Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

die Erkenntniß lähme und tödte, wie es ihr
Bedürfniß sey, den sittlichen Sinn in Grund
und Boden hinein zu verderben.

Um wieder zurückzukehren zum Zöglinge
der neuen Erziehung: es ist klar, daß der¬
selbe, von seiner Liebe getrieben, viel, und
da er alles in seinem Zusammenhange faßt,
und das gefaßte unmittelbar durch ein Thun
übt, dieses viele richtig und unvergeßlich ler¬
nen werde. Doch ist dieses nur Nebensache.
Bedeutender ist, daß durch diese Liebe sein
Selbst erhöhet, und in eine ganz neue Ord¬
nung der Dinge, in welche bisher nur we¬
nige von Gott begünstigte von ohngefähr ka¬
men, besonnen, und nach einer Regel ein¬
geführt wird. Ihn treibt eine Liebe, die
durchaus nicht auf irgend einen sinnlichen
Genuß ausgeht, indem dieser, als Antrieb,
für ihn gänzlich schweigt, sondern auf geistige
Thätigkeit, um der Thätigkeit willen, und
auf das Gesetz derselben, um des Gesetzes
willen. Ob nun zwar nicht diese geistige
Thätigkeit überhaupt es ist, auf welche die
Sittlichkeit geht, sondern dazu noch eine be¬
sondere Richtung jener Thätigkeit kommen
muß, so ist dennoch jene Liebe die allgemeine

die Erkenntniß laͤhme und toͤdte, wie es ihr
Beduͤrfniß ſey, den ſittlichen Sinn in Grund
und Boden hinein zu verderben.

Um wieder zuruͤckzukehren zum Zoͤglinge
der neuen Erziehung: es iſt klar, daß der¬
ſelbe, von ſeiner Liebe getrieben, viel, und
da er alles in ſeinem Zuſammenhange faßt,
und das gefaßte unmittelbar durch ein Thun
uͤbt, dieſes viele richtig und unvergeßlich ler¬
nen werde. Doch iſt dieſes nur Nebenſache.
Bedeutender iſt, daß durch dieſe Liebe ſein
Selbſt erhoͤhet, und in eine ganz neue Ord¬
nung der Dinge, in welche bisher nur we¬
nige von Gott beguͤnſtigte von ohngefaͤhr ka¬
men, beſonnen, und nach einer Regel ein¬
gefuͤhrt wird. Ihn treibt eine Liebe, die
durchaus nicht auf irgend einen ſinnlichen
Genuß ausgeht, indem dieſer, als Antrieb,
fuͤr ihn gaͤnzlich ſchweigt, ſondern auf geiſtige
Thaͤtigkeit, um der Thaͤtigkeit willen, und
auf das Geſetz derſelben, um des Geſetzes
willen. Ob nun zwar nicht dieſe geiſtige
Thaͤtigkeit uͤberhaupt es iſt, auf welche die
Sittlichkeit geht, ſondern dazu noch eine be¬
ſondere Richtung jener Thaͤtigkeit kommen
muß, ſo iſt dennoch jene Liebe die allgemeine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="71"/>
die Erkenntniß la&#x0364;hme und to&#x0364;dte, wie es ihr<lb/>
Bedu&#x0364;rfniß &#x017F;ey, den &#x017F;ittlichen Sinn in Grund<lb/>
und Boden hinein zu verderben.</p><lb/>
        <p>Um wieder zuru&#x0364;ckzukehren zum Zo&#x0364;glinge<lb/>
der neuen Erziehung: es i&#x017F;t klar, daß der¬<lb/>
&#x017F;elbe, von &#x017F;einer Liebe getrieben, viel, und<lb/>
da er alles in &#x017F;einem Zu&#x017F;ammenhange faßt,<lb/>
und das gefaßte unmittelbar durch ein Thun<lb/>
u&#x0364;bt, die&#x017F;es viele richtig und unvergeßlich ler¬<lb/>
nen werde. Doch i&#x017F;t die&#x017F;es nur Neben&#x017F;ache.<lb/>
Bedeutender i&#x017F;t, daß durch die&#x017F;e Liebe &#x017F;ein<lb/>
Selb&#x017F;t erho&#x0364;het, und in eine ganz neue Ord¬<lb/>
nung der Dinge, in welche bisher nur we¬<lb/>
nige von Gott begu&#x0364;n&#x017F;tigte von ohngefa&#x0364;hr ka¬<lb/>
men, be&#x017F;onnen, und nach einer Regel ein¬<lb/>
gefu&#x0364;hrt wird. Ihn treibt eine Liebe, die<lb/>
durchaus nicht auf irgend einen &#x017F;innlichen<lb/>
Genuß ausgeht, indem die&#x017F;er, als Antrieb,<lb/>
fu&#x0364;r ihn ga&#x0364;nzlich &#x017F;chweigt, &#x017F;ondern auf gei&#x017F;tige<lb/>
Tha&#x0364;tigkeit, um der Tha&#x0364;tigkeit willen, und<lb/>
auf das Ge&#x017F;etz der&#x017F;elben, um des Ge&#x017F;etzes<lb/>
willen. Ob nun zwar nicht die&#x017F;e gei&#x017F;tige<lb/>
Tha&#x0364;tigkeit u&#x0364;berhaupt es i&#x017F;t, auf welche die<lb/>
Sittlichkeit geht, &#x017F;ondern dazu noch eine be¬<lb/>
&#x017F;ondere Richtung jener Tha&#x0364;tigkeit kommen<lb/>
muß, &#x017F;o i&#x017F;t dennoch jene Liebe die allgemeine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0077] die Erkenntniß laͤhme und toͤdte, wie es ihr Beduͤrfniß ſey, den ſittlichen Sinn in Grund und Boden hinein zu verderben. Um wieder zuruͤckzukehren zum Zoͤglinge der neuen Erziehung: es iſt klar, daß der¬ ſelbe, von ſeiner Liebe getrieben, viel, und da er alles in ſeinem Zuſammenhange faßt, und das gefaßte unmittelbar durch ein Thun uͤbt, dieſes viele richtig und unvergeßlich ler¬ nen werde. Doch iſt dieſes nur Nebenſache. Bedeutender iſt, daß durch dieſe Liebe ſein Selbſt erhoͤhet, und in eine ganz neue Ord¬ nung der Dinge, in welche bisher nur we¬ nige von Gott beguͤnſtigte von ohngefaͤhr ka¬ men, beſonnen, und nach einer Regel ein¬ gefuͤhrt wird. Ihn treibt eine Liebe, die durchaus nicht auf irgend einen ſinnlichen Genuß ausgeht, indem dieſer, als Antrieb, fuͤr ihn gaͤnzlich ſchweigt, ſondern auf geiſtige Thaͤtigkeit, um der Thaͤtigkeit willen, und auf das Geſetz derſelben, um des Geſetzes willen. Ob nun zwar nicht dieſe geiſtige Thaͤtigkeit uͤberhaupt es iſt, auf welche die Sittlichkeit geht, ſondern dazu noch eine be¬ ſondere Richtung jener Thaͤtigkeit kommen muß, ſo iſt dennoch jene Liebe die allgemeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/77
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/77>, abgerufen am 23.11.2024.