Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.Von Beobachtung der Jagd- und Forst-Grentzen. [Spaltenumbruch]
Vor Alters haben die Leute grossen Fleißund Vorsorge mit den Grentzen und de- ren Vermarckung gehabt, so, daß sie auch solche mit ihrem bestimmten Maaß, wie sie ausgetheilet, und einem ieden zugeei- gnet und eingemarcket waren, in Mes- singene Tafeln zu verzeichnen pflegten, die sie sehr wohl verwahrten, damit, wenn etwan durch Länge der Zeit oder Ergiessung der Wasser die Grentzen un- richtig und verrückt worden, man aus denenselben die entstehenden Streitigkei- ten entscheiden, und einem iedweden sein gewisses Maaß zuschreiben konte. Es ist aber dieser Gebrauch bey den vielfäl- tig vorgegangenen Aenderungen der Herrschafften längst in Abgang kom- men. Heutiges Tages werden die Gü- ter und Marckungen mit dem Maaß und ihren Anstössern den Lager-Büchern und Fertigungs-Briefen einverleibet. Zu Zeiten werden auch sonderbare Verträ- ge darüber aufgerichtet, und in denen- selben die gesetzten Grentzen oder Marck- Steine, und Loch- oder Schnitz-Bäume ausführlich und umständlich beschrie- ben, daraus man bey vorfallenden Jr- rungen gemeiniglich eine Nachricht ha- den kan. §. 4. Ob gleich an Verwahrung §. 5. Sind nun die Grentzen bezogen, §. 6. Damit man den Unterschied man O o 2
Von Beobachtung der Jagd- und Forſt-Grentzen. [Spaltenumbruch]
Vor Alters haben die Leute groſſen Fleißund Vorſorge mit den Grentzen und de- ren Vermarckung gehabt, ſo, daß ſie auch ſolche mit ihrem beſtimmten Maaß, wie ſie ausgetheilet, und einem ieden zugeei- gnet und eingemarcket waren, in Meſ- ſingene Tafeln zu verzeichnen pflegten, die ſie ſehr wohl verwahrten, damit, wenn etwan durch Laͤnge der Zeit oder Ergieſſung der Waſſer die Grentzen un- richtig und verruͤckt worden, man aus denenſelben die entſtehenden Streitigkei- ten entſcheiden, und einem iedweden ſein gewiſſes Maaß zuſchreiben konte. Es iſt aber dieſer Gebrauch bey den vielfaͤl- tig vorgegangenen Aenderungen der Herrſchafften laͤngſt in Abgang kom- men. Heutiges Tages werden die Guͤ- ter und Marckungen mit dem Maaß und ihren Anſtoͤſſern den Lager-Buͤchern und Fertigungs-Briefen einverleibet. Zu Zeiten werden auch ſonderbare Vertraͤ- ge daruͤber aufgerichtet, und in denen- ſelben die geſetzten Grentzen oder Marck- Steine, und Loch- oder Schnitz-Baͤume ausfuͤhrlich und umſtaͤndlich beſchrie- ben, daraus man bey vorfallenden Jr- rungen gemeiniglich eine Nachricht ha- den kan. §. 4. Ob gleich an Verwahrung §. 5. Sind nun die Grentzen bezogen, §. 6. Damit man den Unterſchied man O o 2
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Heutiges Tages werden die Guͤ-<lb/> ter und Marckungen mit dem Maaß und<lb/> ihren Anſtoͤſſern den Lager-Buͤchern und<lb/> Fertigungs-Briefen einverleibet. 