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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen Hunden.
[Spaltenumbruch] und blind, richtig die Tritt und Fußstapf-
fen des Wildes, die er je mehr und mehr
riechet, und von denenselben die aus
dem Wild durch die Füsse gestiegene Ata-
mos
mit seinem empfindlichen Geruch
von der Erden an sich ziehet und man-
chem jungen Jäger schöne Zeichen der
Gefährde oder Spuhr zeiget. Die Ursa-
che, warumb die Fußsohlen, Ballen, und
Lauff-Klauen der wilden Thiere von de-
nen Hunden je länger, je mehr gerochen
und deren Spuhr genau bemercket
werden, bestehet darinnen: Nehm-
lich, nachdem sich die faule Materie von
dem Excremento ultimae concoctionis
der Schweißlöcher gesammlet, sencket sich
diese Feuchtigkeit je mehr und mehr aus
dem Leibe nach denen Läufften nieder-
werts, und sammlet sich zwischen denen
Lauff-Klauen, wird endlich stinckend,
und durchdringend, so, daß sie gewisse
Atamos von sich lässet, welche nachmahls
als Reliquien von denen Hunden gefun-
den werden. Dann wo das Wild gehet,
da drücket es mit den Fußstapffen die Ato-
mos
und Dünste, welche aus dessen Cör-
per, wie vorgemeldet, in die Füsse steigen,
zugleich mit in die Erde, die eine zeitlang
in der löcherichten Erde bleiben, und sich
sobalde nicht heraus finden können, son-
dern offt etliche Stunden lang darinnen
bleiben, biß der Hund durch das Rie-
chen obbemeldter Maassen solche aus der-
selben an sich ziehet, und die Spuhr hier-
durch anzeiget. Wie wird doch offtmahl,
bey gar schlechter Kost und hungrigem
Magen der arme Hund geprügelt, und
muß solches dennoch mit gröster Gedult
ertragen, ja noch darzu dem Herrn lieb-
kosen: Wann er Künste lernen soll, da-
rinnen er als ein unvernünfftiges Thier
fleißiger, als mancher hartnäckigter
Schüler ist, mercket er alles genau im
Gedächtniß, und trachtet, so er umb ei-
nen Fehler geschlagen worden, denselbi-
gen zu verbessern: Ein Hund geden-
cket lange Zeit an die vorige Wohnung
und den alten Herrn, bey welchem es ihm
wohl gegangen; Erinnert sich eines wei-
ten Weges, sonderlich auch, wann er
was übrig von Knochen oder Brod ha-
ben kan, verscharret er dasselbige, und
hebet es auf, biß er wieder hungrig wird,
alsdann holet und verzehret er es. Mit
was vor Lebens-Gefahr und doch gros-
ser Begierde springet nicht der arme
Hund auf Befehl seines Herrn in das Eiß-
kalte Wasser u. einen schnellen Strohm,
[Spaltenumbruch] und hohlet demselben offte ein schlechtes
Stöckgen, ja wohl gar einen Stein her-
aus. Wie solte nicht das angeschossene
Wild verfaulen, wann nicht der Hund
seinem Herrn zu Nutzen es durch den
Schweiß finden und verschaffen würde,
ja er bewachet das gefällte Wildpräth,
vergnüget sich aber nur mit wenigem
Schweiß oder Knochen, ist auch zufrie-
den, wenn er nichts krieget. Es wird
ein Hund aus angebohrner Großmü-
thigkeit, jedoch nach seiner Stärcke, viel
lieber ein starckes wild Schwein, als
ein furchtsames Schaaff anfallen. Was
ein Hund bey Tage gesehen, gethan, o-
der verrichtet hat, kömmt ihm im Schlaf-
fe alles vor, so, daß ihm die Phantasie
recht ängstliche Träume verursachet, und
er mit den Adern, Flechsen, und andern
Gliedern, oder Füssen zucket, sich im
Schlaffe ordentlich beweget und bellet.
Sonsten ist ein Hund gerne in Gesell-
schafft umb die Menschen, und ist lustig,
kühn und freundlich unter denen Be-
kanten, bey Frembden aber mißtrauisch
und furchtsam: Es wird ein Hund aus an-
gebohrner Hoffart einen zornigen Mann,
der mit einem Stock auf ihn kommt,
eher anfallen, als eine Frau oder Kind,
die sich demüthiget und ihnen liebkoset.
Man saget, daß kein Hund einem na-
ckenden Menschen leydes thue, ihn auch
nicht anbelle, so mir nicht bekant, doch
thun sie denen Kindern nichts zu leyde.
