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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Erster Theil/
[Spaltenumbruch] des Bundes getantzet, können wir mit
mehrerm in der Heiligen Schrifft finden:
Woraus zu ersehen, wie die Tanne so-
wohl, als die Ceder, in sonderbarem
Werth gehalten worden. Es werden
heutiges Tages auch noch sowohl in Kir-
chen, dem grossen GOtt zu Ehren, die
Orgeln, als auch ausser derselben ande-
re musicalische Instrumenta zu des Men-
schen Vergnügen aus Tannen-Holtze ge-
machet. Die alten Heyden haben vorzei-
ten diesen Baum dem Baccho gewiedmet;
Maassen sie bey dessen Opffer Kräntze und
Zweige von Tannen getragen, wie beym
Virgilio davon mit mehrerm zu ersehen
ist. Es wächset die Tanne am liebsten
in kalten hohen Gebürgen gerade und
starck sehr hoch empor, und will in nas-
sem Boden nicht Art haben; Hat eine
starcke Hartz-Wurtzel, breitet die andern
Wurtzeln weit umb sich und läßet nichts
als Mooß unter sich wachsen. Der
Stamm hat eine Silbergraue weisse
Rinde, welche dicke, morsch und brüchig
ist, und unter sich ein verborgen durch-
sichtig Hartz von terpentinischem Geruch
führet, welches öffters durch die so genann-
ten Tannen-Blätter ausfliesset, und zu
einer trefflichen Heil-Salbe dienlich ist.
Die Zweige oder Aeste haben eine ange-
nehme Farbe von stahlgrünen Nadeln,
welche in der Breite stehen und oben bloß,
unten aber dunckelgrün sind. Jm Ma-
jo
fallen die alten Nadeln ab und wach-
sen neue hervor. Die Tannen-Zapf-
fen, worinnen der Saame von hartzig-
ter Materie in kleinen Flügeln im Herb-
ste ausflieget, stehen auffwärts. Die
Misteln, so von übriger Fettigkeit des
Baums oben als Corallen-Cincken zu
wachsen pflegen, und von welchen der
Vogel-Leim gemacht wird, tragen Beer-
lein, so weiß einer Erbsen groß, und mit
schwartzen Körnlein untermenget sind,
worinnen sich ein weisser zeher Schleim
befindet. Das Wildpräth ässet sich gern
von solchen Misteln und die Bauern hau-
en ihn des Winters-Zeit vor ihr Vieh
mit nicht geringer Gefahr von oben her-
ab. Sonst dienet dieser Baum denen
Schifffahrenden, wegen seiner ungemei-
nen Höhe und Stärcke zu trefflichen
Mastbäumen: Das Holtz ist sehr weiß
und leichte, und weichlicht zu arbeiten;
Weil es aber seiner Zärtligkeit halber
im Wetter nicht so tauerhafft, als das
sichten und kieferne, so werden meistens
trockene Gefässe und Tischer-Brette,
[Spaltenumbruch] Schräncke, Betten, Tische, Bäncke,
Stühle und dergleichen Geräthe daraus
verfertiget, die Ober-Gipffel der Spitzen
aber zu Quirlen gemachet. Und weil
dieser Tannen-Baum mit seiner schönen
Farbe des Menschen Auge ermuntert,
das Gehöltze zieret, der Vögel Gesang
erfreuet und mit seinen Zweigen oder an-
muthigen jungen Tännen-Sträuchern
in finstern Höhlen die wilden Thiere des
Winters und Sommers vor Frost und
Hitze, Schnee und Regen bedecket, ha-
ben ihm zu Ehren die Alten nicht unbil-
lig Lieder und Verse erdichtet, und bey
ihrer Zusammenkunfft sich des Tannen-
Baums errinnert, wie man noch heu-
tiges Tages von denen so genannten
Berg-Sängern höret. Von der Tan-
nen-Asche sollen auch, wie man vor ge-
wiß behaupten will, die helle und klahre
schöne durchsichtige Gläser gemachet wer-
den, weiln das fichtene oder gar vollends
das kieferne Holtz, wegen seiner hartzi-
gen Eigenschafft, nichts als unreines blat-
ter- oder krätziges grünes Bauer-Glaß
machet, wie dann hiervon die Glaß-Hüt-
ten in Böhmischen Gebürgen sattsam
Nachricht geben können, wiewohl man
auch von Buchen, Aeschen, und Ahorn
oder anderm hartem Holtz, ausser Eichen-
Holtz, weil es färbet, hell Glaß machen
kan.

Von der Fichte.

