Was nun die Bedeutung anlangt, die der Entstehung und dem Vorhandensein künstlerischer Hervorbringungen für den geistigen Zustand der Menschen im allgemeinen zugeschrieben werden muß, sofern die Auffassung und das Verständniß der Kunst demjenigen Inhalt entspricht, den wir für die Production selbst als allein maßgebend be¬ zeichnet haben: so ist auf eins schon im Vorhergehenden hingewiesen worden, auf die Klarheit, die derjenige auf dem weiten und anscheinend so verworrenen Gebiete der künstlerischen Thätigkeit gewinnt, der sein Auge einmal jenem ersten und letzten Geheimniß der Kunst geöffnet hat. Alles das, was man wohl sonst zu ergründen sucht, wenn man das Verständniß eines Kunstwerkes zu erweitern und zu vertiefen bestrebt ist, die formalen Eigenthümlichkeiten, von denen bestimmte unmittelbare Wirkungen auf die Em¬ pfindung ausgehen, die Beziehungen, in denen das Werk dem Gegenstande der Darstellung nach zu mannichfachen Gebieten des Lebens steht, die Bedeutung, die es gewinnt, wenn man in ihm ein Resultat geschichtlicher Mächte und zugleich selbst eine Macht erblickt, von der geschichtliche Wirkungen auf die Gesammtheit des Culturlebens aus¬ gehen, alles das wird ihm das wahre Wesen des Kunst¬ werks weniger zu offenbaren, als vielmehr zu verhüllen scheinen. Denn er wird einsehen, daß durch die beständige Vermehrung der Gesichtspunkte, von denen aus die Be¬ trachtung der Kunstwerke unternommen wird, der eine Ge¬ sichtspunkt nur verdunkelt werden kann, von dem aus allein ein Eindringen in die künstlerische Qualität möglich ist.
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Was nun die Bedeutung anlangt, die der Entſtehung und dem Vorhandenſein künſtleriſcher Hervorbringungen für den geiſtigen Zuſtand der Menſchen im allgemeinen zugeſchrieben werden muß, ſofern die Auffaſſung und das Verſtändniß der Kunſt demjenigen Inhalt entſpricht, den wir für die Production ſelbſt als allein maßgebend be¬ zeichnet haben: ſo iſt auf eins ſchon im Vorhergehenden hingewieſen worden, auf die Klarheit, die derjenige auf dem weiten und anſcheinend ſo verworrenen Gebiete der künſtleriſchen Thätigkeit gewinnt, der ſein Auge einmal jenem erſten und letzten Geheimniß der Kunſt geöffnet hat. Alles das, was man wohl ſonſt zu ergründen ſucht, wenn man das Verſtändniß eines Kunſtwerkes zu erweitern und zu vertiefen beſtrebt iſt, die formalen Eigenthümlichkeiten, von denen beſtimmte unmittelbare Wirkungen auf die Em¬ pfindung ausgehen, die Beziehungen, in denen das Werk dem Gegenſtande der Darſtellung nach zu mannichfachen Gebieten des Lebens ſteht, die Bedeutung, die es gewinnt, wenn man in ihm ein Reſultat geſchichtlicher Mächte und zugleich ſelbſt eine Macht erblickt, von der geſchichtliche Wirkungen auf die Geſammtheit des Culturlebens aus¬ gehen, alles das wird ihm das wahre Weſen des Kunſt¬ werks weniger zu offenbaren, als vielmehr zu verhüllen ſcheinen. Denn er wird einſehen, daß durch die beſtändige Vermehrung der Geſichtspunkte, von denen aus die Be¬ trachtung der Kunſtwerke unternommen wird, der eine Ge¬ ſichtspunkt nur verdunkelt werden kann, von dem aus allein ein Eindringen in die künſtleriſche Qualität möglich iſt.
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Was nun die Bedeutung anlangt, die der Entſtehung
und dem Vorhandenſein künſtleriſcher Hervorbringungen
für den geiſtigen Zuſtand der Menſchen im allgemeinen
zugeſchrieben werden muß, ſofern die Auffaſſung und das
Verſtändniß der Kunſt demjenigen Inhalt entſpricht, den
wir für die Production ſelbſt als allein maßgebend be¬
zeichnet haben: ſo iſt auf eins ſchon im Vorhergehenden
hingewieſen worden, auf die Klarheit, die derjenige auf
dem weiten und anſcheinend ſo verworrenen Gebiete der
künſtleriſchen Thätigkeit gewinnt, der ſein Auge einmal
jenem erſten und letzten Geheimniß der Kunſt geöffnet hat.
Alles das, was man wohl ſonſt zu ergründen ſucht, wenn
man das Verſtändniß eines Kunſtwerkes zu erweitern und
zu vertiefen beſtrebt iſt, die formalen Eigenthümlichkeiten,
von denen beſtimmte unmittelbare Wirkungen auf die Em¬
pfindung ausgehen, die Beziehungen, in denen das Werk
dem Gegenſtande der Darſtellung nach zu mannichfachen
Gebieten des Lebens ſteht, die Bedeutung, die es gewinnt,
wenn man in ihm ein Reſultat geſchichtlicher Mächte und
zugleich ſelbſt eine Macht erblickt, von der geſchichtliche
Wirkungen auf die Geſammtheit des Culturlebens aus¬
gehen, alles das wird ihm das wahre Weſen des Kunſt¬
werks weniger zu offenbaren, als vielmehr zu verhüllen
ſcheinen. Denn er wird einſehen, daß durch die beſtändige
Vermehrung der Geſichtspunkte, von denen aus die Be¬
trachtung der Kunſtwerke unternommen wird, der eine Ge¬
ſichtspunkt nur verdunkelt werden kann, von dem aus allein
ein Eindringen in die künſtleriſche Qualität möglich iſt.
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/175>, abgerufen am 16.02.2025.
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