Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.die um ihrer selbst willen geübte Thätigkeit des Auges Was jenen ersten Fall anlangt, so kann unzweifelhaft die um ihrer ſelbſt willen geübte Thätigkeit des Auges Was jenen erſten Fall anlangt, ſo kann unzweifelhaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="93"/> die um ihrer ſelbſt willen geübte Thätigkeit des Auges<lb/> gewinnt ſo an Intenſität, daß ſie alle übrigen Intereſſen,<lb/> denen ſie ſonſt dienſtbar iſt, zurückdrängt und ſich wenig¬<lb/> ſtens vorübergehend unter allen jenen Möglichkeiten, nach<lb/> denen die menſchliche Natur ſich ausleben kann, allein be¬<lb/> hauptet.</p><lb/> <p>Was jenen erſten Fall anlangt, ſo kann unzweifelhaft<lb/> das Maß der Betheiligung, welches dem Geſichtsſinn an<lb/> allen den Thätigkeiten vergönnt wird, an denen er über¬<lb/> haupt theilhaben kann, ein ſehr verſchiedenes ſein; und es<lb/> iſt keineswegs die mehr oder minder gute Beſchaffenheit<lb/> des Sehorgans, durch welche jenes Maß beſtimmt wird.<lb/> Es giebt genug Sehende, die nicht anders durch die Welt<lb/> gehen, als ob ſie mit Blindheit geſchlagen wären, und<lb/> gewiſſe Denkweiſen ſind nicht anders zu erklären, als daß<lb/> ihre Urheber das Zeugniß der Augen nur in ſehr unvoll¬<lb/> kommener und nebenſächlicher Weiſe herangezogen haben.<lb/> Daß in ſolchem Falle eine künſtleriſche Dispoſition nicht<lb/> vorhanden iſt, kann nicht Wunder nehmen. Anders iſt es,<lb/> wo die Forderung des Sinnenzeugniſſes auf den verſchie¬<lb/> denen Gebieten geiſtiger Thätigkeit eine ebenſo allgemeine<lb/> wie ſtrenge iſt, wo der Einzelne von Jugend auf ange¬<lb/> leitet wird, ſich bei allem, was er denkend und erkennend<lb/> ſich anzueignen ſtrebt, Rechenſchaft zu geben über die Zu¬<lb/> ſtimmung oder den Widerſpruch, der von dem Augenſchein<lb/> ausgehen könnte. Hier ſollte man meinen, daß einem ſo<lb/> geſchulten Geiſt der Zugang offen ſtehen müßte zu dem<lb/> Verſtändniß einer Thätigkeit, welche, wie die bildende<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0105]
die um ihrer ſelbſt willen geübte Thätigkeit des Auges
gewinnt ſo an Intenſität, daß ſie alle übrigen Intereſſen,
denen ſie ſonſt dienſtbar iſt, zurückdrängt und ſich wenig¬
ſtens vorübergehend unter allen jenen Möglichkeiten, nach
denen die menſchliche Natur ſich ausleben kann, allein be¬
hauptet.
Was jenen erſten Fall anlangt, ſo kann unzweifelhaft
das Maß der Betheiligung, welches dem Geſichtsſinn an
allen den Thätigkeiten vergönnt wird, an denen er über¬
haupt theilhaben kann, ein ſehr verſchiedenes ſein; und es
iſt keineswegs die mehr oder minder gute Beſchaffenheit
des Sehorgans, durch welche jenes Maß beſtimmt wird.
Es giebt genug Sehende, die nicht anders durch die Welt
gehen, als ob ſie mit Blindheit geſchlagen wären, und
gewiſſe Denkweiſen ſind nicht anders zu erklären, als daß
ihre Urheber das Zeugniß der Augen nur in ſehr unvoll¬
kommener und nebenſächlicher Weiſe herangezogen haben.
Daß in ſolchem Falle eine künſtleriſche Dispoſition nicht
vorhanden iſt, kann nicht Wunder nehmen. Anders iſt es,
wo die Forderung des Sinnenzeugniſſes auf den verſchie¬
denen Gebieten geiſtiger Thätigkeit eine ebenſo allgemeine
wie ſtrenge iſt, wo der Einzelne von Jugend auf ange¬
leitet wird, ſich bei allem, was er denkend und erkennend
ſich anzueignen ſtrebt, Rechenſchaft zu geben über die Zu¬
ſtimmung oder den Widerſpruch, der von dem Augenſchein
ausgehen könnte. Hier ſollte man meinen, daß einem ſo
geſchulten Geiſt der Zugang offen ſtehen müßte zu dem
Verſtändniß einer Thätigkeit, welche, wie die bildende
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