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Damit ſie aber de-<lb/> ſto weniger verruͤckt, auch, wenn einer o-<lb/> der mehr ausgeworffen worden, andere<lb/> in ihr rechtes Lager fuͤglich eingelaſſen<lb/> werden koͤnnen, und man ſonderlich noch<lb/> uͤber lange Zeit wiſſen moͤge, was die ge-<lb/> ſetzten Steine ausweiſen und unterſchei-<lb/> den, oder was ſie bedeuten, und warum<lb/> ſie geſetzt worden; ſo iſt in alle Wege<lb/> rathſam, daß man die Beſteinung, ſon-<lb/> derlich, wenn es Herrlichkeiten, Zwing<lb/> und Bau, Weyde-Gang, Trieb und<lb/> Tratt betreffen, ordentlich beſchreibe,<lb/> Jahr und Tag, auch die Partheyen, zwi-<lb/> ſchen denen die Verſteinung fuͤrgenom-<lb/> men, wohin die Steine, und wie weit ſie<lb/> von einander geſetzt, umſtaͤndlich verzeich-<lb/><cb/> net, und durch einen Berg-<hi rendition="#aq">Compas</hi> o-<lb/> der <hi rendition="#aq">Aſtrolabium</hi> fleißig <hi rendition="#aq">obſervir</hi>et wer-<lb/> den, in welchem Grad ſie auf einander<lb/> weiſen, oder um wie viel Grad ſie von ein-<lb/> ander ſtehen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 5.</head> <p>Sind nun die Grentzen bezogen,<lb/> ſo muͤſſen ſolche nach den alten im <hi rendition="#aq">Archiv</hi><lb/> befindlichen Urkunden, ſo man allezeit<lb/> dazu nimmt, beſichtiget, und die Urkun-<lb/> den, was bey gegenwaͤrtiger Beziehung<lb/> vorgegangen, eingetragen werden. 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Anderswo nennt<lb/> man ſie Land-Steine, Land-Grentzen,<lb/> und Land-Marcken, und wo man an<lb/> den Grentzen keine Steine ſetzet, ſondern<lb/> Graͤben aufwirfft, und dicke ſtarcke Hee-<lb/> ger ziehet, werden ſie Land-Wehren ge-<lb/> nennt. 2) Geleits-Steine, welche das<lb/> Geleite und die Obrigkeit bemercken. 3)<lb/> Freyhungs-Steine, die ſonderbaren<lb/> Freyheiten, deren man ſich in einem Ge-<lb/> zirck bedienet, anzuzeigen. 4) Forſt-<lb/> Steine, ſo die Forſtliche Obrigkeit, und<lb/> was derſelben anhaͤngig, bedeuten. 5)<lb/> Jagd-Steine, ſo das Jagen unterſchei-<lb/> den. 6) Marckungs-Steine, ſo einer<lb/> Stadt, oder Dorff, Zwing und Bann, ſo<lb/> <fw place="bottom" type="sig">O o 2</fw><fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [291/0437]
Von Beobachtung der Jagd- und Forſt-Grentzen.
Vor Alters haben die Leute groſſen Fleiß
und Vorſorge mit den Grentzen und de-
ren Vermarckung gehabt, ſo, daß ſie auch
ſolche mit ihrem beſtimmten Maaß, wie
ſie ausgetheilet, und einem ieden zugeei-
gnet und eingemarcket waren, in Meſ-
ſingene Tafeln zu verzeichnen pflegten,
die ſie ſehr wohl verwahrten, damit,
wenn etwan durch Laͤnge der Zeit oder
Ergieſſung der Waſſer die Grentzen un-
richtig und verruͤckt worden, man aus
denenſelben die entſtehenden Streitigkei-
ten entſcheiden, und einem iedweden ſein
gewiſſes Maaß zuſchreiben konte. Es
iſt aber dieſer Gebrauch bey den vielfaͤl-
tig vorgegangenen Aenderungen der
Herrſchafften laͤngſt in Abgang kom-
men. Heutiges Tages werden die Guͤ-
ter und Marckungen mit dem Maaß und
ihren Anſtoͤſſern den Lager-Buͤchern und
Fertigungs-Briefen einverleibet. Zu
Zeiten werden auch ſonderbare Vertraͤ-
ge daruͤber aufgerichtet, und in denen-
ſelben die geſetzten Grentzen oder Marck-
Steine, und Loch- oder Schnitz-Baͤume
ausfuͤhrlich und umſtaͤndlich beſchrie-
ben, daraus man bey vorfallenden Jr-
rungen gemeiniglich eine Nachricht ha-
den kan.
§. 4.Ob gleich an Verwahrung
der Grentzen gar hoch gelegen, ſo geſchicht
es doch bißweilen, daß die Marck-Stei-
ne aus Boßheit der Leute ausgeworf-
fen, veraͤndert und verlohren werden.
