Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.Anderer Theil/ [Spaltenumbruch]
in der Wildniß auffstossen, beleidigen sienicht leicht, es triebe sie denn der äuser- ste Hunger darzu; Doch greiffen sie auff solchen Fall viel eher die Männer, als die Weiber, und die Weiber eher als die Kin- der an. Die Löwin träget ihre Jungen ein halbes Jahr und setzen meistens, wie die Katzen, zur ersten Geburth fünff Jungen, alle Jahr aber eines weniger u. nach fünf Jahren nur ein Junges; Nach- dem soll sie ferner unfruchtbar verblei- ben. Die Löwin ist schmächtiger und dün- ner von Leibe, auch flüchtiger als der Lö- we, welcher letztere braune zottlichte lan- ge Haar als Locken umb den Kopff, die Brust und halben Leib trägt, als eine gar alte Peruque: Der übrige Leib, Rü- cken, Keulen und die Vordern-auch Hin- tern-Läuffte sind roth, wie ein Hirsch: Sein langer Wedel ist wie ein Kuh- Schwantz und sehr lang, am eusersten Ende mit einer schwartzhaarigten langen Qvaste gezieret: Sein Kopff und Gesich- te gleichet am Kiehn, Lippen, Nasen- Löcher, Augen und runten Kopff, fast einer Katzen, hat auch solchen Bart und kurtze runte dicke Ohren, graue Nase und weisse Augenbraunen und hat ein Heldenmüthiges Ansehen; Soll auch nach Aristotelis Meynung, sowohl als der Leopard und Tyger, wegen seiner hitzi- gen Natur feurig scheinende Augen ha- ben, wie die Luchsen und Katzen, und solche sollen im dunckeln mehr wahrzunehmen seyn, als bey hellem Tage, weil solches Licht von dem hellen Tages-Licht zerstreu- et wird, bey finsterer Nacht aber, da sich solches nicht mehr dissipiren kan, desto ve- hementer scheinet. Derowegen derselbe vielfältig in Königl. Fürstl. und Gräffl. Heldenmäßigen Ritterlichen Wappen und Schildern mit Ruhm geführet wird. Sie sollen ein hohes Alter erreichen, auch endlich ihre Zähne verliehren, da sie dann auf die Menschen am grausam- sten seyn, weiln sie solche leichter als an- dere Thiere bezwingen können. Wann sie das Fieber haben, so sie offters be- kommen sollen, curiren sie sich mit Af- fen-Fleisch. Das Feuer fürchten sie sehr, und sind mit Fackeln am leichsten zu verjagen. An denen vordersten Füssen haben sie fünffe und an denen hintern vier Klauen: Jm gehen verbergen sie solche wie eine Katze zwischen denen Zä- hen und lassen sie alleine sehen und füh- len, wann sie zum Kampff und Zorn erhi- tzet werden. Jhre Farbe ist gelb und falb- [Spaltenumbruch] licht, lichter und dunckeler, nachdem da- selbst das Clima, Nahrung, Lufft und Wasser befindlich ist, im Winter aber graulicht. Es gehet der Löwe und Lö- win, jedes besonders, auf den Raub; Bey Aenderung des Wetters brüllet der Löwe, welches schrecklich zu hören, sein Athem ist grob und stincket. Er schläffet auch mit offenen Augen; Seine Brunfft geschiehet im Monat Septembr. und se- tzen ihre Jungen des Monats Martii, da solche anfänglich blind gebohren und von denen Einwohnern derer warmen Länder mit Lebens-Gefahr in Abwe- senheit der alten Löwen gehohlet wer- den, und rüsten die Einwohner sich in grosser Anzahl hierzu mit Spiessen, wann ihnen die alten begegnen mögten, ihr Leben zu schützen. Sie werden dann zahm erzogen und übers Meer zu uns nach Europa an Königliche und Fürst- liche Höfe überbracht und alldar theuer verkaufft, in hierzu absonderlich erbaue- ten Löwen-Häusern aufbehalten und theils zur Pracht, theils zum Kampff- Jagen ernehret. Ein solcher Löwe muß täglich seinen richtigen Fraß zu rechter Zeit haben, nach seiner Grösse vier biß sechs Pfund gewässert Rindfleisch, jedoch ohne Blut, davon sie böse werden, auch ohne Fett, so ihnen ungesund, weniger Knochen, so unnützlich sind, bekommen; Dann wann er eingesperrt und