Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite
6.

Mit Recht bekennen wir, daß erst mit unserem eigenen
Dasein das gegeben ist, was wir als vorhanden anzu¬
sprechen vermögen. Es ist aber damit, wie wir gesehen
haben, noch wenig gesagt. Im bloßen Dasein des Men¬
schen mit seinen sinnlich-geistigen Anlagen liegt noch keine
Bürgschaft für das Vorhandensein einer Welt, die nun
dem Menschen schlechthin, allen Menschen gemeinsam an¬
gehört. Im Dasein des Menschen liegt die Bürgschaft
nur für die Möglichkeit der Entstehung dessen, was wir,
da wir es in den Formen besitzen, die wir selbst gebildet
haben, das Vorhandene nennen. Eine Realisirung dieser
Möglichkeit kann aber nur in einer Thätigkeit stattfinden,
die der Mensch entwickelt. Nicht dem Menschen, sondern
durch den Menschen offenbart sich alles, was wir meinen
können, wenn wir von Natur, Seiendem, Wirklichkeit, Welt
reden.

Wir haben erwähnt, daß dem Menschen kein Mittel
zu Gebote steht, durch das er den gesammten Wirklichkeits¬
gehalt eines Dinges in einen gemeinsamen Ausdruck zu
fassen vermöchte, daß er vielmehr darauf angewiesen ist,
auf verschiedenen Wegen zur thätigen Entwickelung eines

6.

Mit Recht bekennen wir, daß erſt mit unſerem eigenen
Daſein das gegeben iſt, was wir als vorhanden anzu¬
ſprechen vermögen. Es iſt aber damit, wie wir geſehen
haben, noch wenig geſagt. Im bloßen Daſein des Men¬
ſchen mit ſeinen ſinnlich-geiſtigen Anlagen liegt noch keine
Bürgſchaft für das Vorhandenſein einer Welt, die nun
dem Menſchen ſchlechthin, allen Menſchen gemeinſam an¬
gehört. Im Daſein des Menſchen liegt die Bürgſchaft
nur für die Möglichkeit der Entſtehung deſſen, was wir,
da wir es in den Formen beſitzen, die wir ſelbſt gebildet
haben, das Vorhandene nennen. Eine Realiſirung dieſer
Möglichkeit kann aber nur in einer Thätigkeit ſtattfinden,
die der Menſch entwickelt. Nicht dem Menſchen, ſondern
durch den Menſchen offenbart ſich alles, was wir meinen
können, wenn wir von Natur, Seiendem, Wirklichkeit, Welt
reden.

Wir haben erwähnt, daß dem Menſchen kein Mittel
zu Gebote ſteht, durch das er den geſammten Wirklichkeits¬
gehalt eines Dinges in einen gemeinſamen Ausdruck zu
faſſen vermöchte, daß er vielmehr darauf angewieſen iſt,
auf verſchiedenen Wegen zur thätigen Entwickelung eines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0132" n="[120]"/>
      <div n="1">
        <head>6.<lb/></head>
        <p>Mit Recht bekennen wir, daß er&#x017F;t mit un&#x017F;erem eigenen<lb/>
Da&#x017F;ein das gegeben i&#x017F;t, was wir als vorhanden anzu¬<lb/>
&#x017F;prechen vermögen. Es i&#x017F;t aber damit, wie wir ge&#x017F;ehen<lb/>
haben, noch wenig ge&#x017F;agt. Im bloßen Da&#x017F;ein des Men¬<lb/>
&#x017F;chen mit &#x017F;einen &#x017F;innlich-gei&#x017F;tigen Anlagen liegt noch keine<lb/>
Bürg&#x017F;chaft für das Vorhanden&#x017F;ein einer Welt, die nun<lb/>
dem Men&#x017F;chen &#x017F;chlechthin, allen Men&#x017F;chen gemein&#x017F;am an¬<lb/>
gehört. Im Da&#x017F;ein des Men&#x017F;chen liegt die Bürg&#x017F;chaft<lb/>
nur für die Möglichkeit der Ent&#x017F;tehung de&#x017F;&#x017F;en, was wir,<lb/>
da wir es in den Formen be&#x017F;itzen, die wir &#x017F;elb&#x017F;t gebildet<lb/>
haben, das Vorhandene nennen. Eine Reali&#x017F;irung die&#x017F;er<lb/>
Möglichkeit kann aber nur in einer Thätigkeit &#x017F;tattfinden,<lb/>
die der Men&#x017F;ch entwickelt. Nicht dem Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern<lb/>
durch den Men&#x017F;chen offenbart &#x017F;ich alles, was wir meinen<lb/>
können, wenn wir von Natur, Seiendem, Wirklichkeit, Welt<lb/>
reden.</p><lb/>
        <p>Wir haben erwähnt, daß dem Men&#x017F;chen kein Mittel<lb/>
zu Gebote &#x017F;teht, durch das er den ge&#x017F;ammten Wirklichkeits¬<lb/>
gehalt eines Dinges in einen gemein&#x017F;amen Ausdruck zu<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en vermöchte, daß er vielmehr darauf angewie&#x017F;en i&#x017F;t,<lb/>
auf ver&#x017F;chiedenen Wegen zur thätigen Entwickelung eines<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[120]/0132] 6. Mit Recht bekennen wir, daß erſt mit unſerem eigenen Daſein das gegeben iſt, was wir als vorhanden anzu¬ ſprechen vermögen. Es iſt aber damit, wie wir geſehen haben, noch wenig geſagt. Im bloßen Daſein des Men¬ ſchen mit ſeinen ſinnlich-geiſtigen Anlagen liegt noch keine Bürgſchaft für das Vorhandenſein einer Welt, die nun dem Menſchen ſchlechthin, allen Menſchen gemeinſam an¬ gehört. Im Daſein des Menſchen liegt die Bürgſchaft nur für die Möglichkeit der Entſtehung deſſen, was wir, da wir es in den Formen beſitzen, die wir ſelbſt gebildet haben, das Vorhandene nennen. Eine Realiſirung dieſer Möglichkeit kann aber nur in einer Thätigkeit ſtattfinden, die der Menſch entwickelt. Nicht dem Menſchen, ſondern durch den Menſchen offenbart ſich alles, was wir meinen können, wenn wir von Natur, Seiendem, Wirklichkeit, Welt reden. Wir haben erwähnt, daß dem Menſchen kein Mittel zu Gebote ſteht, durch das er den geſammten Wirklichkeits¬ gehalt eines Dinges in einen gemeinſamen Ausdruck zu faſſen vermöchte, daß er vielmehr darauf angewieſen iſt, auf verſchiedenen Wegen zur thätigen Entwickelung eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/132
Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. [120]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/132>, abgerufen am 04.12.2024.