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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von der Jagd/ oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] würdig nachsiehet, und mancher Maul
und Nasen zuzumachen darüber vergis-
set, wobey wohl sehr zu zweiffeln, ob die-
se Zuschauer zum Theil wohl den Him-
mel all ihr Leb-Tag aus inbrünstigem
Verlangen, einsmahls hinein zu kommen,
so unverwendet betrachtet haben, welches
alles zu solcher Zeit aus Vorwitz, den
Ausgang dieses Kampff- oder Wett-
Flugs zu sehen, geschiehet. Worbey das
Piquiren, oder mit Pferden nachrennen,
viel gefährlicher, als bey der Par Force-
Jagd; Weiln ich bey währendem Forci-
r
en und Nachrennen des auffgespreng-
ten Hirsches Gefährde auff der Erden,
wo ich reithe, noch eher betrachten kan, wo
einige Gefahr des Stürtzens zu besorgen,
bey dem Piquiren der Reyher-Beitz aber,
da ich die Augen und Ohren, ja fast alle
Sinnen eintzig und allein nach dem vor-
habenden Reyher und Falcken richte,
nicht aber, ob ich sicheren Weg zu reithen
unter mir habe, kan nicht fehlen, daß
nicht beyde Roß und Mann stürtzen und
Unglück nehmen solten, worbey nach
greulichen Schmertzen die Balbierer und
Roß-Aertzte den besten Profit ziehen und
dergleichen, ihres Nutzens wegen, mehr-
mahl wünschen mögten; Welches mir
die Falconierer eher attestiren, als ver-
muthlich übel nehmen werden, daß ich
dieses der Wahrheit gemäß vorstelle.
Wann nun der Reyher überhöhet, so
fänget der Falck von oben herab auff
den Reyher mit seinen starcken Waf-
fen, in unglaublicher Geschwindigkeit,
einen hefftigen Anfall zu thun, giebt ihm
einen Grieff und Fang, dann schwinget
er sich wiederumb, ober, umb, und ne-
ben ihm herumb, biß er seinen Vortheil
ersiehet, ihn gar anzupacken, weil er
sich vor des Reyhers spietzigem Schnabel
wohl vorzusehen hat, indem hierdurch,
wann der Reyher den Halß auf den Rü-
cken leget, und den Schnabel über sich
hält, mancher junger unerfahrner Falcke
gar leichte und öffters gespisset wird,
weswegen auch zuweilen zwey Falcken,
als ein alter und ein junger, auff einen
Reyher gebeitzet werden, damit mit desto
wenigerer Gefahr solches geschehen mö-
ge. Zuweilen wendet sich der Reyher
mit seinem gantzen Leibe, und schwebet
oder wieget, als mit einem Segel, mit
ausgespanneten Flügeln in freyer Lufft,
[Spaltenumbruch] seinen Feind desto verwahrter zu em-
pfangen, so ihm aber gleichwohl mei-
stentheils mißräth, daß er darüber zu
Boden geworffen wird, und mit dem
Falcken zugleich herunter fällt. Da ge-
het es dann aufs neue an ein hefftiges
Piquiren, wer reith, der reith, wer liegt,
der liegt, ein jeder will der erste seyn, sei-
nem Principal den gefällten Reyher ohne
Schaden lebendig zu überbringen, damit
er sodann die meiste Ehre, Gnade, und
guten Recompence erlanget, weiln ein
uhraltes Herkommen, daß ein solcher
Monarch und Potentat dem lebendigen
Reyher einen güldenen oder silbernen
Ring mit dessen Namen und Jahrzahl
anleget und wiederumb frey fliegen läs-
set. Da ohne dem solche Reiher-Beitz,
nur zur Lust grosser Herren geschiehet,
und mit einem solchen magern Reyher
nichts zu thun wäre; Jmmittelst hat
man doch aus der Erfahrung, daß auff
diese Art in der gantzen Welt die Reyher
zu beitzen bräuchlich, dieselben sich auch
wieder nachgehends ausheilen, maassen
in Teutschland an einem gewissen Fürstl.
Hoffe ein Reyher auff der Beitz gefället
worden, welcher am rechten Bein über
dem Knie einen goldenen Ring gehabt,
dessen Schrifft gewesen: Ludwig der XIV.
