Wollen hat, der will, was er will, für alle Ewigkeit, und er kann in keinem möglichen Falle anders wollen, denn also, wie er eben immer will; für ihn ist die Freiheit des Wil¬ lens vernichtet, und aufgegangen in der Nothwendigkeit. Dadurch eben hat die bis¬ herige Zeit gezeigt, daß sie von Bildung zum Menschen weder einen rechten Begriff, noch die Kraft hatte, diesen Begriff darzustellen, daß sie durch ermahnende Predigten die Men¬ schen bessern wollte, und verdrießlich ward, und schalt, wenn diese Predigten nichts fruch¬ teten. Wie konnten sie doch fruchten? Der Wille des Menschen hat schon vor der Er¬ mahnung vorher, und unabhängig von ihr, seine feste Richtung; stimmt diese zusammen mit deiner Ermahnung, so kömmt die Er¬ mahnung zu spät, und der Mensch hätte auch ohne dieselbe gethan, wozu du ihn ermah¬ nest, steht sie mit derselben im Widerspruche, so magst du ihn höchstens einige Augenblicke betäuben; wie die Gelegenheit kommt, vergißt er sich selbst und deine Ermahnung, und folgt seinem natürlichen Hange. Willst du etwas über ihn vermögen, so mußt du mehr thun,
Wollen hat, der will, was er will, fuͤr alle Ewigkeit, und er kann in keinem moͤglichen Falle anders wollen, denn alſo, wie er eben immer will; fuͤr ihn iſt die Freiheit des Wil¬ lens vernichtet, und aufgegangen in der Nothwendigkeit. Dadurch eben hat die bis¬ herige Zeit gezeigt, daß ſie von Bildung zum Menſchen weder einen rechten Begriff, noch die Kraft hatte, dieſen Begriff darzuſtellen, daß ſie durch ermahnende Predigten die Men¬ ſchen beſſern wollte, und verdrießlich ward, und ſchalt, wenn dieſe Predigten nichts fruch¬ teten. Wie konnten ſie doch fruchten? Der Wille des Menſchen hat ſchon vor der Er¬ mahnung vorher, und unabhaͤngig von ihr, ſeine feſte Richtung; ſtimmt dieſe zuſammen mit deiner Ermahnung, ſo koͤmmt die Er¬ mahnung zu ſpaͤt, und der Menſch haͤtte auch ohne dieſelbe gethan, wozu du ihn ermah¬ neſt, ſteht ſie mit derſelben im Widerſpruche, ſo magſt du ihn hoͤchſtens einige Augenblicke betaͤuben; wie die Gelegenheit kommt, vergißt er ſich ſelbſt und deine Ermahnung, und folgt ſeinem natuͤrlichen Hange. Willſt du etwas uͤber ihn vermoͤgen, ſo mußt du mehr thun,
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Wollen hat, der will, was er will, fuͤr alle
Ewigkeit, und er kann in keinem moͤglichen
Falle anders wollen, denn alſo, wie er eben
immer will; fuͤr ihn iſt die Freiheit des Wil¬
lens vernichtet, und aufgegangen in der
Nothwendigkeit. Dadurch eben hat die bis¬
herige Zeit gezeigt, daß ſie von Bildung zum
Menſchen weder einen rechten Begriff, noch
die Kraft hatte, dieſen Begriff darzuſtellen,
daß ſie durch ermahnende Predigten die Men¬
ſchen beſſern wollte, und verdrießlich ward,
und ſchalt, wenn dieſe Predigten nichts fruch¬
teten. Wie konnten ſie doch fruchten? Der
Wille des Menſchen hat ſchon vor der Er¬
mahnung vorher, und unabhaͤngig von ihr,
ſeine feſte Richtung; ſtimmt dieſe zuſammen
mit deiner Ermahnung, ſo koͤmmt die Er¬
mahnung zu ſpaͤt, und der Menſch haͤtte auch
ohne dieſelbe gethan, wozu du ihn ermah¬
neſt, ſteht ſie mit derſelben im Widerſpruche,
ſo magſt du ihn hoͤchſtens einige Augenblicke
betaͤuben; wie die Gelegenheit kommt, vergißt
er ſich ſelbſt und deine Ermahnung, und folgt
ſeinem natuͤrlichen Hange. Willſt du etwas
uͤber ihn vermoͤgen, ſo mußt du mehr thun,
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/59>, abgerufen am 23.11.2024.
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