Sind ſie ſchon in den Lager-Buͤchern
und andern Monumentis aufgezeichnet,
ſo iſt es doch mißlich, daß man den alten
Ort des verlohrnen Steines gerade wie-
der antreffen kan, und einen neuen da-
vor an ſeine Stelle ſetzen, ſonderlich wenn
die Marck-Steine vor vielen Jahren in
Abgang kommen. Damit ſie aber de-
ſto weniger verruͤckt, auch, wenn einer o-
der mehr ausgeworffen worden, andere
in ihr rechtes Lager fuͤglich eingelaſſen
werden koͤnnen, und man ſonderlich noch
uͤber lange Zeit wiſſen moͤge, was die ge-
ſetzten Steine ausweiſen und unterſchei-
den, oder was ſie bedeuten, und warum
ſie geſetzt worden; ſo iſt in alle Wege
rathſam, daß man die Beſteinung, ſon-
derlich, wenn es Herrlichkeiten, Zwing
und Bau, Weyde-Gang, Trieb und
Tratt betreffen, ordentlich beſchreibe,
Jahr und Tag, auch die Partheyen, zwi-
ſchen denen die Verſteinung fuͤrgenom-
men, wohin die Steine, und wie weit ſie
von einander geſetzt, umſtaͤndlich verzeich-
net, und durch einen Berg-Compas o-
der Aſtrolabium fleißig obſerviret wer-
den, in welchem Grad ſie auf einander
weiſen, oder um wie viel Grad ſie von ein-
ander ſtehen.
§. 5.Sind nun die Grentzen bezogen,
ſo muͤſſen ſolche nach den alten im Archiv
befindlichen Urkunden, ſo man allezeit
dazu nimmt, beſichtiget, und die Urkun-
den, was bey gegenwaͤrtiger Beziehung
vorgegangen, eingetragen werden. Als
wenn z. E. in den Urkunden ein alter
Baum auf der Grentze marquiret, ſolcher
aber nunmehro durch den Wind umge-
ſchlagen worden, ſo wird ein anderer da-
neben ſtehender Baum bemercket, und in
den Urkunden notirt. Desgleichen, wenn
ein Grentz-Stein durch die Fuhr-Leute
umgefahren und entzwey geſchmiſſen, ſo,
daß man ihn entweder wieder einſetzen,
oder gar einen neuen dahin bringen muͤ-
ſte, ſo wird ſolches alles gleichfalls in den
Urkunden aufgeſetzt, als No. 1. von NN.
ausgezogen, allwo an dem Hauſe rechter
Hand des Ausganges ein Eck-Stein ſte-
het, mit No. 1. bezeichnet. No. 2. iſt rech-
ter Hand ein Baum bemercket worden,
mit drey Hieben. No. 3. Lincker Hand
ein Stein, mit dem Wappen von N. No.
4. rechter Hand ein alter groſſer Wald-
Stein mit einem † oben bemercket. End-
lich wird eine ordentliche Grentz-Be-
ſchreibung aufgeſetzt, in Duplo ausge-
fertiget, von iedem, wer dabey geweſen,
unterſchrieben, und einem ieden ein Exem-
plar ausgeſtellet.
§. 6.Damit man den Unterſchied
der Grentz-Steine wiſſen moͤge, ſo ſind
derſelben ungefehr zwoͤlfferley Arten, als:
1) Bann-Steine, welche Zwing und
Bann, oder die hohe Obrigkeit ſcheiden,
daher man ſie auch theils Orten Obrig-
keits-Steine nennet. Anderswo nennt
man ſie Land-Steine, Land-Grentzen,
und Land-Marcken, und wo man an
den Grentzen keine Steine ſetzet, ſondern
Graͤben aufwirfft, und dicke ſtarcke Hee-
ger ziehet, werden ſie Land-Wehren ge-
nennt. 2) Geleits-Steine, welche das
Geleite und die Obrigkeit bemercken. 3)
Freyhungs-Steine, die ſonderbaren
Freyheiten, deren man ſich in einem Ge-
zirck bedienet, anzuzeigen. 4) Forſt-
Steine, ſo die Forſtliche Obrigkeit, und
was derſelben anhaͤngig, bedeuten. 5)
Jagd-Steine, ſo das Jagen unterſchei-
den. 6) Marckungs-Steine, ſo einer
Stadt, oder Dorff, Zwing und Bann, ſo
man
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Zitationshilfe: | Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/437>, abgerufen am 17.06.2024. |