Nebst der Tanne ist die Fichte auch
ein nützlicher Baum, welcher ebenfalls
in kalten nordischen Gebürgen weit ge-
räder, länger und höher wächset, als die
Tanne und Kiefer; Hat eine röthlichte
Rinde, welche gantz zehe sich biegen läs-
set, und nicht so spröde, als der Tannen
Rinde ist; Belauffet sich mit Wurtzeln
flach auf der Erde ohne Hertz-Wurtzel,
deswegen die Sturm-Winde grosse Nie-
derlagen unter ihnen verursachen: Sei-
ne Zweige und Aeste sind mit etwas
grünlichen Nadlen allenthalben gezieret;
Haben Zapffen, worinnen der Saame
als Hirsche-Körnlein mit breiten dün-
nen Flügeln verborgen, so durch den
Wind des Frühlings weit und breit ge-
säet wird, von welchem junge Fichten
aufwachsen, aus denen, weil sie dunckele
und finstere Behältniße machen, darun-
ter sich die wilden Thiere am liebsten ver-
bergen, herrliche Dickigte werden. Es
werden auch wegen ihrer Länge Mast-

Bäume

Erſter Theil/
[Spaltenumbruch] des Bundes getantzet, koͤnnen wir mit
mehrerm in der Heiligen Schrifft finden:
Woraus zu erſehen, wie die Tanne ſo-
wohl, als die Ceder, in ſonderbarem
Werth gehalten worden. Es werden
heutiges Tages auch noch ſowohl in Kir-
chen, dem groſſen GOtt zu Ehren, die
Orgeln, als auch auſſer derſelben ande-
re muſicaliſche Inſtrumenta zu des Men-
ſchen Vergnuͤgen aus Tannen-Holtze ge-
machet. Die alten Heyden haben vorzei-
ten dieſen Baum dem Baccho gewiedmet;
Maaſſen ſie bey deſſen Opffer Kraͤntze und
Zweige von Tannen getragen, wie beym
Virgilio davon mit mehrerm zu erſehen
iſt. Es waͤchſet die Tanne am liebſten
in kalten hohen Gebuͤrgen gerade und
ſtarck ſehr hoch empor, und will in naſ-
ſem Boden nicht Art haben; Hat eine
ſtarcke Hartz-Wurtzel, breitet die andern
Wurtzeln weit umb ſich und laͤßet nichts
als Mooß unter ſich wachſen. Der
Stamm hat eine Silbergraue weiſſe
Rinde, welche dicke, morſch und bruͤchig
iſt, und unter ſich ein verborgen durch-
ſichtig Hartz von terpentiniſchem Geruch
fuͤhꝛet, welches oͤffters duꝛch die ſo genann-
ten Tannen-Blaͤtter ausflieſſet, und zu
einer trefflichen Heil-Salbe dienlich iſt.
Die Zweige oder Aeſte haben eine ange-
nehme Farbe von ſtahlgruͤnen Nadeln,
welche in der Breite ſtehen und oben bloß,
unten aber dunckelgruͤn ſind. Jm Ma-
jo
fallen die alten Nadeln ab und wach-
ſen neue hervor. Die Tannen-Zapf-
fen, worinnen der Saame von hartzig-
ter Materie in kleinen Fluͤgeln im Herb-
ſte ausflieget, ſtehen auffwaͤrts. Die
Miſteln, ſo von uͤbriger Fettigkeit des
Baums oben als Corallen-Cincken zu
wachſen pflegen, und von welchen der
Vogel-Leim gemacht wird, tragen Beer-
lein, ſo weiß einer Erbſen groß, und mit
ſchwartzen Koͤrnlein untermenget ſind,
worinnen ſich ein weiſſer zeher Schleim
befindet. Das Wildpraͤth aͤſſet ſich gern
von ſolchen Miſteln und die Bauern hau-
en ihn des Winters-Zeit vor ihr Vieh
mit nicht geringer Gefahr von oben her-
ab. Sonſt dienet dieſer Baum denen
Schifffahrenden, wegen ſeiner ungemei-
nen Hoͤhe und Staͤrcke zu trefflichen
Maſtbaͤumen: Das Holtz iſt ſehr weiß
und leichte, und weichlicht zu arbeiten;
Weil es aber ſeiner Zaͤrtligkeit halber
im Wetter nicht ſo tauerhafft, als das
ſichten und kieferne, ſo werden meiſtens
trockene Gefaͤſſe und Tiſcher-Brette,
[Spaltenumbruch] Schraͤncke, Betten, Tiſche, Baͤncke,
Stuͤhle und dergleichen Geraͤthe daraus
verfertiget, die Ober-Gipffel der Spitzen
aber zu Quirlen gemachet. Und weil
dieſer Tannen-Baum mit ſeiner ſchoͤnen
Farbe des Menſchen Auge ermuntert,
das Gehoͤltze zieret, der Voͤgel Geſang
erfreuet und mit ſeinen Zweigen oder an-
muthigen jungen Taͤnnen-Straͤuchern
in finſtern Hoͤhlen die wilden Thiere des
Winters und Sommers vor Froſt und
Hitze, Schnee und Regen bedecket, ha-
ben ihm zu Ehren die Alten nicht unbil-
lig Lieder und Verſe erdichtet, und bey
ihrer Zuſammenkunfft ſich des Tannen-
Baums errinnert, wie man noch heu-
tiges Tages von denen ſo genannten
Berg-Saͤngern hoͤret. Von der Tan-
nen-Aſche ſollen auch, wie man vor ge-
wiß behaupten will, die helle und klahre
ſchoͤne durchſichtige Glaͤſer gemachet wer-
den, weiln das fichtene oder gar vollends
das kieferne Holtz, wegen ſeiner hartzi-
gen Eigenſchafft, nichts als unreines blat-
ter- oder kraͤtziges gruͤnes Bauer-Glaß
machet, wie dann hiervon die Glaß-Huͤt-
ten in Boͤhmiſchen Gebuͤrgen ſattſam
Nachricht geben koͤnnen, wiewohl man
auch von Buchen, Aeſchen, und Ahorn
oder anderm hartem Holtz, auſſer Eichen-
Holtz, weil es faͤrbet, hell Glaß machen
kan.

