Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

Und da der Schäffer todt / wolte Sie erweisen sich am meisten als eine Schäfferinn in dem / was ich schon von Ihr angeführet. Ich frage ob hierzu nicht die grösseste Gedult erfodert werde? Was ist doch bey der Schul-Arbeit? Hats nicht jener recht getroffen / da er sagt: In der Schule gebe es Esels-Arbeit / Zeißgen-Futter und Teuffels-Danck. So muß ihr ja wol die 30. Jahr das Leben saur gnug / und ihre Schule / welche ich billig ihren Schaffstall nennen möchte / ein rechtes Marter-Hauß gewesen seyn. 2917. Kinder hat sie unterwiesen / O wie viel tausend A / b / c / wie viel tausend A / b / Ab werden dazu gehöret / wie manches unartiges / wie manches böses Kind mag darunter gewesen seyn? Gewiß / das wird Gedult gekostet haben. Und doch muß ihr ein jeder dieses zu ihren unsterblichen Ruhm nachsagen / sie sey unverdossen gewesen. Nun endlich hat diese Schäfferinne die Heerde verlassen müssen / denn der grosse Hirte CHristus JESUS hat sie abgefodert. Jener berühmte Schul-Rector, da er jetzo sterben wolte / ließ diese nachdenckliche Worte von sich hören: Ego vero avocor in aliam scholam, und diese seelige Schäfferinne konte mit allem fug sagen: Ego vero avocor in aliud ovile. Aber ach! die Lämmer / die noch unter ihrer Aufsicht waren / ich meyne die lieben Kinder und dero Eltern haben Ursach sich zu betrüben; Sie verlieren eine Frau / die ihnen eine grosse Last bißhero abgenommen; Ihre Bekandte trauren billig / sie verlieren eine redliche Freundinne. Unser Gottes-Hauß beklaget sich / es verlieret eine fleißige Besucherinn. Doch diese Klagen müssen billig ihre geziemende Maaß behalten. Ich meyne / nach 30 jähriger Mühe kan man einem wol die angenehme Ruhe gönnen; und gewiß / Sie ist zur Ruhe kommen. Ihr Mund / aus welchem so viel heilsamer Unterricht

Und da der Schäffer todt / wolte Sie erweisen sich am meisten als eine Schäfferinn in dem / was ich schon von Ihr angeführet. Ich frage ob hierzu nicht die grösseste Gedult erfodert werde? Was ist doch bey der Schul-Arbeit? Hats nicht jener recht getroffen / da er sagt: In der Schule gebe es Esels-Arbeit / Zeißgen-Futter und Teuffels-Danck. So muß ihr ja wol die 30. Jahr das Leben saur gnug / und ihre Schule / welche ich billig ihren Schaffstall nennen möchte / ein rechtes Marter-Hauß gewesen seyn. 2917. Kinder hat sie unterwiesen / O wie viel tausend A / b / c / wie viel tausend A / b / Ab werden dazu gehöret / wie manches unartiges / wie manches böses Kind mag darunter gewesen seyn? Gewiß / das wird Gedult gekostet haben. Und doch muß ihr ein jeder dieses zu ihren unsterblichen Ruhm nachsagen / sie sey unverdossen gewesen. Nun endlich hat diese Schäfferinne die Heerde verlassen müssen / denn der grosse Hirte CHristus JESUS hat sie abgefodert. Jener berühmte Schul-Rector, da er jetzo sterben wolte / ließ diese nachdenckliche Worte von sich hören: Ego verò avocor in aliam scholam, und diese seelige Schäfferinne konte mit allem fug sagen: Ego verò avocor in aliud ovile. Aber ach! die Lämmer / die noch unter ihrer Aufsicht waren / ich meyne die lieben Kinder und dero Eltern haben Ursach sich zu betrüben; Sie verlieren eine Frau / die ihnen eine grosse Last bißhero abgenommen; Ihre Bekandte trauren billig / sie verlieren eine redliche Freundinne. Unser Gottes-Hauß beklaget sich / es verlieret eine fleißige Besucherinn. Doch diese Klagen müssen billig ihre geziemende Maaß behalten. Ich meyne / nach 30 jähriger Mühe kan man einem wol die angenehme Ruhe gönnen; und gewiß / Sie ist zur Ruhe kommen. Ihr Mund / aus welchem so viel heilsamer Unterricht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0051" n="45"/>
        <p>Und da der Schäffer todt / wolte Sie erweisen sich am meisten als eine
                     Schäfferinn in dem / was ich schon von Ihr angeführet. Ich frage ob hierzu nicht
                     die grösseste Gedult erfodert werde? Was ist doch bey der Schul-Arbeit? Hats
