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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] en, Reussen und Preussen begeben haben,
woselbsten sie gefangen, oder vielmehr
jung erzogen zu uns in Teutschland zum
Kampff-Jagen gebracht werden. Die-
ses tobende Thier, so einem wilden Rind
billig zu vergleichen, ist schüchtern, flüch-
tig und scheu, auch stärcker, grösser und
länger als unser gemeiner Stier, und
unglaublich geschwinde. Sie haben ei-
ne breite Stirn, darneben kurtze dicke
schwartze Hörner, auch einen solchen star-
cken Halß, Kopff und Genück, und kön-
nen einen gantzen Reuter samt dem Roß
mit ihren Hörnern zugleich aufheben
und in die Höhe werffen. Sie sollen so
einen harten Kopff und Hirnschale ha-
ben, daß solche in keinerley Weg, auch
durch keinen Büchsen-Schuß, wie starck
der sey, verletzet werden kan; Wann sie
aber todt sind, soll sich diese Eigenschafft
nicht mehr finden, und soll alsdenn ihre
Hirnschale durch einen jeden Schuß
durchbohret werden können; Welches
Sr. Churfl. Durchl. zu Brandenburg,
Friedrich Willheln, probiren lassen,
und wahr befunden. Jhre Haut und
Haare sind gantz glatt und halten sich
ziemlich feiste: Sie haben eine harte und
scharffe Zunge, welche fast wie eine eyser-
ne Feile alles zerreibet; Was nun an-
deres Rind-Vieh vor Nahrung nimmt,
frisset der Auer gleichfalls. Es ist ein
schädliches Thier, so absonderlich dem
Menschen häßig, und leget sich gemeini-
glich bey solchen Wildnüssen in Bruch mit
Rohr und Schilff verwachsenen Morast
hinein tief ins Wasser, daß man nichts
als kaum den Kopff davon sehen kan;
Wann es erzürnet und grimmig wird,
so fähret es heraus und stösset nieder,
was vor es kommt, drücket mit seinen
Hörnern unglaublich starck und geschwin-
de, und beharret hartnäckig so lange,
biß es vermercket, daß kein Leben mehr
vorhanden. Es siehet der Auer auf der
[Spaltenumbruch] Stirn rauch zopffhaarigt, mit seinen
kleinen tieffen Augen erschröcklich und
fürchterlich aus, und hat ein greuliches
Ansehen, wie man denn vor gewiß in Hi-
storien angeben will, daß diese abscheu-
liche Bestia noch zu Zeiten des Julii Cae-
saris
und ferner des Cornelii Taciti in
dem damahligen wilden verwachsenen
Teutschlande gewesen; Bey besserer
und mehrerer Cultifirung der Nachkom-
men aber haben sich sowohl die Auer,
als andere ungeheuere Thiere in die gros-
sen Mitternächtischen Wildnüssen Sa-
mogytien und dergleichen begeben. Er
hat ein grobes unverdauliches Fleisch, ist
dahero dem Menschen höchstschadlich und
wird nur, wie oben gedacht, von gros-
sen Herren wegen seiner Stärcke und
Geschwindigkeit zum Kampff-Jagen un-
ter andere Thiere gebrauchet; Und weiln
er in keinen Kasten wegen seiner Größe
und grimmigen Stärcke kommen kan,
wird er an grossen Ketten, zwischen
vorn und hinten schweren mit Steinen
beladenen zweyen Wagen geführet. Letz-
lich melde von dessen Spuhr ebenfalls,
soviel mir wissend, und etwan nöthig seyn
mögte, maassen er hier auch gar nicht
anzutreffen ist; Dieweil er nun, beschrie-
bener Maaßen nach seiner Eigenschafft
in allen einem Rind-Vieh fast gleich
kommt, nur daß er wild ist, so wächst
die Schaale viel länger, krummer und
härter, auch mehr gewölbter, beschlosse-
ner, als denen zahmen Ochsen, deren
Fuß freylich mercklicher, fleischichter ver-
wachsen, flacher und runter, auch
schräncket der Auer richtiger und gleicher,
als der zahme Ochse, welches zur Nach-
richt dienen kan. Von dessen Anato-
tomie
ist wohl nichts sonderlich merck-
würdiges zu betrachten übrig, als daß
dessen Sceleton einem Rind-Viehe glei-
chet, nur daß die Knochen und Gelencke
mercklich stärcker sind.

