Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als er zu seiner Rechten ein sanftes Rie- seln hörte, und darauf ein kleines Bächlein entdeckte. Der fromme Moslemin glaubte hier einen Wink Allah's zu sehen, nahm die heilige Abwaschung vor, und verrich- tete dann kniend das Pflichtgebet. Als er nun, sich erhebend, aus der Quelle schöpfen wollte, um seinen brennenden Durst zu löschen, war sie bis auf die geringste Spur verschwunden; aber zur Linken hörte er dasselbe sanfte Gemurmel, und siehe da! als er die hohle Hand gefüllt zum Munde führte, dufteten ihm die köstlichsten Wohl- gerüche entgegen, und der lieblichste Scher- bet, den er je genossen, labte seine ver- brannte Zunge.
Jch muß gestehen, rief er aus, nachdem er reichlich getrunken hatte, die gütige Fee, welche mir vielleicht diese Quelle zufließen
K 2
Kaum hatte er dieſe Worte geſprochen, als er zu ſeiner Rechten ein ſanftes Rie- ſeln hoͤrte, und darauf ein kleines Baͤchlein entdeckte. Der fromme Moslemin glaubte hier einen Wink Allah's zu ſehen, nahm die heilige Abwaſchung vor, und verrich- tete dann kniend das Pflichtgebet. Als er nun, ſich erhebend, aus der Quelle ſchoͤpfen wollte, um ſeinen brennenden Durſt zu loͤſchen, war ſie bis auf die geringſte Spur verſchwunden; aber zur Linken hoͤrte er daſſelbe ſanfte Gemurmel, und ſiehe da! als er die hohle Hand gefuͤllt zum Munde fuͤhrte, dufteten ihm die koͤſtlichſten Wohl- geruͤche entgegen, und der lieblichſte Scher- bet, den er je genoſſen, labte ſeine ver- brannte Zunge.
Jch muß geſtehen, rief er aus, nachdem er reichlich getrunken hatte, die guͤtige Fee, welche mir vielleicht dieſe Quelle zufließen
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Kaum hatte er dieſe Worte geſprochen,
als er zu ſeiner Rechten ein ſanftes Rie-
ſeln hoͤrte, und darauf ein kleines Baͤchlein
entdeckte. Der fromme Moslemin glaubte
hier einen Wink Allah's zu ſehen, nahm
die heilige Abwaſchung vor, und verrich-
tete dann kniend das Pflichtgebet. Als er
nun, ſich erhebend, aus der Quelle ſchoͤpfen
wollte, um ſeinen brennenden Durſt zu
loͤſchen, war ſie bis auf die geringſte Spur
verſchwunden; aber zur Linken hoͤrte er
daſſelbe ſanfte Gemurmel, und ſiehe da!
als er die hohle Hand gefuͤllt zum Munde
fuͤhrte, dufteten ihm die koͤſtlichſten Wohl-
geruͤche entgegen, und der lieblichſte Scher-
bet, den er je genoſſen, labte ſeine ver-
brannte Zunge.
Jch muß geſtehen, rief er aus, nachdem
er reichlich getrunken hatte, die guͤtige Fee,
welche mir vielleicht dieſe Quelle zufließen
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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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