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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Vorbericht an den Leser
weil Theseus den Cretensischen Ochsen, der Marathonien geplaget, und das
Cromyonische Schwein gefället hatte, so preiset Ovidius in seiner Metamor-
phosi Lib. VII. v.
433. sein hierdurch erhaltenes Lob also:

Te, maxime Theseu,
Mirata est Marathon, Cretaei sanguine Tauri,
Quodque suum securus arat Cromyona colonus,
Munus opusque tuum est
,

zu geschweigen, daß man fast rechte Feldzüge wieder dergleichen wilden Thiere
ehemahls anstellen müssen, wie man so wohl aus der Historie des Calydoni-
schen Schweins, das Meleager durch Hülffe der vornehmsten Griechen erle-
get, als auch des grimmigen Wolffs, der die Heerden Pelei verwüstete, deut-
lich warnehmen kan, hiervon spricht Ovidius Metam. XI. 382. also:

Induere arma jubet, violentaque sumere tela
Rex iubet Oetaeus
, cum queis simul ipse parabat
Ire
.

Es gedencket aber nicht nur der fabelhafte Ovidius in seinen Verwandlun-
gen eines wieder ein wildes Schwein angestelten Feldzuges, sondern es führet
auch Valerius Maximus Lib. I. c. 7. ein fast gleiches Exempel aus dem Hero-
doto
an. Denn nachdem ein Schwein von ungemeiner Größe die Saaten
des in Mysien gelegenen Berges Olympi verwüstete, und dabey eine grosse
Menge Einwohner getödtet hatte, so sahe man sich endlich gezwungen, den
König Croesum um Hülffe anzuruffen, der auch seinen hierum anflehen-
den Sohn gestattet hat, wieder das Schwein mit einigen andern zu Felde zu
ziehen, im Kampf aber unglücklich gewesen und geblieben ist.

Es hat aber auch diese Ausrottung der wilden Thiere manchen alten
Völckern Gelegenheit gegeben, daß sie fast nichts anders als die Jägerey ge-
trieben, und bloß und allein von der Jagd gelebet haben. Herodotus Lib. VI.
meldet dieses von denen Thyßageten, einer sehr volckreichen Scythischen Na-
tion, wie auch von ihren Nachbarn denen Jyrcäern. Dieser ihre Jagd-Kunst
bestunde darinnen. Sie stiegen nemlich auf die in grosser Menge bey ihnen
sich befindlichen Bäume, und lauerten daselbst biß sie ein Stück Wild zu Ge-
sicht bekamen. Jeder hatte einen Hund und ein Pferd, so beyde auf den
Bauch zu liegen gewöhnet waren. Wenn nun einer auf dem Baum ein Stück
angeschossen hatte, so eilete er vom Baum, sprang auf sein Pferd, und verfolgte
es nebst seinem Hund an der Seite.

Die Gymniten, Völcker in Ethiopien, musten nach Diodori Siculi Be-
richt Lib. IV. Bibliothecae Hist. cap. 3. aus Furcht vor den wilden Thieren
gar auf den Bäumen schlaffen. Wenn aber die Morgenröthe anbrach, so
giengen sie bewaffnet zum Wasser, und versteckten sich in den Gesträuchen der
Bäume. Jn der grösten Hitze fanden sich gemeiniglich die wilden Ochsen,
Pardeln und andere wilde Thiere beym Wasser zusammen ein, um sowohl
ihren grossen Durst zu stillen, als auch sich in etwas zu erkühlen. Wann nun die
Thiere brav gesoffen hatten, so suchten sie dieselben mit Pfeilen zu fällen, ver-
theilten hernach die gefälleten unter sich, und aßen sie auf. Hatten sie kein
Wild mehr, so machten sie sich über die Häute und Felle, nahmen die Haare
ab, legten sie an ein mäßiges Feuer, und theilten sie unter sich, und aßen da-

von,

Vorbericht an den Leſer
weil Theſeus den Cretenſiſchen Ochſen, der Marathonien geplaget, und das
Cromyoniſche Schwein gefaͤllet hatte, ſo preiſet Ovidius in ſeiner Metamor-
phoſi Lib. VII. v.
433. ſein hierdurch erhaltenes Lob alſo:

