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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Dieses wären nun also meistens die
Contenta von eines Häge-Reuters Fun-
ction
gewesen; Wiewohl jeder Herr-
schafft nach Belieben zu ändern frey
[Spaltenumbruch] stehet. Theils Orten hat er auch die
Schlüssel der Fürstlichen Spatzier-We-
ge bey sich.

Von Anatomia wilder Thiere.
[Spaltenumbruch]

Nachdem ich vorgemeldte wilde Thiere
dem Leben nach beschrieben, finde nö-
thig zu seyn, dieselben bey ihrem Tode
und deren Zergliederung, jedes nach sei-
nem Geschöpff, Art und Natur etwas
genauer zu betrachten. Wie sich nun
sonder Zweiffel gar viele über diese un-
vermuthete Materie, darvon ich hier
handele, ziemlich verwundern werden,
weil solches keines weges zur Jägerey,
vielmehr aber denen Medicis und Chi-
rurgis
zugehöre, als warumb sie besorgt
seyn, und hieraus alle Bewegungen,
Coctiones, Fermentationes, Chylosin,
Circulationem sangvinis
und dergleichen
mehr betrachten müsten, damit sie umb
desto nützlichere und glücklichere Curen
thun könten. So dienet aber hierauff
zur freundlichen Nachricht, daß ich nicht
vor sufficient erachte, wann gleich ein
Jäger ein wildes Thier, so er gefället
und erleget, wie gewöhnlich, auffzubre-
chen den Wanst und Gescheide auszu-
werffen, die Luntze abzulösen, die Haut
gebräuchlich zu zerwürcken und letzlich
das Wildpräth in Braten, Zimmel,
Keulen und Blätter zu zerlegen weiß,
so zwar gar gut vor einen Jäger oder
Weydemann ist, übrigens aber sich umb
des Wildes innere Eigenschafft nicht wei-
ter bekümmert; sondern er muß und soll
auch billig die Anatomie oder Section eines
wilden Thieres gründlicher verstehen,
wo er anders will gute Renomee und
ausführliche Information von der Eigen-
schafft eines wilden Thieres haben. Und
ob zwar die grimmig reissende wilde Thie-
re, Gottlob! in unserm kalten Climate
nicht befindlich, also deren genaue Un-
tersuchung zu entbehren seyn solte, so ist
es doch löblicher, sonderlich aber einem
Löwen-Wärter nützlicher, damit er
bey vorfallenden Gelegenheiten, Kranck-
heiten und Curen, solchen unterhaben-
den Thieren desto besser helffen, oder,
wann dieselbigen unvermuthend gestor-
ben, bey Oeffnung des gefallenen Thieres,
genungsame Relation thun könne. Ei-
nem Jäger aber kommet die Anatomie derer
hier zu Lande gewöhnlichen wilden Thie-
[Spaltenumbruch] re zu betrachten und sich derselben nütz-
lich zu bedienen offters vor, Exempli gr.
Man erwege nur, wann ein wildes
Thier in langen Tagen sich vor Furcht
verstecket, und wohl ausgehungert hat,
wie der Magen, Wanst und die Gedär-
me leer und zusammen gefallen sind, da-
von der innere Leib leer und hohl gewor-
den; Dargegen so es die Nacht über sei-
ne Nahrung genommen, ist der Wanst,
Magen und Gedärme allenthalben aus-
gefüllet, dahero so dann der Schuß,
Stich, oder Fang hieraus tödtlicher zu
judiciren, als so es durch den hohlen lee-
ren Leib gangen wäre. Ferner, wie sol-
te man urtheilen können, ob ein getrof-
fenes Wild tödlich verwundet wäre oder
sich ausheilen werde, so man nicht dessen
innerlicher Beschaffenheit genungsam
kundig wäre: Ja es hat auch die Ana-
tomie
wegen der Hunde, als des Jägers
nöthigen Gehülffen, von welchen an sei-
nem Ort ausführlich handeln werde, ih-
ren sonderbahren Nutzen, nicht daß man
scoptice hiervon judiciren solte, sondern
die Wissenschafft habe, bey vorfallender
Kranckheit, oder Verletzung derer Glie-
der solchen armen Thieren in Zeiten
durch beqveme Mittel zu helffen. Es
hat wohl eher Alexander Magnus diese
Wissenschafft der Anatomie mit besonde-
rem Fleiß von seinem Lehr-Meister dem
Aristotele erlernet und zum öfftern sich
nicht gescheuet, in Feld-Schlachten mit
eigenen Händen, umb sich selbst er-
kennen zu lernen, die blutigen Einge-
weyde zu durchsuchen. Auch haben in
vorigen Zeiten die Egyptischen Könige
selbsten in Person vielfältig anatomiret.
Dergleichen auch der Römische Käyser
Marcus Antonius vormahls mit gröster
Begierde gar offt gethan. Die Römi-
schen Bürgemeister, Boethius und Pau-
lus Sergius
haben dergleichen zum öfftern
getrieben. Hippocrates hat diese Wis-
senschafft vor eine lange nachdenckliche
Kunst gehalten. Was nachdem ferner
aus des berühmten Galeni Schrifften
zeithero vortreffliche Autores colligiret
und entdecket, ist zu rühmen. Woraus

