NAchdem GOTT der All- mächtige dem menschlichen Geschlechte alle wilde Thie- re, Vögel und Fische zu ihrer Speise nachgelassen, und frey gegeben hatte, so haben solche nach beschehenem Sünden- Fall vor demselben als vor einem Ty- rannen einen Abscheu bekommen, weil sie von Natur sich befürchten und ein- bilden kunten, daß die Menschen ihnen nach dem Leben trachten und nach der von Göttlicher Ordnung ihnen ertheil- ten Macht dasselbe nehmen würden. Derohalben zu denenselben, weil sie aus natürlicher Furcht scheu und flüchtig waren, damahls wohl unstreitig, wie ich glaube, anfänglich die Hunde gebrau- chet worden, welche dem Menschen hier- zu behülfflich waren, ihm das flüchtige Wild einhohleten, das unsichtbare aber durch ihren Geruch auff der Wild- Spuhr verfolgeten und entdeckten, biß man endlich mit Bogen und Pfeilen das Wild heimlich beschliechen und gefället hat: Wie sonder Zweiffel der Jsmael, welcher in der Wüsten gewohnet, und ein guter Schütze gewesen, gethan ha- ben mag, ingleichen Esau, dem sein al- ter Vater Jsaac vor seinem Ende, sei- nen Zeug, Köcher und Bogen zu neh- men, und ihm ein Wildpräth zu fahen befohlen hat; Woraus abzunehmen, daß gleich anfänglich dergleichen Jagden mit Bogen und Pfeil auch im alten Testa- ment gehalten worden sind; Nicht we- [Spaltenumbruch]
niger haben auch nachgehends unsere al- te Vorfahren auff des Wildes Gänge, und deren gewöhnliche Wexel und Ste- ge hin und wieder unterschiedliche ver- deckte Gruben, Fallen, Schlagbäume und Schleifen auffgestellet, darinnen sie das Wild gefangen und geschlagen, wie dann dergleichen Gruben, so wegen der schädlichen ungeheuern Raub-Thiere an- gerichtet werden, annoch an vielen Or- then gebräuchlich sind und gefunden wer- den. Dieweiln aber in solche Gruben öffters arme Leute, so ihre Nahrung su- chen, und sich in Wäldern verirren, oder auch hüthend Vieh unversehens verfal- len, und in solchen Wildnissen ohne Hülf- fe umbs leben kommen müssen, hat man nachdem an statt der Schleiffen oder Schlingen, so vermuthlich von Bast o- der Haaren mögen gewesen seyn, aus dem aus der Erden, menschlicher Nah- rung zum besten, gewachsenen Hanffe Faden, Stricke oder Leinen zu spinnen ersonnen, woraus nachgehends die Garn oder Netze zu machen angefangen worden, durch deren Auffstellen das flüchtige Wild sich unvermercket verwickeln müssen, welches der Mensch erschlagen, und zu seiner Speise brauchen können. Als nun die Obrigkeit die Jagd sich alleine re- serviret, dem gemeinen Manne aber sol- che verbothen, hierzu ferner auch zeithe- ro grösseres Nachdencken auffgewendet, und bessere Geräthschafft oder Jagd- Gezeug jemehr und mehr erfunden wor- den, hat man endlich leinene Planen
oder
D d 2
[Abbildung]
Vierdter Theil/ handelt Von dem Jagd-Bezeug.
[Spaltenumbruch]
NAchdem GOTT der All- maͤchtige dem menſchlichen Geſchlechte alle wilde Thie- re, Voͤgel und Fiſche zu ihrer Speiſe nachgelaſſen, und frey gegeben hatte, ſo haben ſolche nach beſchehenem Suͤnden- Fall vor demſelben als vor einem Ty- rannen einen Abſcheu bekommen, weil ſie von Natur ſich befuͤrchten und ein- bilden kunten, daß die Menſchen ihnen nach dem Leben trachten und nach der von Goͤttlicher Ordnung ihnen ertheil- ten Macht daſſelbe nehmen wuͤrden. Derohalben zu denenſelben, weil ſie aus natuͤrlicher Furcht ſcheu und fluͤchtig waren, damahls wohl unſtreitig, wie ich glaube, anfaͤnglich die Hunde gebrau- chet worden, welche dem Menſchen hier- zu behuͤlfflich waren, ihm das fluͤchtige Wild einhohleten, das unſichtbare aber durch ihren Geruch auff der Wild- Spuhr verfolgeten und entdeckten, biß man endlich mit Bogen und Pfeilen das Wild heimlich beſchliechen und gefaͤllet hat: Wie ſonder Zweiffel der Jſmael, welcher in der Wuͤſten gewohnet, und ein guter Schuͤtze geweſen, gethan ha- ben mag, ingleichen Eſau, dem ſein al- ter Vater Jſaac vor ſeinem Ende, ſei- nen Zeug, Koͤcher und Bogen zu neh- men, und ihm ein Wildpraͤth zu fahen befohlen hat; Woraus abzunehmen, daß gleich anfaͤnglich dergleichen Jagden mit Bogen und Pfeil auch im alten Teſta- ment gehalten worden ſind; Nicht we- [Spaltenumbruch]