Bey der Nacht fürchten sich die Hunde
sehr vor denen Gespenstern und vor dem
Schatten im Mondenschein, dahero etli-
che solches leicht wahrnehmen und die
gantze Nacht bellen, winseln und sich ver-
kriechen: Jm Alter werden sie meistens
faul und verdrossen, schlaffen gemeini-
glich und lassen sich die Fliegen plagen,
wornach sie schnappen. Sie leben selten
über zwölff biß funffzehen Jahr und
werden im Alter blind und steif auf ih-
ren Beinen, kriegen auch zuweilen das
Podagra, so sie von Menschen, wann
sie schwitzen, im Bette erben, und auf ih-
re Nachkommen fortpflantzen, welches
sie in allen Gliedern reisset, daß sie heff-
tig schreyen: Wann der Wärther aus
Nachläßigkeit den Unflath nicht zum öff-
tern von ihren Lagern schaffet und das-
selbe mit frischem Stroh versiehet, wer-
den sie bald räudig, wormit sie leichtlich
einander anstecken können. Jn denen Nie-
ren befinden sich öffters einige Würmer,
Gliedslang, so sie nagen, biß sie sterben.

Es

Von denen Hunden.
[Spaltenumbruch] und blind, richtig die Tritt und Fußſtapf-
fen des Wildes, die er je mehr und mehr
riechet, und von denenſelben die aus
dem Wild durch die Fuͤſſe geſtiegene Ata-
mos
mit ſeinem empfindlichen Geruch
von der Erden an ſich ziehet und man-
chem jungen Jaͤger ſchoͤne Zeichen der
Gefaͤhrde oder Spuhr zeiget. Die Urſa-
che, warumb die Fußſohlen, Ballen, und
Lauff-Klauen der wilden Thiere von de-
nen Hunden je laͤnger, je mehr gerochen
und deren Spuhr genau bemercket
werden, beſtehet darinnen: Nehm-
lich, nachdem ſich die faule Materie von
dem Excremento ultimæ concoctionis
der Schweißloͤcher geſammlet, ſencket ſich
dieſe Feuchtigkeit je mehr und mehr aus
dem Leibe nach denen Laͤufften nieder-
werts, und ſammlet ſich zwiſchen denen
Lauff-Klauen, wird endlich ſtinckend,
und durchdringend, ſo, daß ſie gewiſſe
Atamos von ſich laͤſſet, welche nachmahls
als Reliquien von denen Hunden gefun-
den werden. Dann wo das Wild gehet,
da druͤcket es mit den Fußſtapffen die Ato-
mos
und Duͤnſte, welche aus deſſen Coͤr-
per, wie vorgemeldet, in die Fuͤſſe ſteigen,
zugleich mit in die Erde, die eine zeitlang
in der loͤcherichten Erde bleiben, und ſich
ſobalde nicht heraus finden koͤnnen, ſon-
dern offt etliche Stunden lang darinnen
bleiben, biß der Hund durch das Rie-
chen obbemeldter Maaſſen ſolche aus der-
ſelben an ſich ziehet, und die Spuhr hier-
durch anzeiget. Wie wird doch offtmahl,
bey gar ſchlechter Koſt und hungrigem
Magen der arme Hund gepruͤgelt, und
muß ſolches dennoch mit groͤſter Gedult
ertragen, ja noch darzu dem Herrn lieb-
koſen: Wann er Kuͤnſte lernen ſoll, da-
rinnen er als ein unvernuͤnfftiges Thier
fleißiger, als mancher hartnaͤckigter
Schuͤler iſt, mercket er alles genau im
Gedaͤchtniß, und trachtet, ſo er umb ei-
nen Fehler geſchlagen worden, denſelbi-
gen zu verbeſſern: Ein Hund geden-
cket lange Zeit an die vorige Wohnung
und den alten Herrn, bey welchem es ihm
wohl gegangen; Erinnert ſich eines wei-
ten Weges, ſonderlich auch, wann er
was uͤbrig von Knochen oder Brod ha-
ben kan, verſcharret er daſſelbige, und
hebet es auf, biß er wieder hungrig wird,
alsdann holet und verzehret er es. Mit
was vor Lebens-Gefahr und doch groſ-
ſer Begierde ſpringet nicht der arme
Hund auf Befehl ſeines Heꝛꝛn in das Eiß-
kalte Waſſer u. einen ſchnellen Strohm,
[Spaltenumbruch] und hohlet demſelben offte ein ſchlechtes
Stoͤckgen, ja wohl gar einen Stein her-
aus. Wie ſolte nicht das angeſchoſſene
Wild verfaulen, wann nicht der Hund
ſeinem Herrn zu Nutzen es durch den
Schweiß finden und verſchaffen wuͤrde,
ja er bewachet das gefaͤllte Wildpraͤth,
vergnuͤget ſich aber nur mit wenigem
Schweiß oder Knochen, iſt auch zufrie-
den, wenn er nichts krieget. Es wird
ein Hund aus angebohrner Großmuͤ-
thigkeit, jedoch nach ſeiner Staͤrcke, viel
lieber ein ſtarckes wild Schwein, als
ein furchtſames Schaaff anfallen. Was
ein Hund bey Tage geſehen, gethan, o-
der verrichtet hat, koͤmmt ihm im Schlaf-
fe alles vor, ſo, daß ihm die Phantaſie
recht aͤngſtliche Traͤume verurſachet, und
er mit den Adern, Flechſen, und andern
Gliedern, oder Fuͤſſen zucket, ſich im
Schlaffe ordentlich beweget und bellet.