                     nicht jener recht getroffen / da er sagt: In der Schule gebe es Esels-Arbeit /
                     Zeißgen-Futter und Teuffels-Danck. So muß ihr ja wol die 30. Jahr das Leben saur
                     gnug / und ihre Schule / welche ich billig ihren Schaffstall nennen möchte / ein
                     rechtes Marter-Hauß gewesen seyn. 2917. Kinder hat sie unterwiesen / O wie viel
                     tausend A / b / c / wie viel tausend A / b / Ab werden dazu gehöret / wie
                     manches unartiges / wie manches böses Kind mag darunter gewesen seyn? Gewiß /
                     das wird Gedult gekostet haben. Und doch muß ihr ein jeder dieses zu ihren
                     unsterblichen Ruhm nachsagen / sie sey unverdossen gewesen. Nun endlich hat
                     diese Schäfferinne die Heerde verlassen müssen / denn der grosse Hirte CHristus
                     JESUS hat sie abgefodert. Jener berühmte Schul-Rector, da er jetzo sterben wolte
                     / ließ diese nachdenckliche Worte von sich hören: Ego verò avocor in aliam
                     scholam, und diese seelige Schäfferinne konte mit allem fug sagen: Ego verò
                     avocor in aliud ovile. Aber ach! die Lämmer / die noch unter ihrer Aufsicht
                     waren / ich meyne die lieben Kinder und dero Eltern haben Ursach sich zu
                     betrüben; Sie verlieren eine Frau / die ihnen eine grosse Last bißhero
                     abgenommen; Ihre Bekandte trauren billig / sie verlieren eine redliche
                     Freundinne. Unser Gottes-Hauß beklaget sich / es verlieret eine fleißige
                     Besucherinn. Doch diese Klagen müssen billig ihre geziemende Maaß behalten. Ich
                     meyne / nach 30 jähriger Mühe kan man einem wol die angenehme Ruhe gönnen; und
                     gewiß / Sie ist zur Ruhe kommen. Ihr Mund / aus welchem so viel heilsamer
                     Unterricht
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0051] Und da der Schäffer todt / wolte Sie erweisen sich am meisten als eine Schäfferinn in dem / was ich schon von Ihr angeführet. Ich frage ob hierzu nicht die grösseste Gedult erfodert werde? Was ist doch bey der Schul-Arbeit? Hats nicht jener recht getroffen / da er sagt: In der Schule gebe es Esels-Arbeit / Zeißgen-Futter und Teuffels-Danck. So muß ihr ja wol die 30. Jahr das Leben saur gnug / und ihre Schule / welche ich billig ihren Schaffstall nennen möchte / ein rechtes Marter-Hauß gewesen seyn. 2917. Kinder hat sie unterwiesen / O wie viel tausend A / b / c / wie viel tausend A / b / Ab werden dazu gehöret / wie manches unartiges / wie manches böses Kind mag darunter gewesen seyn? Gewiß / das wird Gedult gekostet haben. Und doch muß ihr ein jeder dieses zu ihren unsterblichen Ruhm nachsagen / sie sey unverdossen gewesen. Nun endlich hat diese Schäfferinne die Heerde verlassen müssen / denn der grosse Hirte CHristus JESUS hat sie abgefodert. Jener berühmte Schul-Rector, da er jetzo sterben wolte / ließ diese nachdenckliche Worte von sich hören: Ego verò avocor in aliam scholam, und diese seelige Schäfferinne konte mit allem fug sagen: Ego verò avocor in aliud ovile. Aber ach! die Lämmer / die noch unter ihrer Aufsicht waren / ich meyne die lieben Kinder und dero Eltern haben Ursach sich zu betrüben; Sie verlieren eine Frau / die ihnen eine grosse Last bißhero abgenommen; Ihre Bekandte trauren billig / sie verlieren eine redliche Freundinne. Unser Gottes-Hauß beklaget sich / es verlieret eine fleißige Besucherinn. Doch diese Klagen müssen billig ihre geziemende Maaß behalten. Ich meyne / nach 30 jähriger Mühe kan man einem wol die angenehme Ruhe gönnen; und gewiß / Sie ist zur Ruhe kommen. Ihr Mund / aus welchem so viel heilsamer Unterricht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/51
Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/51>, abgerufen am 04.12.2024.