Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.Und wenn nur nicht durch diesen Schnitt der Baum selbst gar zu tieff verwundet worden. So aber rufft uns der Seel. Herr Cämmerer zu: Lethale vulnus: Der Abschnitt dieses Rebens Ein Abschnitt meines Lebens.Der Zweig war abgeschnitten / und dieses dem Stamm so empfindlich / daß er sich zu tode geblutet. Mit wenigem: Der Tochter Tod druckte dem Vater die Augen zu. Ich weiß fast nicht / ob ich recht dazu habe / der hinterlassenen betrübten Frau Witwen / denen Herren Söhnen / und theils noch unmündigen Weysen einzureden / daß Sie ihre Thränen mäßigen. Jener / der Fr. Wittwen / fällt ja durch diesen Fall ein Baum dahin / daran sie sich / wie das Epheu an einen Baum / geschlungen / und von dem sie sagen kunte: Te stante virebo: So lange du wirst stehen / Kan ich nicht untergehen.Diese / die Hochbetrübte Wäysen / als abgerissene Zweige / wissen nun nicht mehr / wo sie ihren Safft hernehmen sollen. Ihre Mutter sind ihnen schon vorlängst entrissen / nun haben sie auch den Vater / ach noch gar zu früh! verlohren. Und wenn nur noch die Sehl. Jungfer Schwester wäre überblieben. Aber / ach hartes Verhängniß! Vater und Schwester / Schwester und Vater auf einmahl. Was Wunder / da ein so grosser Zweig abgerissen / und der Stamm darüber sich selbst zu tode geblutet / daß die übrige Zweige heisse Thränen fliessen lassen? Ich schreibe nochmahls über den Baum den ich oben zum Sinnbilde angeführet: Lacrymabile vulnus: O Wund! O Thränen-Brunn! Dir ist es zuzuschreiben /Und wenn nur nicht durch diesen Schnitt der Baum selbst gar zu tieff verwundet worden. So aber rufft uns der Seel. Herr Cämmerer zu: Lethale vulnus: Der Abschnitt dieses Rebens Ein Abschnitt meines Lebens.Der Zweig war abgeschnitten / und dieses dem Stamm so empfindlich / daß er sich zu tode geblutet. Mit wenigem: Der Tochter Tod druckte dem Vater die Augen zu. Ich weiß fast nicht / ob ich recht dazu habe / der hinterlassenen betrübten Frau Witwen / denen Herren Söhnen / und theils noch unmündigen Weysen einzureden / daß Sie ihre Thränen mäßigen. Jener / der Fr. Wittwen / fällt ja durch diesen Fall ein Baum dahin / daran sie sich / wie das Epheu an einen Baum / geschlungen / und von dem sie sagen kunte: Te stante virebo: So lange du wirst stehen / Kan ich nicht untergehen.Diese / die Hochbetrübte Wäysen / als abgerissene Zweige / wissen nun nicht mehr / wo sie ihren Safft hernehmen sollen. Ihre Mutter sind ihnen schon vorlängst entrissen / nun haben sie auch den Vater / ach noch gar zu früh! verlohren. Und wenn nur noch die Sehl. Jungfer Schwester wäre überblieben. Aber / ach hartes Verhängniß! Vater und Schwester / Schwester und Vater auf einmahl. Was Wunder / da ein so grosser Zweig abgerissen / und der Stamm darüber sich selbst zu tode geblutet / daß die übrige Zweige heisse Thränen fliessen lassen? Ich schreibe nochmahls über den Baum den ich oben zum Sinnbilde angeführet: Lacrymabile vulnus: O Wund! O Thränen-Brunn! Dir ist es zuzuschreiben /<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0066" n="60"/> <p>Und wenn nur nicht durch diesen Schnitt der Baum selbst gar zu tieff verwundet worden. So aber rufft uns der Seel. Herr Cämmerer zu:</p> <l>Lethale vulnus: Der Abschnitt dieses Rebens Ein Abschnitt meines Lebens.</l> <p>Der Zweig war abgeschnitten / und dieses dem Stamm so empfindlich / daß er sich zu tode geblutet. Mit wenigem: Der Tochter Tod druckte dem Vater die Augen zu. Ich weiß fast nicht / ob ich recht dazu habe / der hinterlassenen betrübten Frau Witwen / denen Herren Söhnen / und theils noch unmündigen Weysen einzureden / daß Sie ihre Thränen mäßigen. Jener / der Fr. Wittwen / fällt ja durch diesen Fall ein Baum dahin / daran sie sich / wie das Epheu an einen Baum / geschlungen / und von dem sie sagen kunte:</p> <l>Te stante virebo: So lange du wirst stehen / Kan ich nicht untergehen.</l> <p>Diese / die Hochbetrübte Wäysen / als abgerissene Zweige / wissen nun nicht mehr / wo sie ihren Safft hernehmen sollen. Ihre Mutter sind ihnen schon vorlängst entrissen / nun haben sie auch den Vater / ach noch gar zu früh! verlohren. Und wenn nur noch die Sehl. Jungfer Schwester wäre überblieben. Aber / ach hartes Verhängniß! Vater und Schwester / Schwester und Vater auf einmahl. Was Wunder / da ein so grosser Zweig abgerissen / und der Stamm darüber sich selbst zu tode geblutet / daß die übrige Zweige heisse Thränen fliessen lassen? Ich schreibe nochmahls über den Baum den ich oben zum Sinnbilde angeführet:</p> <l>Lacrymabile vulnus: O Wund! O Thränen-Brunn! Dir ist es zuzuschreiben / </l> </div> </body> </text> </TEI> [60/0066]
Und wenn nur nicht durch diesen Schnitt der Baum selbst gar zu tieff verwundet worden. So aber rufft uns der Seel. Herr Cämmerer zu:
Lethale vulnus: Der Abschnitt dieses Rebens Ein Abschnitt meines Lebens. Der Zweig war abgeschnitten / und dieses dem Stamm so empfindlich / daß er sich zu tode geblutet. Mit wenigem: Der Tochter Tod druckte dem Vater die Augen zu. Ich weiß fast nicht / ob ich recht dazu habe / der hinterlassenen betrübten Frau Witwen / denen Herren Söhnen / und theils noch unmündigen Weysen einzureden / daß Sie ihre Thränen mäßigen. Jener / der Fr. Wittwen / fällt ja durch diesen Fall ein Baum dahin / daran sie sich / wie das Epheu an einen Baum / geschlungen / und von dem sie sagen kunte:
Te stante virebo: So lange du wirst stehen / Kan ich nicht untergehen. Diese / die Hochbetrübte Wäysen / als abgerissene Zweige / wissen nun nicht mehr / wo sie ihren Safft hernehmen sollen. Ihre Mutter sind ihnen schon vorlängst entrissen / nun haben sie auch den Vater / ach noch gar zu früh! verlohren. Und wenn nur noch die Sehl. Jungfer Schwester wäre überblieben. Aber / ach hartes Verhängniß! Vater und Schwester / Schwester und Vater auf einmahl. Was Wunder / da ein so grosser Zweig abgerissen / und der Stamm darüber sich selbst zu tode geblutet / daß die übrige Zweige heisse Thränen fliessen lassen? Ich schreibe nochmahls über den Baum den ich oben zum Sinnbilde angeführet:
Lacrymabile vulnus: O Wund! O Thränen-Brunn! Dir ist es zuzuschreiben /
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/66>, abgerufen am 16.07.2024. |