Des Andern Th. 22. C. von dem Reh-Wildpräth/ und dessen Nutzen etc.
[Spaltenumbruch]
Das 22. Capitel/ Von dem Reh-Wildpräth/ und dem Nutzen der Rehe in der Medicin.
§. 1.
Einige, als wie Julius Alexandrinus I. Salubr. schreiben dem Reh-Wildpräth und dem von wilden Schweinen in der Gü- tigkeit zu nähren eine Gleichheit zu. An- dere aber halten mit besserm Grunde da- vor, daß es noch viel leichter zu verdauen, als das Schwein-Wildpräth, und auch viel gesünder seyn soll, indem es nicht so sichtig ist, wie das wilde Schwein-Wild- präth. Wie die Menschen überhaupt bey ihren Speisen nicht allezeit auf dasje- nige sehen, was gesund oder ungesund ist, sondern was wohl schmeckt, also werden auch die meisten, wenn sie Reh-Wild- präth speisen, nicht auf dessen Medicini- schen Nutzen sehen.
§. 2.
Am Geschmack übertrifft das Reh-Wildpräth das Hirsch-Wildpräth gar sehr; es ist viel mürber, zärter und delicater. Es wird auf eben die Art zu- bereitet, wie das andere Wildpräth, und entweder in Pasteten geschlagen, oder auf allerhand Art mit kräfftigen und gewürtz- ten Brühen gekocht, oder der Ziemer, und der Rücken u. s. w. werden gebraten, u. ent- weder gantz, oder für diejenigen, welchen der Speck widerlich ist, nur auf der einen Seite gespicket, mit Citronen-Safft be- sprützet, und mit Citronen-Schnitten belegt; Einige spicken auch das Wildpräth mit subtil-geschnittenen Citronen-Schelf- gen, und mit Zimmet und Würtz- Nelcken.
§. 3.
Die Reh-Leber soll die Augen schärffen, wenn mans isset, trincket, oder äusserlich damit räuchert, und in die Au- gen tröpffelt, stillet das Bluten, beson- ders der Nase, wenn man deren Asche drein bläset. Die Galle abstergiret die Flecken des Angesichts, den Staaren der Augen, und heilet alle andere Kranckhei- ten (wenn mans mit Honig drein thut) vertreibet das Klingen der Ohren, wenn mans mit Rosen-Oehl drein tropffet, lindert die Zahn-Schmertzen, auf gleiche Weise gebraucht.
Das 23. Capitel/ Von den Eigenschafften des Wolffes.
[Spaltenumbruch]
§. 1.
Einige wollen behaupten, daß kein Wolff den andern anpacke; es be- zeuget aber Täntzer in seinem Jagd-Bu- che pag. 100. das Gegentheil, und führet an, sie hätten einst auf einer Jagd in Sachsen bey Pirna, so zwey Meilen von Dreßden gelegen, zwey Wölffe gekreys- set, und solche eingestellet; Hernach wä- re ermeldter Täntzer selbst mit einer Büch- se ins Jagen gegangen, und habe einen Wolff stehen sehen, von dem er sich ein- gebildet, daß er ein Reh erhaschet, hätte ihn hierauf geschossen, daß er alsobald nie- dergefallen, und dabey liegen blieben. Als er nahe herzu kommen, hätte ein halber Wolff, oder Wölffin da gelegen, dessen hintere Helffte der geschossene Wolff schon gäntzlich verzehret hatte. Herr Täntzer betheuret hoch, daß er die Ursache hiervon nicht begreiffen können, weil sonst um der dasigen Gegend Wildpräth genung vor- handen, es wären auch in dem damahli- gen Jagen fünff Rehe zugleich mit dem Zeuge eingestellt gewesen. Es kan viel- leicht seyn, daß die Wölffe in der Brunfft sich mit einander veruneiniget, oder daß dieser verzehrte Wolff schon von andern angeschossen gewesen, indem es bekandt, daß die Wölffe keinen verwundeten Wolff unter sich leiden können.
§. 2.