1680. andere Exempel mehr itzo zu ge-
schweigen. Und also wird der geneigte
Leser den gantzen Processum der Falcken-
Beitz hieraus vernommen haben. Eben
dergleichen Lufft-Krieg wird auch mit
den Trappen, ja wohl gar mit dem
Weyhe, und wilden Gänsen, vorgenommen,
wiewohln es nicht so lustig anzusehen
ist, und geschwinder zu Ende gehet. Das
Hasen-Enten- und Rebhühner-Beitzen,
so meistens von dem Adel mit mehrerer
Mühe, als Lust vorgenommen wird, ist
sonder zweiffel Jederman bekant, und
wird zu beschreiben unnöthig seyn. Zum
Beschluß melde, weilen notorisch, daß die
rechten Falcken hier zu Lande nicht he-
cken, gleichwohl aber ihren Strich des
Herbsts haben, da sie bekanter maassen
mit einer weissen Taube gar füglich weg-
zufangen, denn muß man gleich einem
solchen Passagier die Haube auffsetzen, die
Fesseln anbinden, und alsdann, wie gemel-
det, heraus nehmen, und durch Abwachen
ermüden, welches in erster Furie am besten
zu practiciren und am rathsamsten ist.

Von
S s 3

Von der Jagd/ oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] wuͤrdig nachſiehet, und mancher Maul
und Naſen zuzumachen daruͤber vergiſ-
ſet, wobey wohl ſehr zu zweiffeln, ob die-
ſe Zuſchauer zum Theil wohl den Him-
mel all ihr Leb-Tag aus inbruͤnſtigem
Verlangen, einsmahls hinein zu kom̃en,
ſo unverwendet betrachtet haben, welches
alles zu ſolcher Zeit aus Vorwitz, den
Ausgang dieſes Kampff- oder Wett-
Flugs zu ſehen, geſchiehet. Worbey das
Piquiren, oder mit Pferden nachrennen,
viel gefaͤhrlicher, als bey der Par Force-
Jagd; Weiln ich bey waͤhrendem Forci-
r
en und Nachrennen des auffgeſpreng-
ten Hirſches Gefaͤhrde auff der Erden,
wo ich reithe, noch eher betrachten kan, wo
einige Gefahr des Stuͤrtzens zu beſorgen,
bey dem Piquiren der Reyher-Beitz aber,
da ich die Augen und Ohren, ja faſt alle
Sinnen eintzig und allein nach dem vor-
habenden Reyher und Falcken richte,
nicht aber, ob ich ſicheren Weg zu reithen
unter mir habe, kan nicht fehlen, daß
nicht beyde Roß und Mann ſtuͤrtzen und
Ungluͤck nehmen ſolten, worbey nach
greulichen Schmertzen die Balbierer und
Roß-Aertzte den beſten Profit ziehen und
dergleichen, ihres Nutzens wegen, mehr-
mahl wuͤnſchen moͤgten; Welches mir
die Falconierer eher atteſtiren, als ver-
muthlich uͤbel nehmen werden, daß ich
dieſes der Wahrheit gemaͤß vorſtelle.
Wann nun der Reyher uͤberhoͤhet, ſo
faͤnget der Falck von oben herab auff
den Reyher mit ſeinen ſtarcken Waf-
fen, in unglaublicher Geſchwindigkeit,
einen hefftigen Anfall zu thun, giebt ihm
einen Grieff und Fang, dann ſchwinget
er ſich wiederumb, ober, umb, und ne-
ben ihm herumb, biß er ſeinen Vortheil
erſiehet, ihn gar anzupacken, weil er
ſich vor des Reyhers ſpietzigem Schnabel
wohl vorzuſehen hat, indem hierdurch,
wann der Reyher den Halß auf den Ruͤ-
cken leget, und den Schnabel uͤber ſich
haͤlt, mancher junger unerfahrner Falcke
gar leichte und oͤffters geſpiſſet wird,
weswegen auch zuweilen zwey Falcken,
als ein alter und ein junger, auff einen
Reyher gebeitzet werden, damit mit deſto
wenigerer Gefahr ſolches geſchehen moͤ-
ge. Zuweilen wendet ſich der Reyher
mit ſeinem gantzen Leibe, und ſchwebet
oder wieget, als mit einem Segel, mit
ausgeſpanneten Fluͤgeln in freyer Lufft,
[Spaltenumbruch] ſeinen Feind deſto verwahrter zu em-
pfangen, ſo ihm aber gleichwohl mei-
ſtentheils mißraͤth, daß er daruͤber zu
Boden geworffen wird, und mit dem
Falcken zugleich herunter faͤllt. Da ge-
het es dann aufs neue an ein hefftiges
Piquiren, wer reith, der reith, wer liegt,
der liegt, ein jeder will der erſte ſeyn, ſei-
nem Principal den gefaͤllten Reyher ohne
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er ſodann die meiſte Ehre, Gnade, und
guten Recompence erlanget, weiln ein
uhraltes Herkommen, daß ein ſolcher
Monarch und Potentat dem lebendigen
Reyher einen guͤldenen oder ſilbernen
Ring mit deſſen Namen und Jahrzahl
anleget und wiederumb frey fliegen laͤſ-
ſet. Da ohne dem ſolche Reiher-Beitz,
nur zur Luſt groſſer Herren geſchiehet,
und mit einem ſolchen magern Reyher
nichts zu thun waͤre; Jmmittelſt hat
man doch aus der Erfahrung, daß auff
dieſe Art in der gantzen Welt die Reyher
zu beitzen braͤuchlich, dieſelben ſich auch
wieder nachgehends ausheilen, maaſſen
in Teutſchland an einem gewiſſen Fuͤrſtl.
