn, wie ſie es denn ſind. Aber welcher Stand iſt es denn, der dieſe Staͤnde insge¬ ſammt erzogen hat, der ihnen alles wiſſen¬ ſchaftliche in ein Spiel verwandelt, und von der fruͤhſten Jugend an zu jenem Klug¬ duͤnkel und jenem Geſchwaͤze ſie angefuͤhrt hat? Wer iſt es denn, der auch die der Schule entwachſenen Geſchlechter noch immer¬ fort erzieht? Der in die Augen fallendſte Grund der Dumpfheit des Zeitalters iſt der, daß es ſich dumpf geleſen hat, an den Schrif¬ ten, die ihr geſchrieben habt. Warum laßt ihr dennoch immerforr euch ſo angelegen ſeyn, dieſes muͤßige Volk zu unterhalten, ohnerach¬ tet ihr wißt, daß es nichts gelernt hat, und nichts lernen will; nennt es Publikum, ſchmei¬ chelt ihm als eurem Richter, hezt es auf gegen eure Mitbewerber, und ſucht dieſen blinden und verworrnen Haufen durch jedes Mittel
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0482"n="476"/>
Eure Klagen uͤber die allgemeine Seichtigkeit,<lb/>
Gedankenloſigkeit, und Verfloſſenheit, uͤber den<lb/>
Klugduͤnkel, und das unverſiegbare Geſchwaͤz,<lb/>
uͤber die Verachtung des Ernſtes und der<lb/>
Gruͤndlichkeit in allen Staͤnden moͤgen wahr<lb/>ſeyn, wie ſie es denn ſind. Aber welcher<lb/>
Stand iſt es denn, der dieſe Staͤnde insge¬<lb/>ſammt erzogen hat, der ihnen alles wiſſen¬<lb/>ſchaftliche in ein Spiel verwandelt, und<lb/>
von der fruͤhſten Jugend an zu jenem Klug¬<lb/>
duͤnkel und jenem Geſchwaͤze ſie angefuͤhrt<lb/>
hat? Wer iſt es denn, der auch die der<lb/>
Schule entwachſenen Geſchlechter noch immer¬<lb/>
fort erzieht? Der in die Augen fallendſte<lb/>
Grund der Dumpfheit des Zeitalters iſt der,<lb/>
daß es ſich dumpf geleſen hat, an den Schrif¬<lb/>
ten, die ihr geſchrieben habt. Warum laßt ihr<lb/>
dennoch immerforr euch ſo angelegen ſeyn,<lb/>
dieſes muͤßige Volk zu unterhalten, ohnerach¬<lb/>
tet ihr wißt, daß es nichts gelernt hat, und<lb/>
nichts lernen will; nennt es Publikum, ſchmei¬<lb/>
chelt ihm als eurem Richter, hezt es auf gegen<lb/>
eure Mitbewerber, und ſucht dieſen blinden<lb/>
und verworrnen Haufen durch jedes Mittel<lb/></p></div></body></text></TEI>
[476/0482]
Eure Klagen uͤber die allgemeine Seichtigkeit,
Gedankenloſigkeit, und Verfloſſenheit, uͤber den
Klugduͤnkel, und das unverſiegbare Geſchwaͤz,
uͤber die Verachtung des Ernſtes und der
Gruͤndlichkeit in allen Staͤnden moͤgen wahr
ſeyn, wie ſie es denn ſind. Aber welcher
Stand iſt es denn, der dieſe Staͤnde insge¬
ſammt erzogen hat, der ihnen alles wiſſen¬
ſchaftliche in ein Spiel verwandelt, und
von der fruͤhſten Jugend an zu jenem Klug¬
duͤnkel und jenem Geſchwaͤze ſie angefuͤhrt
hat? Wer iſt es denn, der auch die der
Schule entwachſenen Geſchlechter noch immer¬
fort erzieht? Der in die Augen fallendſte
Grund der Dumpfheit des Zeitalters iſt der,
daß es ſich dumpf geleſen hat, an den Schrif¬
ten, die ihr geſchrieben habt. Warum laßt ihr
dennoch immerforr euch ſo angelegen ſeyn,
dieſes muͤßige Volk zu unterhalten, ohnerach¬
tet ihr wißt, daß es nichts gelernt hat, und
nichts lernen will; nennt es Publikum, ſchmei¬
chelt ihm als eurem Richter, hezt es auf gegen
eure Mitbewerber, und ſucht dieſen blinden
und verworrnen Haufen durch jedes Mittel
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/482>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.