niger haben auch nachgehends unſere al- te Vorfahren auff des Wildes Gaͤnge, und deren gewoͤhnliche Wexel und Ste- ge hin und wieder unterſchiedliche ver- deckte Gruben, Fallen, Schlagbaͤume und Schleifen auffgeſtellet, darinnen ſie das Wild gefangen und geſchlagen, wie dann dergleichen Gruben, ſo wegen der ſchaͤdlichen ungeheuern Raub-Thiere an- gerichtet werden, annoch an vielen Or- then gebraͤuchlich ſind und gefunden wer- den. Dieweiln aber in ſolche Gruben oͤffters arme Leute, ſo ihre Nahrung ſu- chen, und ſich in Waͤldern verirren, oder auch huͤthend Vieh unverſehens verfal- len, und in ſolchen Wildniſſen ohne Huͤlf- fe umbs leben kommen muͤſſen, hat man nachdem an ſtatt der Schleiffen oder Schlingen, ſo vermuthlich von Baſt o- der Haaren moͤgen geweſen ſeyn, aus dem aus der Erden, menſchlicher Nah- rung zum beſten, gewachſenen Hanffe Faden, Stricke oder Leinen zu ſpinnen erſonnen, woraus nachgehends die Garn oder Netze zu machen angefangẽ worden, durch deren Auffſtellen das fluͤchtige Wild ſich unvermercket verwickeln muͤſſen, welches der Menſch erſchlagen, und zu ſeiner Speiſe brauchen koͤnnen. Als nun die Obrigkeit die Jagd ſich alleine re- ſerviret, dem gemeinen Manne aber ſol- che verbothen, hierzu ferner auch zeithe- ro groͤſſeres Nachdencken auffgewendet, und beſſere Geraͤthſchafft oder Jagd- Gezeug jemehr und mehr erfunden wor- den, hat man endlich leinene Planen
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[[211]/0341]
[Abbildung]
Vierdter Theil/
handelt
Von dem Jagd-Bezeug.
NAchdem GOTT der All-
maͤchtige dem menſchlichen
Geſchlechte alle wilde Thie-
re, Voͤgel und Fiſche zu
ihrer Speiſe nachgelaſſen,
und frey gegeben hatte, ſo
haben ſolche nach beſchehenem Suͤnden-
Fall vor demſelben als vor einem Ty-
rannen einen Abſcheu bekommen, weil
ſie von Natur ſich befuͤrchten und ein-
bilden kunten, daß die Menſchen ihnen
nach dem Leben trachten und nach der
von Goͤttlicher Ordnung ihnen ertheil-
ten Macht daſſelbe nehmen wuͤrden.
Derohalben zu denenſelben, weil ſie aus
natuͤrlicher Furcht ſcheu und fluͤchtig
waren, damahls wohl unſtreitig, wie ich
glaube, anfaͤnglich die Hunde gebrau-
chet worden, welche dem Menſchen hier-
zu behuͤlfflich waren, ihm das fluͤchtige
Wild einhohleten, das unſichtbare aber
durch ihren Geruch auff der Wild-
Spuhr verfolgeten und entdeckten, biß
man endlich mit Bogen und Pfeilen das
Wild heimlich beſchliechen und gefaͤllet
hat: Wie ſonder Zweiffel der Jſmael,
welcher in der Wuͤſten gewohnet, und
ein guter Schuͤtze geweſen, gethan ha-
ben mag, ingleichen Eſau, dem ſein al-
ter Vater Jſaac vor ſeinem Ende, ſei-
nen Zeug, Koͤcher und Bogen zu neh-
men, und ihm ein Wildpraͤth zu fahen
befohlen hat; Woraus abzunehmen, daß
gleich anfaͤnglich dergleichen Jagden mit
Bogen und Pfeil auch im alten Teſta-
ment gehalten worden ſind; Nicht we-
niger haben auch nachgehends unſere al-
te Vorfahren auff des Wildes Gaͤnge,
und deren gewoͤhnliche Wexel und Ste-
ge hin und wieder unterſchiedliche ver-
deckte Gruben, Fallen, Schlagbaͤume
und Schleifen auffgeſtellet, darinnen ſie
das Wild gefangen und geſchlagen, wie
dann dergleichen Gruben, ſo wegen der
ſchaͤdlichen ungeheuern Raub-Thiere an-
gerichtet werden, annoch an vielen Or-
then gebraͤuchlich ſind und gefunden wer-
den. Dieweiln aber in ſolche Gruben
oͤffters arme Leute, ſo ihre Nahrung ſu-
chen, und ſich in Waͤldern verirren, oder
auch huͤthend Vieh unverſehens verfal-
len, und in ſolchen Wildniſſen ohne Huͤlf-
fe umbs leben kommen muͤſſen, hat man
nachdem an ſtatt der Schleiffen oder
Schlingen, ſo vermuthlich von Baſt o-
der Haaren moͤgen geweſen ſeyn, aus
dem aus der Erden, menſchlicher Nah-
rung zum beſten, gewachſenen Hanffe
Faden, Stricke oder Leinen zu ſpinnen
erſonnen, woraus nachgehends die Garn
oder Netze zu machen angefangẽ worden,
durch deren Auffſtellen das fluͤchtige Wild
ſich unvermercket verwickeln muͤſſen,
welches der Menſch erſchlagen, und zu
ſeiner Speiſe brauchen koͤnnen. Als
nun die Obrigkeit die Jagd ſich alleine re-
ſerviret, dem gemeinen Manne aber ſol-
che verbothen, hierzu ferner auch zeithe-
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. [211]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/341>, abgerufen am 24.11.2024.
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