dann
Q

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Dieſes waͤren nun alſo meiſtens die
Contenta von eines Haͤge-Reuters Fun-
ction
geweſen; Wiewohl jeder Herr-
ſchafft nach Belieben zu aͤndern frey
[Spaltenumbruch] ſtehet. Theils Orten hat er auch die
Schluͤſſel der Fuͤrſtlichen Spatzier-We-
ge bey ſich.

Von Anatomia wilder Thiere.
[Spaltenumbruch]

Nachdem ich vorgemeldte wilde Thiere
dem Leben nach beſchrieben, finde noͤ-
thig zu ſeyn, dieſelben bey ihrem Tode
und deren Zergliederung, jedes nach ſei-
nem Geſchoͤpff, Art und Natur etwas
genauer zu betrachten. Wie ſich nun
ſonder Zweiffel gar viele uͤber dieſe un-
vermuthete Materie, darvon ich hier
handele, ziemlich verwundern werden,
weil ſolches keines weges zur Jaͤgerey,
vielmehr aber denen Medicis und Chi-
rurgis
zugehoͤre, als warumb ſie beſorgt
ſeyn, und hieraus alle Bewegungen,
Coctiones, Fermentationes, Chyloſin,
Circulationem ſangvinis
und dergleichen
mehr betrachten muͤſten, damit ſie umb
deſto nuͤtzlichere und gluͤcklichere Curen
thun koͤnten. So dienet aber hierauff
zur freundlichen Nachricht, daß ich nicht
vor ſufficient erachte, wann gleich ein
Jaͤger ein wildes Thier, ſo er gefaͤllet
und erleget, wie gewoͤhnlich, auffzubre-
chen den Wanſt und Geſcheide auszu-
werffen, die Luntze abzuloͤſen, die Haut
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das Wildpraͤth in Braten, Zimmel,
Keulen und Blaͤtter zu zerlegen weiß,
ſo zwar gar gut vor einen Jaͤger oder
Weydemann iſt, uͤbrigens aber ſich umb
des Wildes innere Eigenſchafft nicht wei-
ter bekuͤmmert; ſondern er muß und ſoll
auch billig die Anatomie odeꝛ Section eines
wilden Thieres gruͤndlicher verſtehen,
wo er anders will gute Renomee und
ausfuͤhrliche Information von der Eigen-
ſchafft eines wilden Thieres haben. Und
ob zwar die grim̃ig reiſſende wilde Thie-
re, Gottlob! in unſerm kalten Climate
nicht befindlich, alſo deren genaue Un-
terſuchung zu entbehren ſeyn ſolte, ſo iſt
es doch loͤblicher, ſonderlich aber einem
Loͤwen-Waͤrter nuͤtzlicher, damit er
bey vorfallenden Gelegenheiten, Kranck-
heiten und Curen, ſolchen unterhaben-
den Thieren deſto beſſer helffen, oder,
wann dieſelbigen unvermuthend geſtor-