hunge- rig wäre, würde er zornig und böse wer- den. Wann aber ein solch Thier satt, ist es freundlich und spielet gerne; Man darff auch frembde Leute nicht gantz al- leine herzu gehen lassen, weil ihr erstes Vorhaben gemeiniglich ist, so weit sie immer möglich dabey reichen, stossen oder werffen können, daß sie es zum Zorn anreitzen und den Wärther hierdurch nicht wenig in Gefahr setzen; Dann leicht zu dencken, wie zornig ein grimmig Thier zu machen, wann man es mit dem Stock im Schlaff stossen, beunruhigen, viel närren und schlagen, oder wann es hungerig, ihm sein Fressen nehmen wol- te, worauf der Wärter, so niemahls ver- drießlich, sondern gedultig und sonder- lich von Jugend auff ein Liebhaber wil- der Thiere seyn muß, achtung zu geben hat; Vor allen Dingen muß er mit ei- nerley Kleidung, so ja nicht etwan mit Blut bespritzet, sondern reinlich ist, öffters zu ihnen gehen, denselben zureden, mit ihnen sich bekant machen, und auf ihre Minen, Augen und Gebärden, ob sie
Anderer Theil/ [Spaltenumbruch]
in der Wildniß auffſtoſſen, beleidigen ſienicht leicht, es triebe ſie denn der aͤuſer- ſte Hunger darzu; Doch greiffen ſie auff ſolchen Fall viel eher die Maͤnner, als die Weiber, und die Weiber eher als die Kin- der an. Die Loͤwin traͤget ihre Jungen ein halbes Jahr und ſetzen meiſtens, wie die Katzen, zur erſten Geburth fuͤnff Jungen, alle Jahr aber eines weniger u. nach fuͤnf Jahren nur ein Junges; Nach- dem ſoll ſie ferner unfruchtbar verblei- ben. Die Loͤwin iſt ſchmaͤchtiger und duͤn- ner von Leibe, auch fluͤchtiger als der Loͤ- we, welcher letztere braune zottlichte lan- ge Haar als Locken umb den Kopff, die Bruſt und halben Leib traͤgt, als eine gar alte Peruque: Der uͤbrige Leib, Ruͤ- cken, Keulen und die Vordern-auch Hin- tern-Laͤuffte ſind roth, wie ein Hirſch: Sein langer Wedel iſt wie ein Kuh- Schwantz und ſehr lang, am euſerſten Ende mit einer ſchwartzhaarigten langen Qvaſte gezieret: Sein Kopff und Geſich- te gleichet am Kiehn, Lippen, Naſen- Loͤcher, Augen und runten Kopff, faſt einer Katzen, hat auch ſolchen Bart und kurtze runte dicke Ohren, graue Naſe und weiſſe Augenbraunen und hat ein Heldenmuͤthiges Anſehen; Soll auch nach Ariſtotelis Meynung, ſowohl als der Leopard und Tyger, wegen ſeiner hitzi- gen Natur feurig ſcheinende Augen ha- ben, wie die Luchſen und Katzen, und ſolche ſollen im dunckeln mehr wahrzunehmen ſeyn, als bey hellem Tage, weil ſolches Licht von dem hellen Tages-Licht zerſtreu- et wird, bey finſterer Nacht aber, da ſich ſolches nicht mehr disſipiren kan, deſto ve- hementer ſcheinet. Derowegen derſelbe vielfaͤltig in Koͤnigl. Fuͤrſtl. und Graͤffl. Heldenmaͤßigen Ritterlichen Wappen und Schildern mit Ruhm gefuͤhret wird. Sie ſollen ein hohes Alter erreichen, auch endlich ihre Zaͤhne verliehren, da ſie dann auf die Menſchen am grauſam- ſten ſeyn, weiln ſie ſolche leichter als an- dere Thiere bezwingen koͤnnen. Wann ſie das Fieber haben, ſo ſie offters be- kommen ſollen, curiren ſie ſich mit Af- fen-Fleiſch. Das Feuer fuͤrchten ſie ſehr, und ſind mit Fackeln am leichſten zu verjagen. An denen vorderſten Fuͤſſen haben ſie fuͤnffe und an denen hintern vier Klauen: Jm gehen verbergen ſie ſolche wie eine Katze zwiſchen denen Zaͤ- hen und laſſen ſie alleine ſehen und fuͤh- len, wann ſie zum Kampff und Zorn erhi- tzet werden. Jhre Farbe iſt gelb und falb- [Spaltenumbruch] licht, lichter und dunckeler, nachdem da- ſelbſt das Clima, Nahrung, Lufft und Waſſer befindlich iſt, im Winter aber graulicht. Es gehet der Loͤwe und Loͤ- win, jedes beſonders, auf den Raub; Bey Aenderung des Wetters bruͤllet der Loͤwe, welches ſchrecklich zu hoͤren, ſein Athem iſt grob und