Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

ungern übernehmen werde. Auch ist die Be¬
kanntschaft mit ganz fremden, und nicht das
mindeste Interesse für ihn habenden Dingen,
und mit ihren Eigenschaften, ein schlechter
Ersatz für jenes ihm zugefügte Leiden; des¬
wegen mußte seine Abneigung durch die Ver¬
tröstung auf die künftige Nützlichkeit dieser Er¬
kenntnisse, und daß man nur vermittelst ihrer
Brod und Ehre finden könne, und sogar durch
unmittelbar gegenwärtige Strafe und Beloh¬
nung überwunden werden; -- daß somit die
Erkenntniß gleich von vorn herein als Diene¬
rin des sinnlichen Wohlseyns aufgestellt wurde,
und diese Erziehung, welche in Absicht ihres
Inhalts oben als bloß unkräftig für Ent¬
wicklung einer sittlichen Denkart aufgestellt
wurde, um nur an den Zögling zu gelangen,
das moralische Verderben desselben sogar
pflanzen und entwickeln, und ihr Interesse
an das Interesse dieses Verderbens anknüpfen
mußte. Man wird ferner finden, daß das
natürliche Talent, welches als Ausnahme
von der Regel, in der Schule dieser bisherigen
Erziehung gern lernte, und deswegen gut,
und durch diese in ihm waltende höhere
Liebe das moralische Verderben der Umgebung

ungern uͤbernehmen werde. Auch iſt die Be¬
kanntſchaft mit ganz fremden, und nicht das
mindeſte Intereſſe fuͤr ihn habenden Dingen,
und mit ihren Eigenſchaften, ein ſchlechter
Erſatz fuͤr jenes ihm zugefuͤgte Leiden; des¬
wegen mußte ſeine Abneigung durch die Ver¬
troͤſtung auf die kuͤnftige Nuͤtzlichkeit dieſer Er¬
kenntniſſe, und daß man nur vermittelſt ihrer
Brod und Ehre finden koͤnne, und ſogar durch
unmittelbar gegenwaͤrtige Strafe und Beloh¬
nung uͤberwunden werden; — daß ſomit die
Erkenntniß gleich von vorn herein als Diene¬
rin des ſinnlichen Wohlſeyns aufgeſtellt wurde,
und dieſe Erziehung, welche in Abſicht ihres
Inhalts oben als bloß unkraͤftig fuͤr Ent¬
wicklung einer ſittlichen Denkart aufgeſtellt
wurde, um nur an den Zoͤgling zu gelangen,
das moraliſche Verderben deſſelben ſogar
pflanzen und entwickeln, und ihr Intereſſe
an das Intereſſe dieſes Verderbens anknuͤpfen
mußte. Man wird ferner finden, daß das
natuͤrliche Talent, welches als Ausnahme
von der Regel, in der Schule dieſer bisherigen
Erziehung gern lernte, und deswegen gut,
und durch dieſe in ihm waltende hoͤhere
Liebe das moraliſche Verderben der Umgebung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="69"/>
ungern u&#x0364;bernehmen werde. Auch i&#x017F;t die Be¬<lb/>
kannt&#x017F;chaft mit ganz fremden, und nicht das<lb/>
minde&#x017F;te Intere&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r ihn habenden Dingen,<lb/>
und mit ihren Eigen&#x017F;chaften, ein &#x017F;chlechter<lb/>
Er&#x017F;atz fu&#x0364;r jenes ihm zugefu&#x0364;gte Leiden; des¬<lb/>
wegen mußte &#x017F;eine Abneigung durch die Ver¬<lb/>
tro&#x0364;&#x017F;tung auf die ku&#x0364;nftige Nu&#x0364;tzlichkeit die&#x017F;er Er¬<lb/>
kenntni&#x017F;&#x017F;e, und daß man nur vermittel&#x017F;t ihrer<lb/>
Brod und Ehre finden ko&#x0364;nne, und &#x017F;ogar durch<lb/>
unmittelbar gegenwa&#x0364;rtige Strafe und Beloh¬<lb/>
nung u&#x0364;berwunden werden; &#x2014; daß &#x017F;omit die<lb/>
Erkenntniß gleich von vorn herein als Diene¬<lb/>
rin des &#x017F;innlichen Wohl&#x017F;eyns aufge&#x017F;tellt wurde,<lb/>
und die&#x017F;e Erziehung, welche in Ab&#x017F;icht ihres<lb/>
Inhalts oben als bloß unkra&#x0364;ftig fu&#x0364;r Ent¬<lb/>
wicklung einer &#x017F;ittlichen Denkart aufge&#x017F;tellt<lb/>
wurde, um nur an den Zo&#x0364;gling zu gelangen,<lb/>
das morali&#x017F;che Verderben de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;ogar<lb/>
pflanzen und entwickeln, und ihr Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
an das Intere&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;es Verderbens anknu&#x0364;pfen<lb/>
mußte. Man wird ferner finden, daß das<lb/>
natu&#x0364;rliche Talent, welches als Ausnahme<lb/>
von der Regel, in der Schule die&#x017F;er bisherigen<lb/>
Erziehung gern lernte, und deswegen gut,<lb/>
und durch die&#x017F;e in ihm waltende ho&#x0364;here<lb/>
Liebe das morali&#x017F;che Verderben der Umgebung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0075] ungern uͤbernehmen werde. Auch iſt die Be¬ kanntſchaft mit ganz fremden, und nicht das mindeſte Intereſſe fuͤr ihn habenden Dingen, und mit ihren Eigenſchaften, ein ſchlechter Erſatz fuͤr jenes ihm zugefuͤgte Leiden; des¬ wegen mußte ſeine Abneigung durch die Ver¬ troͤſtung auf die kuͤnftige Nuͤtzlichkeit dieſer Er¬ kenntniſſe, und daß man nur vermittelſt ihrer Brod und Ehre finden koͤnne, und ſogar durch unmittelbar gegenwaͤrtige Strafe und Beloh¬ nung uͤberwunden werden; — daß ſomit die Erkenntniß gleich von vorn herein als Diene¬ rin des ſinnlichen Wohlſeyns aufgeſtellt wurde, und dieſe Erziehung, welche in Abſicht ihres Inhalts oben als bloß unkraͤftig fuͤr Ent¬ wicklung einer ſittlichen Denkart aufgeſtellt wurde, um nur an den Zoͤgling zu gelangen, das moraliſche Verderben deſſelben ſogar pflanzen und entwickeln, und ihr Intereſſe an das Intereſſe dieſes Verderbens anknuͤpfen mußte. Man wird ferner finden, daß das natuͤrliche Talent, welches als Ausnahme von der Regel, in der Schule dieſer bisherigen Erziehung gern lernte, und deswegen gut, und durch dieſe in ihm waltende hoͤhere Liebe das moraliſche Verderben der Umgebung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/75
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/75>, abgerufen am 12.05.2024.