Von dem Hirsch.
[Spaltenumbruch]

Der Hirsch ist das edelste und be-
kanteste Wild unter denen wilden Thie-
ren in Teutschland, dessen in Heyliger
Schrifft mit besonderm Lob hin und wie-
der gedacht wird. Das Weiblein, nehm-
lich die Hündin oder das Thier, sobald
sie im Septembri in der Hirsch-Brunfft
von dem Hirsch empfangen hat, bemü-
het sich alleine abzusondern. Wunder-
lich ist es, daß in der Brunfft am vierd-
[Spaltenumbruch] ten oder fünfften Tag nach der Em-
pfängniß sich der Saame gleich formiret
und wird die Frucht, nachdem sie sechs-
zehen Wochen in Mutterleibe gelegen,
nach alter erfahrner Jäger Meynung
lebendig. Das Thier träget seyn Kalb
viertzig Wochen, auch wohl acht Mo-
nat und neun Tage: Sie stärcket ihre
Frucht durch den Geruch der Ameiß-
Hauffen, durch Wurtzeln und Kräuter,

von
M

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] en, Reuſſen und Preuſſen begeben haben,
woſelbſten ſie gefangen, oder vielmehr
jung erzogen zu uns in Teutſchland zum
Kampff-Jagen gebracht werden. Die-
ſes tobende Thier, ſo einem wilden Rind
billig zu vergleichen, iſt ſchuͤchtern, fluͤch-
tig und ſcheu, auch ſtaͤrcker, groͤſſer und
laͤnger als unſer gemeiner Stier, und
unglaublich geſchwinde. Sie haben ei-
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ſchwartze Hoͤrner, auch einen ſolchen ſtar-
cken Halß, Kopff und Genuͤck, und koͤn-
nen einen gantzen Reuter ſamt dem Roß
mit ihren Hoͤrnern zugleich aufheben
und in die Hoͤhe werffen. Sie ſollen ſo
einen harten Kopff und Hirnſchale ha-
ben, daß ſolche in keinerley Weg, auch
durch keinen Buͤchſen-Schuß, wie ſtarck
der ſey, verletzet werden kan; Wann ſie
aber todt ſind, ſoll ſich dieſe Eigenſchafft
nicht mehr finden, und ſoll alsdenn ihre
Hirnſchale durch einen jeden Schuß
durchbohret werden koͤnnen; Welches
Sr. Churfl. Durchl. zu Brandenburg,
Friedrich Willheln, probiren laſſen,
und wahr befunden. Jhre Haut und
Haare ſind gantz glatt und halten ſich
ziemlich feiſte: Sie haben eine harte und
ſcharffe Zunge, welche faſt wie eine eyſer-
ne Feile alles zerreibet; Was nun an-
deres Rind-Vieh vor Nahrung nimmt,
friſſet der Auer gleichfalls. Es iſt ein
ſchaͤdliches Thier, ſo abſonderlich dem
Menſchen haͤßig, und leget ſich gemeini-
glich bey ſolchen Wildnuͤſſen in Bruch mit
Rohr und Schilff verwachſenen Moraſt
hinein tief ins Waſſer, daß man nichts
als kaum den Kopff davon ſehen kan;
Wann es erzuͤrnet und grimmig wird,
ſo faͤhret es heraus und ſtoͤſſet nieder,
was vor es kommt, druͤcket mit ſeinen
Hoͤꝛneꝛn unglaublich ſtarck und geſchwin-
de, und beharret hartnaͤckig ſo lange,
biß es vermercket, daß kein Leben mehr
vorhanden. Es ſiehet der Auer auf der
[Spaltenumbruch] Stirn rauch zopffhaarigt, mit ſeinen