ben, bey Oeffnung des gefallenen Thieres,
genungſame Relation thun koͤnne. Ei-
nem Jaͤgeꝛ abeꝛ kom̃et die Anatomie deꝛeꝛ
hier zu Lande gewoͤhnlichen wilden Thie-
[Spaltenumbruch] re zu betrachten und ſich derſelben nuͤtz-
lich zu bedienen offters vor, Exempli gr.
Man erwege nur, wann ein wildes
Thier in langen Tagen ſich vor Furcht
verſtecket, und wohl ausgehungert hat,
wie der Magen, Wanſt und die Gedaͤr-
me leer und zuſammen gefallen ſind, da-
von der innere Leib leer und hohl gewor-
den; Dargegen ſo es die Nacht uͤber ſei-
ne Nahrung genommen, iſt der Wanſt,
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gefuͤllet, dahero ſo dann der Schuß,
Stich, oder Fang hieraus toͤdtlicher zu
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ren Leib gangen waͤre. Ferner, wie ſol-
te man urtheilen koͤnnen, ob ein getrof-
fenes Wild toͤdlich verwundet waͤre oder
ſich ausheilen werde, ſo man nicht deſſen
innerlicher Beſchaffenheit genungſam
kundig waͤre: Ja es hat auch die Ana-
tomie
wegen der Hunde, als des Jaͤgers
noͤthigen Gehuͤlffen, von welchen an ſei-
nem Ort ausfuͤhrlich handeln werde, ih-
ren ſonderbahren Nutzen, nicht daß man
ſcoptice hiervon judiciren ſolte, ſondern
die Wiſſenſchafft habe, bey vorfallender
Kranckheit, oder Verletzung derer Glie-
der ſolchen armen Thieren in Zeiten
durch beqveme Mittel zu helffen. Es
hat wohl eher Alexander Magnus dieſe
Wiſſenſchafft der Anatomie mit beſonde-
rem Fleiß von ſeinem Lehr-Meiſter dem
Ariſtotele erlernet und zum oͤfftern ſich
nicht geſcheuet, in Feld-Schlachten mit
eigenen Haͤnden, umb ſich ſelbſt er-
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weyde zu durchſuchen. Auch haben in
vorigen Zeiten die Egyptiſchen Koͤnige
ſelbſten in Perſon vielfaͤltig anatomiret.
Dergleichen auch der Roͤmiſche Kaͤyſer
Marcus Antonius vormahls mit groͤſter
Begierde gar offt gethan. Die Roͤmi-
ſchen Buͤrgemeiſter, Boethius und Pau-
lus Sergius
haben dergleichen zum oͤfftern
getrieben. Hippocrates hat dieſe Wiſ-
ſenſchafft vor eine lange nachdenckliche
Kunſt gehalten. Was nachdem ferner
aus des beruͤhmten Galeni Schrifften
zeithero vortreffliche Autores colligiret
und entdecket, iſt zu ruͤhmen. Woraus