Te, maxime Theſeu,
Mirata eſt Marathon, Cretæi ſanguine Tauri,
Quodque ſuum ſecurus arat Cromyona colonus,
Munus opusque tuum eſt
,

zu geſchweigen, daß man faſt rechte Feldzuͤge wieder dergleichen wilden Thiere
ehemahls anſtellen muͤſſen, wie man ſo wohl aus der Hiſtorie des Calydoni-
ſchen Schweins, das Meleager durch Huͤlffe der vornehmſten Griechen erle-
get, als auch des grimmigen Wolffs, der die Heerden Pelei verwuͤſtete, deut-
lich warnehmen kan, hiervon ſpricht Ovidius Metam. XI. 382. alſo:

Induere arma jubet, violentaque ſumere tela
Rex iubet Oetæus
, cum queis ſimul ipſe parabat
Ire
.

Es gedencket aber nicht nur der fabelhafte Ovidius in ſeinen Verwandlun-
gen eines wieder ein wildes Schwein angeſtelten Feldzuges, ſondern es fuͤhret
auch Valerius Maximus Lib. I. c. 7. ein faſt gleiches Exempel aus dem Hero-
doto
an. Denn nachdem ein Schwein von ungemeiner Groͤße die Saaten
des in Myſien gelegenen Berges Olympi verwuͤſtete, und dabey eine groſſe
Menge Einwohner getoͤdtet hatte, ſo ſahe man ſich endlich gezwungen, den
Koͤnig Croeſum um Huͤlffe anzuruffen, der auch ſeinen hierum anflehen-
den Sohn geſtattet hat, wieder das Schwein mit einigen andern zu Felde zu
ziehen, im Kampf aber ungluͤcklich geweſen und geblieben iſt.

Es hat aber auch dieſe Ausrottung der wilden Thiere manchen alten
Voͤlckern Gelegenheit gegeben, daß ſie faſt nichts anders als die Jaͤgerey ge-
trieben, und bloß und allein von der Jagd gelebet haben. Herodotus Lib. VI.
meldet dieſes von denen Thyßageten, einer ſehr volckreichen Scythiſchen Na-
tion, wie auch von ihren Nachbarn denen Jyrcaͤern. Dieſer ihre Jagd-Kunſt
beſtunde darinnen. Sie ſtiegen nemlich auf die in groſſer Menge bey ihnen
ſich befindlichen Baͤume, und lauerten daſelbſt biß ſie ein Stuͤck Wild zu Ge-
ſicht bekamen. Jeder hatte einen Hund und ein Pferd, ſo beyde auf den
Bauch zu liegen gewoͤhnet waren. Wenn nun einer auf dem Baum ein Stuͤck
angeſchoſſen hatte, ſo eilete er vom Baum, ſprang auf ſein Pferd, und verfolgte
es nebſt ſeinem Hund an der Seite.

