Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.Des Andern Theils 12. Capitel/ von der Hirsch-Brunst. [Spaltenumbruch]
so gehen sie mit der grösten Begierde demWilde nach, und jagen sie so lange her- um, biß sie ihrer theilhafftig werden. Die alten und feisten oder guten Hirsche brunfften allezeit zuerst und im Anfange des Monats Septembris, bißweilen eini- ge Tage eher, bißweilen später. Dis währet so lange, biß sie ihre Lust vollkom- men genossen. Bald darauf fangen auch die gemeinen Hirsche ihr Brunfften in Abwesenheit der alten mit den Thie- ren an. §. 2. Die gröste und hefftigste Brunfft §. 3. Die jungen Hirsche oder Spies- §. 4. Aus dem Schreyen eines jagd- Das N 3
Des Andern Theils 12. Capitel/ von der Hirſch-Brunſt. [Spaltenumbruch]
ſo gehen ſie mit der groͤſten Begierde demWilde nach, und jagen ſie ſo lange her- um, biß ſie ihrer theilhafftig werden. Die alten und feiſten oder guten Hirſche brunfften allezeit zuerſt und im Anfange des Monats Septembris, bißweilen eini- ge Tage eher, bißweilen ſpaͤter. Dis waͤhret ſo lange, biß ſie ihre Luſt vollkom- men genoſſen. Bald darauf fangen auch die gemeinen Hirſche ihr Brunfften in Abweſenheit der alten mit den Thie- ren an. §. 2. Die groͤſte und hefftigſte Brunfft §. 3. Die jungen Hirſche oder Spieſ- §. 4. Aus dem Schreyen eines jagd- Das N 3
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Des Durchlauch-<lb/> tigſten Chur-Fuͤrſtens zu Brandenburg,<lb/> Friedrich Willhelms Frau Gemahlin<lb/> Preiß-wuͤrdigſten Andenckens haben<lb/> einſt in der Brunfft-Zeit einen Hirſch<lb/> durchs Hertz geſchoſſen, welcher, dem un-<lb/> geachtet, uͤber tauſend Schritte fortge-<lb/> lauffen, eh er geſtuͤrtzet, welches man auch<lb/> an andern Hirſchen <hi rendition="#aq">experimentir</hi>et, und<lb/> vor wahr befunden. Hieraus iſt alſo zu<lb/> vermuthen, daß ſich die Lebens-Geiſter<lb/> zu ſolcher Zeit verdoppeln, und das hitzi-<lb/> ge. Gebluͤth die <hi rendition="#aq">Circulation</hi> in eine viel<lb/> ſchnellere Bewegung ſetzt.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 3.</head> <p>Die jungen Hirſche oder Spieſ-<lb/> ſer brunfften zuletzt, weil ihre Feiſt und<lb/> Geilheit nicht reiff, ſie gehen auch hernach<lb/> vor Furcht in die Moraͤſte, Lacken und<lb/> Pfuͤtzen, ſie kratzen vorher darinnen mit<lb/> den Laͤufft-Klauen, und werffen aus<lb/> Tollheit den Koth allenthalben herum,<lb/> damit ſie tieffer hinein zu liegen kommen<lb/> moͤgen, und deſto mehr Kuͤhlung und Er-<lb/> friſchung zu empfinden. Aus ſolchen<lb/> Prudeln werden offt die ſchwachen jun-<lb/> gen Hirſche von den ſtaͤrckern Hirſchen mit<lb/><cb/> Schlaͤgen der Laͤuffte und Stoſſen des<lb/> Gehoͤrnes vertrieben. Sind ſie aus die-<lb/> ſem Prudel herausgangen, ſo ſtoſſen ſie<lb/> mit dem Gehoͤrne in die Erde, werffen<lb/> ſolche uͤber ſich weg, und ſchreyen aus vol-<lb/> lem Halſe. 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Die Hirſche haben von ihrer in-<lb/> nerlichen Hitze zur Zeit der Brunfft ei-<lb/> nen ſo ſtarcken Geruch, wie die geilen Boͤ-<lb/> cke, davon ihnen die Geilen oder Hoden<lb/> ſchwellen, und gantz glaͤntzend werden,<lb/> auch vor hitziger Begierde ihnen ſehr bren-<lb/> nen. So iſt den Jaͤgern ebenfalls be-<lb/> kandt, daß bey den Hirſchen zur Brunfft-<lb/> Zeit das Marck ſowohl in den Knochen<lb/> und Roͤhren, als in dem Ruͤckgrad nicht<lb/> von ſo weiſſer Materie, denn ſonſten, ſon-<lb/> dern mit roͤthlichter und blutiger Mate-<lb/> rie vermiſcht iſt. 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Des Andern Theils 12. Capitel/ von der Hirſch-Brunſt.
ſo gehen ſie mit der groͤſten Begierde dem
Wilde nach, und jagen ſie ſo lange her-
um, biß ſie ihrer theilhafftig werden. Die
alten und feiſten oder guten Hirſche
brunfften allezeit zuerſt und im Anfange
des Monats Septembris, bißweilen eini-
ge Tage eher, bißweilen ſpaͤter. Dis
waͤhret ſo lange, biß ſie ihre Luſt vollkom-
men genoſſen. Bald darauf fangen auch
die gemeinen Hirſche ihr Brunfften in
Abweſenheit der alten mit den Thie-
ren an.