kleinen tieffen Augen erſchroͤcklich und
fuͤrchterlich aus, und hat ein greuliches
Anſehen, wie man denn vor gewiß in Hi-
ſtorien angeben will, daß dieſe abſcheu-
liche Beſtia noch zu Zeiten des Julii Cæ-
ſaris
und ferner des Cornelii Taciti in
dem damahligen wilden verwachſenen
Teutſchlande geweſen; Bey beſſerer
und mehrerer Cultifirung der Nachkom-
men aber haben ſich ſowohl die Auer,
als andere ungeheuere Thiere in die groſ-
ſen Mitternaͤchtiſchen Wildnuͤſſen Sa-
mogytien und dergleichen begeben. Er
hat ein grobes unverdauliches Fleiſch, iſt
dahero dem Menſchen hoͤchſtſchadlich und
wird nur, wie oben gedacht, von groſ-
ſen Herren wegen ſeiner Staͤrcke und
Geſchwindigkeit zum Kampff-Jagen un-
ter andere Thiere gebrauchet; Und weiln
er in keinen Kaſten wegen ſeiner Groͤße
und grimmigen Staͤrcke kommen kan,
wird er an groſſen Ketten, zwiſchen
vorn und hinten ſchweren mit Steinen
beladenen zweyen Wagen gefuͤhret. Letz-
lich melde von deſſen Spuhr ebenfalls,
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moͤgte, maaſſen er hier auch gar nicht
anzutreffen iſt; Dieweil er nun, beſchrie-
bener Maaßen nach ſeiner Eigenſchafft
in allen einem Rind-Vieh faſt gleich
kommt, nur daß er wild iſt, ſo waͤchſt
die Schaale viel laͤnger, krummer und
haͤrter, auch mehr gewoͤlbter, beſchloſſe-
ner, als denen zahmen Ochſen, deren
Fuß freylich mercklicher, fleiſchichter ver-
wachſen, flacher und runter, auch
ſchraͤncket der Auer richtiger und gleicher,
als der zahme Ochſe, welches zur Nach-
richt dienen kan. Von deſſen Anato-
tomie
iſt wohl nichts ſonderlich merck-
wuͤrdiges zu betrachten uͤbrig, als daß
deſſen Sceleton einem Rind-Viehe glei-
chet, nur daß die Knochen und Gelencke
mercklich ſtaͤrcker ſind.

Von dem Hirſch.
[Spaltenumbruch]

Der Hirſch iſt das edelſte und be-
kanteſte Wild unter denen wilden Thie-
ren in Teutſchland, deſſen in Heyliger
Schrifft mit beſonderm Lob hin und wie-
der gedacht wird. Das Weiblein, nehm-
lich die Huͤndin oder das Thier, ſobald
ſie im Septembri in der Hirſch-Brunfft
von dem Hirſch empfangen hat, bemuͤ-
het ſich alleine abzuſondern. Wunder-
lich iſt es, daß in der Brunfft am vierd-
[Spaltenumbruch] ten oder fuͤnfften Tag nach der Em-
pfaͤngniß ſich der Saame gleich formiret
und wird die Frucht, nachdem ſie ſechs-
zehen Wochen in Mutterleibe gelegen,
nach alter erfahrner Jaͤger Meynung
lebendig. Das Thier traͤget ſeyn Kalb
viertzig Wochen, auch wohl acht Mo-
nat und neun Tage: Sie ſtaͤrcket ihre
Frucht durch den Geruch der Ameiß-
Hauffen, durch Wurtzeln und Kraͤuter,

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M
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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/181>, abgerufen am 24.11.2024.