Sonſten iſt ein Hund gerne in Geſell-
ſchafft umb die Menſchen, und iſt luſtig,
kuͤhn und freundlich unter denen Be-
kanten, bey Frembden aber mißtrauiſch
und fuꝛchtſam: Es wiꝛd ein Hund aus an-
gebohrner Hoffart einen zoꝛnigen Mann,
der mit einem Stock auf ihn kommt,
eher anfallen, als eine Frau oder Kind,
die ſich demuͤthiget und ihnen liebkoſet.
Man ſaget, daß kein Hund einem na-
ckenden Menſchen leydes thue, ihn auch
nicht anbelle, ſo mir nicht bekant, doch
thun ſie denen Kindern nichts zu leyde.
Bey der Nacht fuͤrchten ſich die Hunde
ſehr vor denen Geſpenſtern und vor dem
Schatten im Mondenſchein, dahero etli-
che ſolches leicht wahrnehmen und die
gantze Nacht bellen, winſeln und ſich ver-
kriechen: Jm Alter werden ſie meiſtens
faul und verdroſſen, ſchlaffen gemeini-
glich und laſſen ſich die Fliegen plagen,
wornach ſie ſchnappen. Sie leben ſelten
uͤber zwoͤlff biß funffzehen Jahr und
werden im Alter blind und ſteif auf ih-
ren Beinen, kriegen auch zuweilen das
Podagra, ſo ſie von Menſchen, wann
ſie ſchwitzen, im Bette erben, und auf ih-
re Nachkommen fortpflantzen, welches
ſie in allen Gliedern reiſſet, daß ſie heff-
tig ſchreyen: Wann der Waͤrther aus
Nachlaͤßigkeit den Unflath nicht zum oͤff-
tern von ihren Lagern ſchaffet und daſ-
ſelbe mit friſchem Stroh verſiehet, wer-
den ſie bald raͤudig, wormit ſie leichtlich
einander anſtecken koͤnnen. Jn denen Nie-
ren befinden ſich oͤffters einige Wuͤrmer,
Gliedslang, ſo ſie nagen, biß ſie ſterben.

Es
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[167/0285] Von denen Hunden. und blind, richtig die Tritt und Fußſtapf- fen des Wildes, die er je mehr und mehr riechet, und von denenſelben die aus dem Wild durch die Fuͤſſe geſtiegene Ata- mos mit ſeinem empfindlichen Geruch von der Erden an ſich ziehet und man- chem jungen Jaͤger ſchoͤne Zeichen der Gefaͤhrde oder Spuhr zeiget. Die Urſa- che, warumb die Fußſohlen, Ballen, und Lauff-Klauen der wilden Thiere von de- nen Hunden je laͤnger, je mehr gerochen und deren Spuhr genau bemercket werden, beſtehet darinnen: Nehm- lich, nachdem ſich die faule Materie von dem Excremento ultimæ concoctionis der Schweißloͤcher geſammlet, ſencket ſich dieſe Feuchtigkeit je mehr und mehr aus dem Leibe nach denen Laͤufften nieder- werts, und ſammlet ſich zwiſchen denen Lauff-Klauen, wird endlich ſtinckend, und durchdringend, ſo, daß ſie gewiſſe Atamos von ſich laͤſſet, welche nachmahls als Reliquien von denen Hunden gefun- den werden. Dann wo das Wild gehet, da druͤcket es mit den Fußſtapffen die Ato- mos und Duͤnſte, welche aus deſſen Coͤr- per, wie vorgemeldet, in die Fuͤſſe ſteigen, zugleich mit in die Erde, die eine zeitlang in der loͤcherichten Erde bleiben, und ſich ſobalde nicht heraus finden koͤnnen, ſon- dern offt etliche Stunden lang darinnen bleiben, biß der Hund durch das Rie- chen obbemeldter Maaſſen ſolche aus der- ſelben an ſich ziehet, und die Spuhr hier- durch anzeiget. Wie wird doch offtmahl, bey gar ſchlechter Koſt und hungrigem Magen der arme Hund gepruͤgelt, und muß ſolches dennoch mit groͤſter Gedult ertragen, ja noch darzu dem Herrn lieb- koſen: Wann