Wann ein Mensch vom Wolff überfallen wird, so geschiehet es unver- merckter Weise, hinterwerts, oder von der Seite, daß er sich nicht wehren kan. Mit einer brennenden Fackel, oder mit einer Leuchte, kan man die Wölffe am besten von sich abhalten, wie der Herr Lehmann in seinem Schau-Platz der Ertzgebürgi- schen Merckwürdigkeiten einige Historien hiervon zu erzehlen weiß. Ergreifft der Wolff einen Hund, so faßt er ihn in die Gurgel, daß er kaum noch einen heischern Schrey thun kan, vielweniger sich durch Beissen seiner erwehren. Haschet der Wolff einen Hammel, so faßt er ihn oben über den Halß, und wirfft ihn mit ver- wendeter Gurgel, die Lufft zu beneh- men, trägt ihn auf seinem Rücken oder Schultern ins Holtz. Die Pferde fällt er von fornen zu an, denn wenn sie hinten ausschlügen, könten sie sich seiner erweh- ren. Die Kühe reissen sie zu erst in das Euter, wo das zarteste Theil ihres Leibes ist, daß sie hernach auch fallen müssen. Die zahmen Schweine packen sie bey den Oh- ren an, und führen sie so fort; wollen sie viel schreyen, so reissen sie solchen nach der
Gurgel.
Des Andern Th. 22. C. von dem Reh-Wildpraͤth/ und deſſen Nutzen ꝛc.
[Spaltenumbruch]
Das 22. Capitel/ Von dem Reh-Wildpraͤth/ und dem Nutzen der Rehe in der Medicin.
§. 1.
Einige, als wie Julius Alexandrinus I. Salubr. ſchreiben dem Reh-Wildpraͤth und dem von wilden Schweinen in der Guͤ- tigkeit zu naͤhren eine Gleichheit zu. An- dere aber halten mit beſſerm Grunde da- vor, daß es noch viel leichter zu verdauen, als das Schwein-Wildpraͤth, und auch viel geſuͤnder ſeyn ſoll, indem es nicht ſo ſichtig iſt, wie das wilde Schwein-Wild- praͤth. Wie die Menſchen uͤberhaupt bey ihren Speiſen nicht allezeit auf dasje- nige ſehen, was geſund oder ungeſund iſt, ſondern was wohl ſchmeckt, alſo werden auch die meiſten, wenn ſie Reh-Wild- praͤth ſpeiſen, nicht auf deſſen Medicini- ſchen Nutzen ſehen.
§. 2.
Am Geſchmack uͤbertrifft das Reh-Wildpraͤth das Hirſch-Wildpraͤth gar ſehr; es iſt viel muͤrber, zaͤrter und delicater. Es wird auf eben die Art zu- bereitet, wie das andere Wildpraͤth, und entweder in Paſteten geſchlagen, oder auf allerhand Art mit kraͤfftigen und gewuͤrtz- ten Bruͤhen gekocht, oder der Ziemer, und der Ruͤcken u. ſ. w. werden gebraten, u. ent- weder gantz, oder fuͤr diejenigen, welchen der Speck widerlich iſt, nur auf der einen Seite geſpicket, mit Citronen-Safft be- ſpruͤtzet, und mit Citronen-Schnitten belegt; Einige ſpicken auch das Wildpraͤth mit ſubtil-geſchnittenen Citronen-Schelf- gen, und mit Zimmet und Wuͤrtz- Nelcken.
§. 3.
Die Reh-Leber ſoll die Augen ſchaͤrffen, wenn mans iſſet, trincket, oder aͤuſſerlich damit raͤuchert, und in die Au- gen troͤpffelt, ſtillet das Bluten, beſon- ders der Naſe, wenn man deren Aſche drein blaͤſet. Die Galle abſtergiret die Flecken des Angeſichts, den Staaren der Augen, und heilet alle andere Kranckhei- ten (wenn mans mit Honig drein thut) vertreibet das Klingen der Ohren, wenn mans mit Roſen-Oehl drein tropffet, lindert die Zahn-Schmertzen, auf gleiche Weiſe gebraucht.
Das 23. Capitel/ Von den Eigenſchafften des Wolffes.
[Spaltenumbruch]
§. 1.