Hoffe ein Reyher auff der Beitz gefaͤllet
worden, welcher am rechten Bein uͤber
dem Knie einen goldenen Ring gehabt,
deſſen Schrifft geweſen: Ludwig der XIV.
1680. andere Exempel mehr itzo zu ge-
ſchweigen. Und alſo wird der geneigte
Leſer den gantzen Proceſſum der Falcken-
Beitz hieraus vernommen haben. Eben
dergleichen Lufft-Krieg wird auch mit
den Trappen, ja wohl gar mit dem
Weyhe, und wilden Gaͤnſen, voꝛgenom̃en,
wiewohln es nicht ſo luſtig anzuſehen
iſt, und geſchwinder zu Ende gehet. Das
Haſen-Enten- und Rebhuͤhner-Beitzen,
ſo meiſtens von dem Adel mit mehrerer
Muͤhe, als Luſt vorgenommen wird, iſt
ſonder zweiffel Jederman bekant, und
wird zu beſchreiben unnoͤthig ſeyn. Zum
Beſchluß melde, weilen notoriſch, daß die
rechten Falcken hier zu Lande nicht he-
cken, gleichwohl aber ihren Strich des
Herbſts haben, da ſie bekanter maaſſen
mit einer weiſſen Taube gar fuͤglich weg-
zufangen, denn muß man gleich einem
ſolchen Paſſagier die Haube auffſetzen, die
Feſſeln anbinden, und alsdañ, wie gemel-
det, heraus nehmen, und durch Abwachen
ermuͤden, welches in erſteꝛ Furie am beſten
zu practiciren und am rathſamſten iſt.

Von
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[325/0493] Von der Jagd/ oder dem Weyde-Werck. wuͤrdig nachſiehet, und mancher Maul und Naſen zuzumachen daruͤber vergiſ- ſet, wobey wohl ſehr zu zweiffeln, ob die- ſe Zuſchauer zum Theil wohl den Him- mel all ihr Leb-Tag aus inbruͤnſtigem Verlangen, einsmahls hinein zu kom̃en, ſo unverwendet betrachtet haben, welches alles zu ſolcher Zeit aus Vorwitz, den Ausgang dieſes Kampff- oder Wett- Flugs zu ſehen, geſchiehet. Worbey das Piquiren, oder mit Pferden nachrennen, viel gefaͤhrlicher, als bey der Par Force- Jagd; Weiln ich bey waͤhrendem Forci- ren und Nachrennen des auffgeſpreng- ten Hirſches Gefaͤhrde auff der Erden, wo ich reithe, noch eher betrachten kan, wo einige Gefahr des Stuͤrtzens zu beſorgen, bey dem Piquiren der Reyher-Beitz aber, da ich die Augen und Ohren, ja faſt alle Sinnen eintzig und allein nach dem vor- habenden Reyher und Falcken richte, nicht aber, ob ich ſicheren Weg zu reithen unter mir habe, kan nicht fehlen, daß nicht beyde Roß und Mann ſtuͤrtzen und Ungluͤck nehmen ſolten, worbey nach greulichen Schmertzen die Balbierer und Roß-Aertzte den beſten Profit ziehen und dergleichen, ihres Nutzens wegen, mehr- mahl wuͤnſchen moͤgten; Welches mir die Falconierer eher atteſtiren, als ver- muthlich uͤbel nehmen werden, daß ich dieſes der Wahrheit gemaͤß vorſtelle. Wann nun der Reyher uͤberhoͤhet, ſo faͤnget der Falck von oben herab auff den Reyher mit ſeinen ſtarcken Waf- fen, in unglaublicher Geſchwindigkeit, einen hefftigen Anfall zu thun, giebt ihm einen Grieff und Fang, dann ſchwinget er ſich wiederumb, ober, umb, und ne- ben ihm herumb, biß er ſeinen Vortheil erſiehet, ihn