keit in sich, jene allgemeinen und unbestimmten Vorgänge, auf die unsere gesammte Wahrnehmung einer sichtbaren Welt hinausläuft, zu immer bestimmteren und faßbareren Ausdrucksmitteln zu entwickeln. Wo wir mit allem guten Willen und mit der ganz auf das Sehen concentrirten Kraft unseres Bewußtseins doch hülflos dastehen und keinen Schritt vorwärts zu kommen vermögen, da beginnt gerade das Leben des Künstlers; mag er nach anderen Richtungen hin Hemmungen empfinden, wo uns das Fortschreiten ver¬ gönnt ist, hier fühlt er sich frei und ungehindert. Er ist in seinem Element, wenn er da, wo wir darauf angewiesen sind, im Schauen zu verharren, den Ausgangspunkt nimmt zu einer in immer gesteigertem bildnerischen Ausdruck sich vollziehenden Thätigkeit. Alle die Manipulationen, von dem Einfachsten und Ursprünglichsten bis zu dem vielfach Zusammengesetzten, bergen keinen höheren Sinn in sich, als den, das fortzusetzen, was das Auge begonnen hat.
Freilich wenn man an der Trennung von geistigem und körperlichem Thun festhält, wird man auch nicht über die Ansicht hinaus zu kommen vermögen, daß der Künstler, indem er äußerlich thätig wird, nur etwas für Andere sichtbar und bleibend darstelle, was in seinem, an kein äußeres Thun gebundenen Vorstellungsvermögen bereits Gestalt gewonnen habe. Ja man wird weiter gehen und die Meinung hegen, daß der Künstler, indem er sich zur künstlerischen Thätigkeit anschicke, aus der Noth eine Tugend mache, da ja doch kein äußeres Mittel die in seinem Geiste wohnenden Gestalten in ihrer Reinheit
keit in ſich, jene allgemeinen und unbeſtimmten Vorgänge, auf die unſere geſammte Wahrnehmung einer ſichtbaren Welt hinausläuft, zu immer beſtimmteren und faßbareren Ausdrucksmitteln zu entwickeln. Wo wir mit allem guten Willen und mit der ganz auf das Sehen concentrirten Kraft unſeres Bewußtſeins doch hülflos daſtehen und keinen Schritt vorwärts zu kommen vermögen, da beginnt gerade das Leben des Künſtlers; mag er nach anderen Richtungen hin Hemmungen empfinden, wo uns das Fortſchreiten ver¬ gönnt iſt, hier fühlt er ſich frei und ungehindert. Er iſt in ſeinem Element, wenn er da, wo wir darauf angewieſen ſind, im Schauen zu verharren, den Ausgangspunkt nimmt zu einer in immer geſteigertem bildneriſchen Ausdruck ſich vollziehenden Thätigkeit. Alle die Manipulationen, von dem Einfachſten und Urſprünglichſten bis zu dem vielfach Zuſammengeſetzten, bergen keinen höheren Sinn in ſich, als den, das fortzuſetzen, was das Auge begonnen hat.
Freilich wenn man an der Trennung von geiſtigem und körperlichem Thun feſthält, wird man auch nicht über die Anſicht hinaus zu kommen vermögen, daß der Künſtler, indem er äußerlich thätig wird, nur etwas für Andere ſichtbar und bleibend darſtelle, was in ſeinem, an kein äußeres Thun gebundenen Vorſtellungsvermögen bereits Geſtalt gewonnen habe. Ja man wird weiter gehen und die Meinung hegen, daß der Künſtler, indem er ſich zur künſtleriſchen Thätigkeit anſchicke, aus der Noth eine Tugend mache, da ja doch kein äußeres Mittel die in ſeinem Geiſte wohnenden Geſtalten in ihrer Reinheit
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keit in ſich, jene allgemeinen und unbeſtimmten Vorgänge,
auf die unſere geſammte Wahrnehmung einer ſichtbaren
Welt hinausläuft, zu immer beſtimmteren und faßbareren
Ausdrucksmitteln zu entwickeln. Wo wir mit allem guten
Willen und mit der ganz auf das Sehen concentrirten
Kraft unſeres Bewußtſeins doch hülflos daſtehen und keinen
Schritt vorwärts zu kommen vermögen, da beginnt gerade
das Leben des Künſtlers; mag er nach anderen Richtungen
hin Hemmungen empfinden, wo uns das Fortſchreiten ver¬
gönnt iſt, hier fühlt er ſich frei und ungehindert. Er iſt
in ſeinem Element, wenn er da, wo wir darauf angewieſen
ſind, im Schauen zu verharren, den Ausgangspunkt nimmt
zu einer in immer geſteigertem bildneriſchen Ausdruck ſich
vollziehenden Thätigkeit. Alle die Manipulationen, von
dem Einfachſten und Urſprünglichſten bis zu dem vielfach
Zuſammengeſetzten, bergen keinen höheren Sinn in ſich,
als den, das fortzuſetzen, was das Auge begonnen hat.
Freilich wenn man an der Trennung von geiſtigem
und körperlichem Thun feſthält, wird man auch nicht über
die Anſicht hinaus zu kommen vermögen, daß der Künſtler,
indem er äußerlich thätig wird, nur etwas für Andere
ſichtbar und bleibend darſtelle, was in ſeinem, an kein
äußeres Thun gebundenen Vorſtellungsvermögen bereits
Geſtalt gewonnen habe. Ja man wird weiter gehen und
die Meinung hegen, daß der Künſtler, indem er ſich zur
künſtleriſchen Thätigkeit anſchicke, aus der Noth eine
Tugend mache, da ja doch kein äußeres Mittel die in
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/114>, abgerufen am 17.07.2024.
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