er Kuͤnſte lernen ſoll, da- rinnen er als ein unvernuͤnfftiges Thier fleißiger, als mancher hartnaͤckigter Schuͤler iſt, mercket er alles genau im Gedaͤchtniß, und trachtet, ſo er umb ei- nen Fehler geſchlagen worden, denſelbi- gen zu verbeſſern: Ein Hund geden- cket lange Zeit an die vorige Wohnung und den alten Herrn, bey welchem es ihm wohl gegangen; Erinnert ſich eines wei- ten Weges, ſonderlich auch, wann er was uͤbrig von Knochen oder Brod ha- ben kan, verſcharret er daſſelbige, und hebet es auf, biß er wieder hungrig wird, alsdann holet und verzehret er es. Mit was vor Lebens-Gefahr und doch groſ- ſer Begierde ſpringet nicht der arme Hund auf Befehl ſeines Heꝛꝛn in das Eiß- kalte Waſſer u. einen ſchnellen Strohm, und hohlet demſelben offte ein ſchlechtes Stoͤckgen, ja wohl gar einen Stein her- aus. Wie ſolte nicht das angeſchoſſene Wild verfaulen, wann nicht der Hund ſeinem Herrn zu Nutzen es durch den Schweiß finden und verſchaffen wuͤrde, ja er bewachet das gefaͤllte Wildpraͤth, vergnuͤget ſich aber nur mit wenigem Schweiß oder Knochen, iſt auch zufrie- den, wenn er nichts krieget. Es wird ein Hund aus angebohrner Großmuͤ- thigkeit, jedoch nach ſeiner Staͤrcke, viel lieber ein ſtarckes wild Schwein, als ein furchtſames Schaaff anfallen. Was ein Hund bey Tage geſehen, gethan, o- der verrichtet hat, koͤmmt ihm im Schlaf- fe alles vor, ſo, daß ihm die Phantaſie recht aͤngſtliche Traͤume verurſachet, und er mit den Adern, Flechſen, und andern Gliedern, oder Fuͤſſen zucket, ſich im Schlaffe ordentlich beweget und bellet. Sonſten iſt ein Hund gerne in Geſell- ſchafft umb die Menſchen, und iſt luſtig, kuͤhn und freundlich unter denen Be- kanten, bey Frembden aber mißtrauiſch und fuꝛchtſam: Es wiꝛd ein Hund aus an- gebohrner Hoffart einen zoꝛnigen Mann, der mit einem Stock auf ihn kommt, eher anfallen, als eine Frau oder Kind, die ſich demuͤthiget und ihnen liebkoſet. Man ſaget, daß kein Hund einem na- ckenden Menſchen leydes thue, ihn auch nicht anbelle, ſo mir nicht bekant, doch thun ſie denen Kindern nichts zu leyde. Bey der Nacht fuͤrchten ſich die Hunde ſehr vor denen Geſpenſtern und vor dem Schatten im Mondenſchein, dahero etli- che ſolches leicht wahrnehmen und die gantze Nacht bellen, winſeln und ſich ver- kriechen: Jm Alter werden ſie meiſtens faul und verdroſſen, ſchlaffen gemeini- glich und laſſen ſich die Fliegen plagen, wornach ſie ſchnappen. Sie leben ſelten uͤber zwoͤlff biß funffzehen Jahr und werden im Alter blind und ſteif auf ih- ren Beinen, kriegen auch zuweilen das Podagra, ſo ſie von Menſchen, wann ſie ſchwitzen, im Bette erben, und auf ih- re Nachkommen fortpflantzen, welches ſie in allen Gliedern reiſſet, daß ſie heff- tig ſchreyen: Wann der Waͤrther aus Nachlaͤßigkeit den Unflath nicht zum oͤff- tern von ihren Lagern ſchaffet und daſ- ſelbe mit friſchem Stroh verſiehet, wer- den ſie bald raͤudig, wormit ſie leichtlich einander anſtecken koͤnnen. Jn denen Nie- ren befinden ſich oͤffters einige Wuͤrmer, Gliedslang, ſo ſie nagen, biß ſie ſterben. Es

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/285>, abgerufen am 22.11.2024.