gar anzupacken, weil er ſich vor des Reyhers ſpietzigem Schnabel wohl vorzuſehen hat, indem hierdurch, wann der Reyher den Halß auf den Ruͤ- cken leget, und den Schnabel uͤber ſich haͤlt, mancher junger unerfahrner Falcke gar leichte und oͤffters geſpiſſet wird, weswegen auch zuweilen zwey Falcken, als ein alter und ein junger, auff einen Reyher gebeitzet werden, damit mit deſto wenigerer Gefahr ſolches geſchehen moͤ- ge. Zuweilen wendet ſich der Reyher mit ſeinem gantzen Leibe, und ſchwebet oder wieget, als mit einem Segel, mit ausgeſpanneten Fluͤgeln in freyer Lufft, ſeinen Feind deſto verwahrter zu em- pfangen, ſo ihm aber gleichwohl mei- ſtentheils mißraͤth, daß er daruͤber zu Boden geworffen wird, und mit dem Falcken zugleich herunter faͤllt. Da ge- het es dann aufs neue an ein hefftiges Piquiren, wer reith, der reith, wer liegt, der liegt, ein jeder will der erſte ſeyn, ſei- nem Principal den gefaͤllten Reyher ohne Schaden lebendig zu uͤberbringen, damit er ſodann die meiſte Ehre, Gnade, und guten Recompence erlanget, weiln ein uhraltes Herkommen, daß ein ſolcher Monarch und Potentat dem lebendigen Reyher einen guͤldenen oder ſilbernen Ring mit deſſen Namen und Jahrzahl anleget und wiederumb frey fliegen laͤſ- ſet. Da ohne dem ſolche Reiher-Beitz, nur zur Luſt groſſer Herren geſchiehet, und mit einem ſolchen magern Reyher nichts zu thun waͤre; Jmmittelſt hat man doch aus der Erfahrung, daß auff dieſe Art in der gantzen Welt die Reyher zu beitzen braͤuchlich, dieſelben ſich auch wieder nachgehends ausheilen, maaſſen in Teutſchland an einem gewiſſen Fuͤrſtl. Hoffe ein Reyher auff der Beitz gefaͤllet worden, welcher am rechten Bein uͤber dem Knie einen goldenen Ring gehabt, deſſen Schrifft geweſen: Ludwig der XIV. 1680. andere Exempel mehr itzo zu ge- ſchweigen. Und alſo wird der geneigte Leſer den gantzen Proceſſum der Falcken- Beitz hieraus vernommen haben. Eben dergleichen Lufft-Krieg wird auch mit den Trappen, ja wohl gar mit dem Weyhe, und wilden Gaͤnſen, voꝛgenom̃en, wiewohln es nicht ſo luſtig anzuſehen iſt, und geſchwinder zu Ende gehet. Das Haſen-Enten- und Rebhuͤhner-Beitzen, ſo meiſtens von dem Adel mit mehrerer Muͤhe, als Luſt vorgenommen wird, iſt ſonder zweiffel Jederman bekant, und wird zu beſchreiben unnoͤthig ſeyn. Zum Beſchluß melde, weilen notoriſch, daß die rechten Falcken hier zu Lande nicht he- cken, gleichwohl aber ihren Strich des Herbſts haben, da ſie bekanter maaſſen mit einer weiſſen Taube gar fuͤglich weg- zufangen, denn muß man gleich einem ſolchen Paſſagier die Haube auffſetzen, die Feſſeln anbinden, und alsdañ, wie gemel- det, heraus nehmen, und durch Abwachen ermuͤden, welches in erſteꝛ Furie am beſten zu practiciren und am rathſamſten iſt. Von S s 3

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/493>, abgerufen am 22.11.2024.