Einige wollen behaupten, daß kein Wolff den andern anpacke; es be- zeuget aber Taͤntzer in ſeinem Jagd-Bu- che pag. 100. das Gegentheil, und fuͤhret an, ſie haͤtten einſt auf einer Jagd in Sachſen bey Pirna, ſo zwey Meilen von Dreßden gelegen, zwey Woͤlffe gekreyſ- ſet, und ſolche eingeſtellet; Hernach waͤ- re ermeldter Taͤntzer ſelbſt mit einer Buͤch- ſe ins Jagen gegangen, und habe einen Wolff ſtehen ſehen, von dem er ſich ein- gebildet, daß er ein Reh erhaſchet, haͤtte ihn hierauf geſchoſſen, daß er alſobald nie- dergefallen, und dabey liegen blieben. Als er nahe herzu kommen, haͤtte ein halber Wolff, oder Woͤlffin da gelegen, deſſen hintere Helffte der geſchoſſene Wolff ſchon gaͤntzlich verzehret hatte. Herr Taͤntzer betheuret hoch, daß er die Urſache hiervon nicht begreiffen koͤnnen, weil ſonſt um der daſigen Gegend Wildpraͤth genung vor- handen, es waͤren auch in dem damahli- gen Jagen fuͤnff Rehe zugleich mit dem Zeuge eingeſtellt geweſen. Es kan viel- leicht ſeyn, daß die Woͤlffe in der Brunfft ſich mit einander veruneiniget, oder daß dieſer verzehrte Wolff ſchon von andern angeſchoſſen geweſen, indem es bekandt, daß die Woͤlffe keinen verwundeten Wolff unter ſich leiden koͤnnen.
§. 2.
Wann ein Menſch vom Wolff uͤberfallen wird, ſo geſchiehet es unver- merckter Weiſe, hinterwerts, oder von der Seite, daß er ſich nicht wehren kan. Mit einer brennenden Fackel, oder mit einer Leuchte, kan man die Woͤlffe am beſten von ſich abhalten, wie der Herr Lehmann in ſeinem Schau-Platz der Ertzgebuͤrgi- ſchen Merckwuͤrdigkeiten einige Hiſtorien hiervon zu erzehlen weiß. Ergreifft der Wolff einen Hund, ſo faßt er ihn in die Gurgel, daß er kaum noch einen heiſchern Schrey thun kan, vielweniger ſich durch Beiſſen ſeiner erwehren. Haſchet der Wolff einen Hammel, ſo faßt er ihn oben uͤber den Halß, und wirfft ihn mit ver- wendeter Gurgel, die Lufft zu beneh- men, traͤgt ihn auf ſeinem Ruͤcken oder Schultern ins Holtz. Die Pferde faͤllt er von fornen zu an, denn wenn ſie hinten ausſchluͤgen, koͤnten ſie ſich ſeiner erweh- ren. Die Kuͤhe reiſſen ſie zu erſt in das Euter, wo das zarteſte Theil ihres Leibes iſt, daß ſie hernach auch fallen muͤſſen. Die zahmen Schweine packen ſie bey den Oh- ren an, und fuͤhren ſie ſo fort; wollen ſie viel ſchreyen, ſo reiſſen ſie ſolchen nach der
Gurgel.
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Des Andern Th. 22. C. von dem Reh-Wildpraͤth/ und deſſen Nutzen ꝛc.
Das 22. Capitel/
Von dem Reh-Wildpraͤth/
und dem Nutzen der Rehe in
der Medicin.
§. 1.
Einige, als wie Julius Alexandrinus I.
Salubr. ſchreiben dem Reh-Wildpraͤth
und dem von wilden Schweinen in der Guͤ-
tigkeit zu naͤhren eine Gleichheit zu. An-
dere aber halten mit beſſerm Grunde da-
vor, daß es noch viel leichter zu verdauen,
als das Schwein-Wildpraͤth, und auch
viel geſuͤnder ſeyn ſoll, indem es nicht ſo
ſichtig iſt, wie das wilde Schwein-Wild-
praͤth. Wie die Menſchen uͤberhaupt
bey ihren Speiſen nicht allezeit auf dasje-
nige ſehen, was geſund oder ungeſund iſt,
ſondern was wohl ſchmeckt, alſo werden
auch die meiſten, wenn ſie Reh-Wild-
praͤth ſpeiſen, nicht auf deſſen Medicini-
ſchen Nutzen ſehen.
§. 2. Am Geſchmack uͤbertrifft das
Reh-Wildpraͤth das Hirſch-Wildpraͤth
gar ſehr; es iſt viel muͤrber, zaͤrter und
delicater. Es wird auf eben die Art zu-
bereitet, wie das andere Wildpraͤth, und
entweder in Paſteten geſchlagen, oder auf
allerhand Art mit kraͤfftigen und gewuͤrtz-
ten Bruͤhen gekocht, oder der Ziemer, und
der Ruͤcken u. ſ. w. werden gebraten, u. ent-
weder gantz, oder fuͤr diejenigen, welchen
der Speck widerlich iſt, nur auf der einen
Seite geſpicket, mit Citronen-Safft be-
ſpruͤtzet, und mit Citronen-Schnitten
belegt; Einige ſpicken auch das Wildpraͤth
mit ſubtil-geſchnittenen Citronen-Schelf-
gen, und mit Zimmet und Wuͤrtz-
Nelcken.