Von der Fichte.

Nebſt der Tanne iſt die Fichte auch
ein nuͤtzlicher Baum, welcher ebenfalls
in kalten nordiſchen Gebuͤrgen weit ge-
raͤder, laͤnger und hoͤher waͤchſet, als die
Tanne und Kiefer; Hat eine roͤthlichte
Rinde, welche gantz zehe ſich biegen laͤſ-
ſet, und nicht ſo ſproͤde, als der Tannen
Rinde iſt; Belauffet ſich mit Wurtzeln
flach auf der Erde ohne Hertz-Wurtzel,
deswegen die Sturm-Winde groſſe Nie-
derlagen unter ihnen verurſachen: Sei-
ne Zweige und Aeſte ſind mit etwas
gruͤnlichen Nadlen allenthalben gezieret;
Haben Zapffen, worinnen der Saame
als Hirſche-Koͤrnlein mit breiten duͤn-
nen Fluͤgeln verborgen, ſo durch den
Wind des Fruͤhlings weit und breit ge-
ſaͤet wird, von welchem junge Fichten
aufwachſen, aus denen, weil ſie dunckele
und finſtere Behaͤltniße machen, darun-
ter ſich die wilden Thiere am liebſten ver-
bergen, herrliche Dickigte werden. Es
werden auch wegen ihrer Laͤnge Maſt-