Die Gymniten, Voͤlcker in Ethiopien, muſten nach Diodori Siculi Be-
richt Lib. IV. Bibliothecæ Hiſt. cap. 3. aus Furcht vor den wilden Thieren
gar auf den Baͤumen ſchlaffen. Wenn aber die Morgenroͤthe anbrach, ſo
giengen ſie bewaffnet zum Waſſer, und verſteckten ſich in den Geſtraͤuchen der
Baͤume. Jn der groͤſten Hitze fanden ſich gemeiniglich die wilden Ochſen,
Pardeln und andere wilde Thiere beym Waſſer zuſammen ein, um ſowohl
ihren groſſen Durſt zu ſtillen, als auch ſich in etwas zu erkuͤhlen. Wann nun die
Thiere brav geſoffen hatten, ſo ſuchten ſie dieſelben mit Pfeilen zu faͤllen, ver-
theilten hernach die gefaͤlleten unter ſich, und aßen ſie auf. Hatten ſie kein
Wild mehr, ſo machten ſie ſich uͤber die Haͤute und Felle, nahmen die Haare
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[4/0020] Vorbericht an den Leſer weil Theſeus den Cretenſiſchen Ochſen, der Marathonien geplaget, und das Cromyoniſche Schwein gefaͤllet hatte, ſo preiſet Ovidius in ſeiner Metamor- phoſi Lib. VII. v. 433. ſein hierdurch erhaltenes Lob alſo: Te, maxime Theſeu, Mirata eſt Marathon, Cretæi ſanguine Tauri, Quodque ſuum ſecurus arat Cromyona colonus, Munus opusque tuum eſt, zu geſchweigen, daß man faſt rechte Feldzuͤge wieder dergleichen wilden Thiere ehemahls anſtellen muͤſſen, wie man ſo wohl aus der Hiſtorie des Calydoni- ſchen Schweins, das Meleager durch Huͤlffe der vornehmſten Griechen erle- get, als auch des grimmigen Wolffs, der die Heerden Pelei verwuͤſtete, deut- lich warnehmen kan, hiervon ſpricht Ovidius Metam. XI. 382. alſo: Induere arma jubet, violentaque ſumere tela Rex iubet Oetæus, cum queis ſimul ipſe parabat Ire. Es gedencket aber nicht nur der fabelhafte Ovidius in ſeinen Verwandlun- gen eines wieder ein wildes Schwein angeſtelten Feldzuges, ſondern es fuͤhret auch Valerius Maximus Lib. I. c. 7. ein faſt gleiches Exempel aus dem Hero- doto an. Denn nachdem ein Schwein von ungemeiner Groͤße die Saaten des in Myſien gelegenen Berges Olympi verwuͤſtete, und dabey eine groſſe Menge Einwohner getoͤdtet hatte, ſo ſahe man ſich endlich gezwungen, den Koͤnig Croeſum um Huͤlffe anzuruffen, der auch ſeinen hierum anflehen- den Sohn geſtattet hat, wieder das Schwein mit einigen andern zu Felde zu ziehen, im Kampf aber ungluͤcklich geweſen und geblieben iſt. Es hat aber auch dieſe Ausrottung der wilden Thiere manchen alten Voͤlckern Gelegenheit gegeben, daß ſie faſt nichts anders als die Jaͤgerey ge- trieben, und bloß und allein von der Jagd gelebet haben. Herodotus Lib. VI. meldet dieſes von denen Thyßageten, einer ſehr volckreichen Scythiſchen Na- tion, wie auch von ihren Nachbarn denen Jyrcaͤern. Dieſer ihre Jagd-Kunſt beſtunde darinnen. Sie ſtiegen nemlich auf die in groſſer Menge bey ihnen ſich befindlichen Baͤume, und lauerten daſelbſt biß ſie ein Stuͤck Wild zu Ge- ſicht bekamen. Jeder hatte einen Hund und ein Pferd, ſo beyde auf den Bauch zu liegen gewoͤhnet waren. Wenn nun einer auf dem Baum ein Stuͤck angeſchoſſen hatte, ſo eilete er vom Baum, ſprang auf ſein Pferd, und verfolgte es nebſt ſeinem Hund an der Seite. Die Gymniten, Voͤlcker in Ethiopien, muſten nach Diodori Siculi Be- richt Lib. IV. Bibliothecæ Hiſt. cap. 3. aus Furcht vor den wilden Thieren gar auf den Baͤumen ſchlaffen. Wenn aber die Morgenroͤthe anbrach, ſo giengen ſie bewaffnet zum Waſſer, und verſteckten ſich in den Geſtraͤuchen der Baͤume. Jn der groͤſten Hitze fanden ſich gemeiniglich die wilden Ochſen, Pardeln und andere wilde Thiere beym Waſſer zuſammen ein, um ſowohl ihren groſſen Durſt zu ſtillen, als auch ſich in etwas zu erkuͤhlen. Wann nun die Thiere brav geſoffen hatten, ſo ſuchten ſie dieſelben mit Pfeilen zu faͤllen, ver- theilten hernach die gefaͤlleten unter ſich, und aßen ſie auf. Hatten ſie kein Wild mehr, ſo machten ſie ſich uͤber die Haͤute und Felle, nahmen die Haare ab, legten ſie an ein maͤßiges Feuer, und theilten ſie unter ſich, und aßen da- von,

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/20>, abgerufen am 22.12.2024.