ſtincket. Er ſchlaͤffet auch mit offenen Augen; Seine Brunfft geſchiehet im Monat Septembr. und ſe- tzen ihre Jungen des Monats Martii, da ſolche anfaͤnglich blind gebohren und von denen Einwohnern derer warmen Laͤnder mit Lebens-Gefahr in Abwe- ſenheit der alten Loͤwen gehohlet wer- den, und ruͤſten die Einwohner ſich in groſſer Anzahl hierzu mit Spieſſen, wann ihnen die alten begegnen moͤgten, ihr Leben zu ſchuͤtzen. Sie werden dann zahm erzogen und uͤbers Meer zu uns nach Europa an Koͤnigliche und Fuͤrſt- liche Hoͤfe uͤberbracht und alldar theuer verkaufft, in hierzu abſonderlich erbaue- ten Loͤwen-Haͤuſern aufbehalten und theils zur Pracht, theils zum Kampff- Jagen ernehret. Ein ſolcher Loͤwe muß taͤglich ſeinen richtigen Fraß zu rechter Zeit haben, nach ſeiner Groͤſſe vier biß ſechs Pfund gewaͤſſert Rindfleiſch, jedoch ohne Blut, davon ſie boͤſe werden, auch ohne Fett, ſo ihnen ungeſund, weniger Knochen, ſo unnuͤtzlich ſind, bekommen; Dann wann er eingeſperrt und hunge- rig waͤre, wuͤrde er zornig und boͤſe wer- den. Wann aber ein ſolch Thier ſatt, iſt es freundlich und ſpielet gerne; Man darff auch frembde Leute nicht gantz al- leine herzu gehen laſſen, weil ihr erſtes Vorhaben gemeiniglich iſt, ſo weit ſie immer moͤglich dabey reichen, ſtoſſen oder werffen koͤnnen, daß ſie es zum Zorn anreitzen und den Waͤrther hierdurch nicht wenig in Gefahr ſetzen; Dann leicht zu dencken, wie zornig ein grimmig Thier zu machen, wann man es mit dem Stock im Schlaff ſtoſſen, beunruhigen, viel naͤrren und ſchlagen, oder wann es hungerig, ihm ſein Freſſen nehmen wol- te, worauf der Waͤrter, ſo niemahls ver- drießlich, ſondern gedultig und ſonder- lich von Jugend auff ein Liebhaber wil- der Thiere ſeyn muß, achtung zu geben hat; Vor allen Dingen muß er mit ei- nerley Kleidung, ſo ja nicht etwan mit Blut beſpritzet, ſondern reinlich iſt, oͤffters zu ihnen gehen, denſelben zureden, mit ihnen ſich bekant machen, und auf ihre Minen, Augen und Gebaͤrden, ob ſie
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Anderer Theil/
in der Wildniß auffſtoſſen, beleidigen ſie
nicht leicht, es triebe ſie denn der aͤuſer-
ſte Hunger darzu; Doch greiffen ſie auff
ſolchen Fall viel eher die Maͤnner, als die
Weiber, und die Weiber eher als die Kin-
der an. Die Loͤwin traͤget ihre Jungen
ein halbes Jahr und ſetzen meiſtens,
wie die Katzen, zur erſten Geburth fuͤnff
Jungen, alle Jahr aber eines weniger u.
nach fuͤnf Jahren nur ein Junges; Nach-
dem ſoll ſie ferner unfruchtbar verblei-
ben. Die Loͤwin iſt ſchmaͤchtiger und duͤn-
ner von Leibe, auch fluͤchtiger als der Loͤ-
we, welcher letztere braune zottlichte lan-
ge Haar als Locken umb den Kopff, die
Bruſt und halben Leib traͤgt, als eine
gar alte Peruque: Der uͤbrige Leib, Ruͤ-
cken, Keulen und die Vordern-auch Hin-
tern-Laͤuffte ſind roth, wie ein Hirſch:
Sein langer Wedel iſt wie ein Kuh-
Schwantz und ſehr lang, am euſerſten
Ende mit einer ſchwartzhaarigten langen
Qvaſte gezieret: Sein Kopff und Geſich-
te gleichet am Kiehn, Lippen, Naſen-
Loͤcher, Augen und runten Kopff, faſt
einer Katzen, hat auch ſolchen Bart und
kurtze runte dicke Ohren, graue Naſe
und weiſſe Augenbraunen und hat ein
Heldenmuͤthiges Anſehen; Soll auch
nach Ariſtotelis Meynung, ſowohl als der
Leopard und Tyger, wegen ſeiner hitzi-
gen Natur feurig ſcheinende Augen ha-
ben, wie die Luchſen und Katzen, und ſolche
ſollen im dunckeln mehr wahrzunehmen
ſeyn, als bey hellem Tage, weil ſolches
Licht von dem hellen Tages-Licht zerſtreu-
et wird, bey finſterer Nacht aber, da ſich
ſolches nicht mehr disſipiren kan, deſto ve-
hementer ſcheinet. Derowegen derſelbe
vielfaͤltig in Koͤnigl. Fuͤrſtl. und Graͤffl.