Baͤume
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[36/0104] Erſter Theil/ des Bundes getantzet, koͤnnen wir mit mehrerm in der Heiligen Schrifft finden: Woraus zu erſehen, wie die Tanne ſo- wohl, als die Ceder, in ſonderbarem Werth gehalten worden. Es werden heutiges Tages auch noch ſowohl in Kir- chen, dem groſſen GOtt zu Ehren, die Orgeln, als auch auſſer derſelben ande- re muſicaliſche Inſtrumenta zu des Men- ſchen Vergnuͤgen aus Tannen-Holtze ge- machet. Die alten Heyden haben vorzei- ten dieſen Baum dem Baccho gewiedmet; Maaſſen ſie bey deſſen Opffer Kraͤntze und Zweige von Tannen getragen, wie beym Virgilio davon mit mehrerm zu erſehen iſt. Es waͤchſet die Tanne am liebſten in kalten hohen Gebuͤrgen gerade und ſtarck ſehr hoch empor, und will in naſ- ſem Boden nicht Art haben; Hat eine ſtarcke Hartz-Wurtzel, breitet die andern Wurtzeln weit umb ſich und laͤßet nichts als Mooß unter ſich wachſen. Der Stamm hat eine Silbergraue weiſſe Rinde, welche dicke, morſch und bruͤchig iſt, und unter ſich ein verborgen durch- ſichtig Hartz von terpentiniſchem Geruch fuͤhꝛet, welches oͤffters duꝛch die ſo genann- ten Tannen-Blaͤtter ausflieſſet, und zu einer trefflichen Heil-Salbe dienlich iſt. Die Zweige oder Aeſte haben eine ange- nehme Farbe von ſtahlgruͤnen Nadeln, welche in der Breite ſtehen und oben bloß, unten aber dunckelgruͤn ſind. Jm Ma- jo fallen die alten Nadeln ab und wach- ſen neue hervor. Die Tannen-Zapf- fen, worinnen der Saame von hartzig- ter Materie in kleinen Fluͤgeln im Herb- ſte ausflieget, ſtehen auffwaͤrts. Die Miſteln, ſo von uͤbriger Fettigkeit des Baums oben als Corallen-Cincken zu wachſen pflegen, und von welchen der Vogel-Leim gemacht wird, tragen Beer- lein, ſo weiß einer Erbſen groß, und mit ſchwartzen Koͤrnlein untermenget ſind, worinnen ſich ein weiſſer zeher Schleim befindet. Das Wildpraͤth aͤſſet ſich gern von ſolchen Miſteln und die Bauern hau- en ihn des Winters-Zeit vor ihr Vieh mit nicht geringer Gefahr von oben her- ab. Sonſt dienet dieſer Baum denen Schifffahrenden, wegen ſeiner ungemei- nen Hoͤhe und Staͤrcke zu trefflichen Maſtbaͤumen: Das Holtz iſt ſehr weiß und leichte, und weichlicht zu arbeiten; Weil es aber ſeiner Zaͤrtligkeit halber im Wetter nicht ſo tauerhafft, als das ſichten und kieferne, ſo werden meiſtens trockene Gefaͤſſe und Tiſcher-Brette, Schraͤncke, Betten, Tiſche, Baͤncke, Stuͤhle und dergleichen Geraͤthe daraus verfertiget, die Ober-Gipffel der Spitzen aber zu Quirlen gemachet. Und weil dieſer Tannen-Baum mit ſeiner ſchoͤnen Farbe des Menſchen Auge ermuntert, das Gehoͤltze zieret, der Voͤgel Geſang erfreuet und mit ſeinen Zweigen oder an- muthigen jungen Taͤnnen-Straͤuchern in finſtern Hoͤhlen die wilden Thiere des Winters und Sommers vor Froſt und Hitze, Schnee und Regen bedecket, ha- ben ihm zu Ehren die Alten nicht unbil- lig Lieder und Verſe erdichtet, und bey ihrer Zuſammenkunfft ſich des Tannen- Baums errinnert, wie man noch heu- tiges Tages von denen ſo genannten Berg-Saͤngern hoͤret. Von der Tan- nen-Aſche ſollen auch, wie man vor ge- wiß behaupten will, die helle und klahre ſchoͤne durchſichtige Glaͤſer gemachet wer- den, weiln das fichtene oder gar vollends das kieferne Holtz, wegen ſeiner hartzi- gen Eigenſchafft, nichts als unreines blat- ter- oder kraͤtziges gruͤnes Bauer-Glaß machet, wie dann hiervon die Glaß-Huͤt- ten in Boͤhmiſchen Gebuͤrgen ſattſam Nachricht geben koͤnnen, wiewohl man auch von Buchen, Aeſchen, und Ahorn oder anderm hartem Holtz, auſſer Eichen- Holtz, weil es faͤrbet, hell Glaß machen kan. Von der Fichte. Nebſt der Tanne iſt die Fichte auch ein nuͤtzlicher Baum, welcher ebenfalls in kalten nordiſchen Gebuͤrgen weit ge- raͤder, laͤnger und hoͤher waͤchſet, als die Tanne und Kiefer; Hat eine roͤthlichte Rinde, welche gantz zehe ſich biegen laͤſ- ſet, und nicht ſo ſproͤde, als der Tannen Rinde iſt; Belauffet ſich mit Wurtzeln flach auf der Erde ohne Hertz-Wurtzel, deswegen die Sturm-Winde groſſe Nie- derlagen unter ihnen verurſachen: Sei- ne Zweige und Aeſte ſind mit etwas gruͤnlichen Nadlen allenthalben gezieret; Haben Zapffen, worinnen der Saame als Hirſche-Koͤrnlein mit breiten duͤn- nen Fluͤgeln verborgen, ſo durch den Wind des Fruͤhlings weit und breit ge- ſaͤet wird, von welchem junge Fichten aufwachſen, aus denen, weil ſie dunckele und finſtere Behaͤltniße machen, darun- ter ſich die wilden Thiere am liebſten ver- bergen, herrliche Dickigte werden. Es werden auch wegen ihrer Laͤnge Maſt- Baͤume

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/104>, abgerufen am 21.11.2024.