§. 3. Die Reh-Leber ſoll die Augen
ſchaͤrffen, wenn mans iſſet, trincket, oder
aͤuſſerlich damit raͤuchert, und in die Au-
gen troͤpffelt, ſtillet das Bluten, beſon-
ders der Naſe, wenn man deren Aſche
drein blaͤſet. Die Galle abſtergiret die
Flecken des Angeſichts, den Staaren der
Augen, und heilet alle andere Kranckhei-
ten (wenn mans mit Honig drein thut)
vertreibet das Klingen der Ohren, wenn
mans mit Roſen-Oehl drein tropffet,
lindert die Zahn-Schmertzen, auf gleiche
Weiſe gebraucht.
Das 23. Capitel/
Von den Eigenſchafften des
Wolffes.
§. 1.
Einige wollen behaupten, daß kein
Wolff den andern anpacke; es be-
zeuget aber Taͤntzer in ſeinem Jagd-Bu-
che pag. 100. das Gegentheil, und fuͤhret
an, ſie haͤtten einſt auf einer Jagd in
Sachſen bey Pirna, ſo zwey Meilen von
Dreßden gelegen, zwey Woͤlffe gekreyſ-
ſet, und ſolche eingeſtellet; Hernach waͤ-
re ermeldter Taͤntzer ſelbſt mit einer Buͤch-
ſe ins Jagen gegangen, und habe einen
Wolff ſtehen ſehen, von dem er ſich ein-
gebildet, daß er ein Reh erhaſchet, haͤtte
ihn hierauf geſchoſſen, daß er alſobald nie-
dergefallen, und dabey liegen blieben. Als
er nahe herzu kommen, haͤtte ein halber
Wolff, oder Woͤlffin da gelegen, deſſen
hintere Helffte der geſchoſſene Wolff ſchon
gaͤntzlich verzehret hatte. Herr Taͤntzer
betheuret hoch, daß er die Urſache hiervon
nicht begreiffen koͤnnen, weil ſonſt um der
daſigen Gegend Wildpraͤth genung vor-
handen, es waͤren auch in dem damahli-
gen Jagen fuͤnff Rehe zugleich mit dem
Zeuge eingeſtellt geweſen. Es kan viel-
leicht ſeyn, daß die Woͤlffe in der Brunfft
ſich mit einander veruneiniget, oder daß
dieſer verzehrte Wolff ſchon von andern
angeſchoſſen geweſen, indem es bekandt,
daß die Woͤlffe keinen verwundeten Wolff
unter ſich leiden koͤnnen.
§. 2. Wann ein Menſch vom Wolff
uͤberfallen wird, ſo geſchiehet es unver-
merckter Weiſe, hinterwerts, oder von der
Seite, daß er ſich nicht wehren kan. Mit
einer brennenden Fackel, oder mit einer
Leuchte, kan man die Woͤlffe am beſten
von ſich abhalten, wie der Herr Lehmann
in ſeinem Schau-Platz der Ertzgebuͤrgi-
ſchen Merckwuͤrdigkeiten einige Hiſtorien
hiervon zu erzehlen weiß. Ergreifft der
Wolff einen Hund, ſo faßt er ihn in die
Gurgel, daß er kaum noch einen heiſchern
Schrey thun kan, vielweniger ſich durch
Beiſſen ſeiner erwehren. Haſchet der
Wolff einen Hammel, ſo faßt er ihn oben
uͤber den Halß, und wirfft ihn mit ver-
wendeter Gurgel, die Lufft zu beneh-
men, traͤgt ihn auf ſeinem Ruͤcken oder
Schultern ins Holtz. Die Pferde faͤllt er
von fornen zu an, denn wenn ſie hinten
ausſchluͤgen, koͤnten ſie ſich ſeiner erweh-
ren. Die Kuͤhe reiſſen ſie zu erſt in das
Euter, wo das zarteſte Theil ihres Leibes
iſt, daß ſie hernach auch fallen muͤſſen. Die
zahmen Schweine packen ſie bey den Oh-
ren an, und fuͤhren ſie ſo fort; wollen ſie
viel ſchreyen, ſo reiſſen ſie ſolchen nach der
Gurgel.
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/190>, abgerufen am 22.12.2024.
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