Heldenmaͤßigen Ritterlichen Wappen
und Schildern mit Ruhm gefuͤhret wird.
Sie ſollen ein hohes Alter erreichen,
auch endlich ihre Zaͤhne verliehren, da
ſie dann auf die Menſchen am grauſam-
ſten ſeyn, weiln ſie ſolche leichter als an-
dere Thiere bezwingen koͤnnen. Wann
ſie das Fieber haben, ſo ſie offters be-
kommen ſollen, curiren ſie ſich mit Af-
fen-Fleiſch. Das Feuer fuͤrchten ſie ſehr,
und ſind mit Fackeln am leichſten zu
verjagen. An denen vorderſten Fuͤſſen
haben ſie fuͤnffe und an denen hintern
vier Klauen: Jm gehen verbergen ſie
ſolche wie eine Katze zwiſchen denen Zaͤ-
hen und laſſen ſie alleine ſehen und fuͤh-
len, wann ſie zum Kampff und Zorn erhi-
tzet werden. Jhre Farbe iſt gelb und falb-
licht, lichter und dunckeler, nachdem da-
ſelbſt das Clima, Nahrung, Lufft und
Waſſer befindlich iſt, im Winter aber
graulicht. Es gehet der Loͤwe und Loͤ-
win, jedes beſonders, auf den Raub;
Bey Aenderung des Wetters bruͤllet der
Loͤwe, welches ſchrecklich zu hoͤren, ſein
Athem iſt grob und ſtincket. Er ſchlaͤffet
auch mit offenen Augen; Seine Brunfft
geſchiehet im Monat Septembr. und ſe-
tzen ihre Jungen des Monats Martii,
da ſolche anfaͤnglich blind gebohren und
von denen Einwohnern derer warmen
Laͤnder mit Lebens-Gefahr in Abwe-
ſenheit der alten Loͤwen gehohlet wer-
den, und ruͤſten die Einwohner ſich in
groſſer Anzahl hierzu mit Spieſſen,
wann ihnen die alten begegnen moͤgten,
ihr Leben zu ſchuͤtzen. Sie werden dann
zahm erzogen und uͤbers Meer zu uns
nach Europa an Koͤnigliche und Fuͤrſt-
liche Hoͤfe uͤberbracht und alldar theuer
verkaufft, in hierzu abſonderlich erbaue-
ten Loͤwen-Haͤuſern aufbehalten und
theils zur Pracht, theils zum Kampff-
Jagen ernehret. Ein ſolcher Loͤwe muß
taͤglich ſeinen richtigen Fraß zu rechter
Zeit haben, nach ſeiner Groͤſſe vier biß
ſechs Pfund gewaͤſſert Rindfleiſch, jedoch
ohne Blut, davon ſie boͤſe werden, auch
ohne Fett, ſo ihnen ungeſund, weniger
Knochen, ſo unnuͤtzlich ſind, bekommen;
Dann wann er eingeſperrt und hunge-
rig waͤre, wuͤrde er zornig und boͤſe wer-
den. Wann aber ein ſolch Thier ſatt, iſt
es freundlich und ſpielet gerne; Man
darff auch frembde Leute nicht gantz al-
leine herzu gehen laſſen, weil ihr erſtes
Vorhaben gemeiniglich iſt, ſo weit ſie
immer moͤglich dabey reichen, ſtoſſen oder
werffen koͤnnen, daß ſie es zum Zorn
anreitzen und den Waͤrther hierdurch
nicht wenig in Gefahr ſetzen; Dann
leicht zu dencken, wie zornig ein grimmig
Thier zu machen, wann man es mit dem
Stock im Schlaff ſtoſſen, beunruhigen,
viel naͤrren und ſchlagen, oder wann es
hungerig, ihm ſein Freſſen nehmen wol-
te, worauf der Waͤrter, ſo niemahls ver-
drießlich, ſondern gedultig und ſonder-
lich von Jugend auff ein Liebhaber wil-
der Thiere ſeyn muß, achtung zu geben
hat; Vor allen Dingen muß er mit ei-
nerley Kleidung, ſo ja nicht etwan mit
Blut beſpritzet, ſondern reinlich iſt, oͤffters
zu ihnen gehen, denſelben zureden,
mit ihnen ſich bekant machen, und auf
ihre Minen, Augen und Gebaͤrden, ob
ſie
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