dann
Q
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[121/0223] Von denen wilden Thieren. Dieſes waͤren nun alſo meiſtens die Contenta von eines Haͤge-Reuters Fun- ction geweſen; Wiewohl jeder Herr- ſchafft nach Belieben zu aͤndern frey ſtehet. Theils Orten hat er auch die Schluͤſſel der Fuͤrſtlichen Spatzier-We- ge bey ſich. Von Anatomia wilder Thiere. Nachdem ich vorgemeldte wilde Thiere dem Leben nach beſchrieben, finde noͤ- thig zu ſeyn, dieſelben bey ihrem Tode und deren Zergliederung, jedes nach ſei- nem Geſchoͤpff, Art und Natur etwas genauer zu betrachten. Wie ſich nun ſonder Zweiffel gar viele uͤber dieſe un- vermuthete Materie, darvon ich hier handele, ziemlich verwundern werden, weil ſolches keines weges zur Jaͤgerey, vielmehr aber denen Medicis und Chi- rurgis zugehoͤre, als warumb ſie beſorgt ſeyn, und hieraus alle Bewegungen, Coctiones, Fermentationes, Chyloſin, Circulationem ſangvinis und dergleichen mehr betrachten muͤſten, damit ſie umb deſto nuͤtzlichere und gluͤcklichere Curen thun koͤnten. So dienet aber hierauff zur freundlichen Nachricht, daß ich nicht vor ſufficient erachte, wann gleich ein Jaͤger ein wildes Thier, ſo er gefaͤllet und erleget, wie gewoͤhnlich, auffzubre- chen den Wanſt und Geſcheide auszu- werffen, die Luntze abzuloͤſen, die Haut gebraͤuchlich zu zerwuͤrcken und letzlich das Wildpraͤth in Braten, Zimmel, Keulen und Blaͤtter zu zerlegen weiß, ſo zwar gar gut vor einen Jaͤger oder Weydemann iſt, uͤbrigens aber ſich umb des Wildes innere Eigenſchafft nicht wei- ter bekuͤmmert; ſondern er muß und ſoll auch billig die Anatomie odeꝛ Section eines wilden Thieres gruͤndlicher verſtehen, wo er anders will gute Renomee und ausfuͤhrliche Information von der Eigen- ſchafft eines wilden Thieres haben. Und ob zwar die grim̃ig reiſſende wilde Thie- re, Gottlob! in unſerm kalten Climate nicht befindlich, alſo deren genaue Un- terſuchung zu entbehren ſeyn ſolte, ſo iſt es doch loͤblicher, ſonderlich aber einem Loͤwen-Waͤrter nuͤtzlicher, damit er bey vorfallenden Gelegenheiten, Kranck- heiten und Curen, ſolchen unterhaben- den Thieren deſto beſſer helffen, oder, wann dieſelbigen unvermuthend geſtor- ben, bey Oeffnung des gefallenen Thieres, genungſame Relation thun koͤnne. Ei- nem Jaͤgeꝛ abeꝛ kom̃et die Anatomie deꝛeꝛ hier zu Lande gewoͤhnlichen wilden Thie- re zu betrachten und ſich derſelben nuͤtz- lich zu bedienen offters vor, Exempli gr. Man erwege nur, wann ein wildes Thier in langen Tagen ſich vor Furcht verſtecket, und wohl ausgehungert hat, wie der Magen, Wanſt und die Gedaͤr- me leer und zuſammen gefallen ſind, da- von der innere Leib leer und hohl gewor- den; Dargegen ſo es die Nacht uͤber ſei- ne Nahrung genommen, iſt der Wanſt, Magen und Gedaͤrme allenthalben aus- gefuͤllet, dahero ſo dann der Schuß, Stich, oder Fang hieraus toͤdtlicher zu judiciren, als ſo es durch den hohlen lee- ren Leib gangen waͤre. Ferner, wie ſol- te man urtheilen koͤnnen, ob ein getrof- fenes Wild toͤdlich verwundet waͤre oder ſich ausheilen werde, ſo man nicht deſſen innerlicher Beſchaffenheit genungſam kundig waͤre: Ja es hat auch die Ana- tomie wegen der Hunde, als des Jaͤgers noͤthigen Gehuͤlffen, von welchen an ſei- nem Ort ausfuͤhrlich handeln werde, ih- ren ſonderbahren Nutzen, nicht daß man ſcoptice hiervon judiciren ſolte, ſondern die Wiſſenſchafft habe, bey vorfallender Kranckheit, oder Verletzung derer Glie- der ſolchen armen Thieren in Zeiten durch beqveme Mittel zu helffen. Es hat wohl eher Alexander Magnus dieſe Wiſſenſchafft der Anatomie mit beſonde- rem Fleiß von ſeinem Lehr-Meiſter dem Ariſtotele erlernet und zum oͤfftern ſich nicht geſcheuet, in Feld-Schlachten mit eigenen Haͤnden, umb ſich ſelbſt er- kennen zu lernen, die blutigen Einge- weyde zu durchſuchen. Auch haben in vorigen Zeiten die Egyptiſchen Koͤnige ſelbſten in Perſon vielfaͤltig anatomiret. Dergleichen auch der Roͤmiſche Kaͤyſer Marcus Antonius vormahls mit groͤſter Begierde gar offt gethan. Die Roͤmi- ſchen Buͤrgemeiſter, Boethius und Pau- lus Sergius haben dergleichen zum oͤfftern getrieben. Hippocrates hat dieſe Wiſ- ſenſchafft vor eine lange nachdenckliche Kunſt gehalten. Was nachdem ferner aus des beruͤhmten Galeni Schrifften zeithero vortreffliche Autores colligiret und entdecket, iſt zu ruͤhmen. Woraus dann Q

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/223>, abgerufen am 21.11.2024.