§. 2. Die groͤſte und hefftigſte Brunfft
geſchiehet gemeiniglich von 4. Uhr nach
Mittags, die Nacht durch biß des andern
Tages um 9. Uhr des Morgens, wobey
ſie bißweilen ſo hefftig kaͤmpffen, daß ſie
auch Schaden druͤber leiden, wie ich im
erſten Theile geſagt. Der die Oberhand
behaͤlt, wird von den andern als ein U-
berwinder dergeſtalt reſpectiret, daß es
zu bewundern, und wird ſich nicht leicht
einer unterſtehen, an ihm zu machen, ob
er gleich eben von ſeiner Groͤſſe, weil ſich
der andere ſchon in Renommée geſetzt,
ſondern wird ſich lieber anderwerts ſu-
chen zu engagiren, oder in einer Furie
in des andern Abweſenheit ſeinen Liebes-
Dienſt abſtatten, und ſich ploͤtzlich wie-
der retiriren, weil ers in lauter Furcht
thut. Ein Hirſch ſoll die Brunfft-Zeit
uͤber eine unglaubliche Menge der Le-
bens-Geiſter erhalten. Des Durchlauch-
tigſten Chur-Fuͤrſtens zu Brandenburg,
Friedrich Willhelms Frau Gemahlin
Preiß-wuͤrdigſten Andenckens haben
einſt in der Brunfft-Zeit einen Hirſch
durchs Hertz geſchoſſen, welcher, dem un-
geachtet, uͤber tauſend Schritte fortge-
lauffen, eh er geſtuͤrtzet, welches man auch
an andern Hirſchen experimentiret, und
vor wahr befunden. Hieraus iſt alſo zu
vermuthen, daß ſich die Lebens-Geiſter
zu ſolcher Zeit verdoppeln, und das hitzi-
ge. Gebluͤth die Circulation in eine viel
ſchnellere Bewegung ſetzt.
§. 3. Die jungen Hirſche oder Spieſ-
ſer brunfften zuletzt, weil ihre Feiſt und
Geilheit nicht reiff, ſie gehen auch hernach
vor Furcht in die Moraͤſte, Lacken und
Pfuͤtzen, ſie kratzen vorher darinnen mit
den Laͤufft-Klauen, und werffen aus
Tollheit den Koth allenthalben herum,
damit ſie tieffer hinein zu liegen kommen
moͤgen, und deſto mehr Kuͤhlung und Er-
friſchung zu empfinden. Aus ſolchen
Prudeln werden offt die ſchwachen jun-
gen Hirſche von den ſtaͤrckern Hirſchen mit
Schlaͤgen der Laͤuffte und Stoſſen des
Gehoͤrnes vertrieben. Sind ſie aus die-
ſem Prudel herausgangen, ſo ſtoſſen ſie
mit dem Gehoͤrne in die Erde, werffen
ſolche uͤber ſich weg, und ſchreyen aus vol-
lem Halſe. Der jagdbare Hirſch ſchreyet
mit grober Stim̃e, aber nicht ſo offt, und
nicht ſo lange, ſie ſtoſſen tief mit dem Ge-
hoͤrne hinein, wenden den Raſen dermaſ-
ſen um, als ob daſelbſt ein junges Schwein
gebrochen. Der junge Hirſch hingegen
ſtoͤſſet nur mit den Spitzen der Enden ins
Erdreich, wirfft davon nichts ſonderli-
ches in die Hoͤhe, ſchreyet auch mit heller
und klarer Stimme, aber deſto oͤffterer.
Ein jagdbarer Hirſch verdrehet und ver-
windet mit ſeinem Gehoͤrne das vor etli-
chen Jahren aufgeſchoſſene kleine Gehoͤltze,
oder Zweige der Baͤume, wie ein Strick.
Wie dergleichen Hirſch der Hochſel. Herr
Graf von Solms vor einigen Jahren zur
Brunfft-Zeit geſchoſſen, welcher einen
Birckenen Strauch mit Zweigen und
Blaͤttern um ſein gantzes Gehoͤrn feſt
in einander gewunden, und ſich alsdenn
ſeinem Herrn zur Vergnuͤgung zu puͤr-
ſchen frey præſentiret, welches Gehoͤrne
noch biß dato auf dem Schloſſe Sonne-
walde zu ſehen. Ein junger Hirſch aber
ſtreifft nur die Rinden, Schaalen, oder
Baſt von dem jungen Gehoͤltze ab.
§. 4. Aus dem Schreyen eines jagd-
baren Hirſches kan man ebenfalls mer-
cken, wenn er die Thiere verlaſſen will;
Denn er hoͤret eben ſo auf, wie er ange-
fangen, und ſchreyet leiſer und kuͤrtzer.
Jhre gantze Brunfft dauret nicht uͤber
3. Wochen, und die groͤſte Hitze kaum 14.
Tage. Die Hirſche haben von ihrer in-
nerlichen Hitze zur Zeit der Brunfft ei-
nen ſo ſtarcken Geruch, wie die geilen Boͤ-
cke, davon ihnen die Geilen oder Hoden
ſchwellen, und gantz glaͤntzend werden,
auch vor hitziger Begierde ihnen ſehr bren-
nen. So iſt den Jaͤgern ebenfalls be-
kandt, daß bey den Hirſchen zur Brunfft-
Zeit das Marck ſowohl in den Knochen
und Roͤhren, als in dem Ruͤckgrad nicht
von ſo weiſſer Materie, denn ſonſten, ſon-
dern mit roͤthlichter und blutiger Mate-
rie vermiſcht iſt. Es iſt daher glaublich,
weil der Saame und dieſes Marck eine
genaue Correſpondenz mit einander ha-
ben, daß das Marck zu Colligirung des
Saamens herausgezogen, und inzwi-
ſchen der rothe Schweiß an deſſelben Stel-
le trete, biß es endlich mit der Zeit zu
Marcke generiret.
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