Der Unterscheid der Krebse bestehet in der Grösse, nach welcher einige groß, die andern mittelmäßig, die dritten klein sind; Die mittelmäßigen aber behalten den Preiß, indem das Fleisch der grossen hart, die kleinen aber allzu mühsam zu essen. Sie werden so wohl in Ströh- men und Bächen, als auch in Seen und Teichen gefangen. Es giebt deren allent- halben gar viel, und sonderlich im Chur- Creyße, in der Nieder-Laußitz, um die Gegenden der schwartzen Elster, inglei- chen der Spree. Die Bach-Krebse, als welche, wenn sie gesotten, schwartz-röth- licht aussehen, sind den Strohm-Krebsen vorzuziehen, welche licht-roth, oder roth- gelblicht scheinen.
§. 2.
Diejenigen Krebse, die dünne Häutgen haben, werden vor die delica- testen gehalten, die sich nur geschälet. Man hält davor, daß die Krebse dem Temperament nach kalt und feucht, und daher etwas hart zu verdauen seyn, wenn sie aber einen gesunden Magen antreffen, und wohl verdauet werden, geben sie star- cke Nahrung. Man glaubet, daß sie den Lungen- und Nierensüchtigen dienen, den schwachen Augen aber schaden. Hel- montius gedencket in seinem Tractat de Lythiasi c. 7. §. 33. daß eine natürliche Wi- derwärtigkeit zwischen den Krebsen und Schweinen sey, sagende: Jn der Marck Brandenburg ist der Krebs-Fang sehr groß, aber die Fuhrleute müssen des Nachts ihre Wagen bewachen, damit nicht etwan ein Schwein unter dem Wa- gen mit durchlauffe, denn wo sich das zu- trüge, würde man den andern Tag alle Krebse unter dem Wagen todt finden. Es führet der Herr Elsholtz in seinem Tisch- Buch p. 389. hierbey gar wohl an, daß er wegen dieser Antipathie bey den Fuhrleu- ten zwar öffters Nachfrage gethan, aber zur Antwort bekommen, daß vom blossen Durchlauffen eines Schweines so viel Schade nicht geschehen könte; iedoch, wenn die Schweine unter dem Wagen misteten, und selbiger Gestanck an die Krebse schlü- ge, so hätte man wahrgenommen, daß des Morgens zwar nicht alle, doch ein gut Theil mehr, als gewöhnlich, von den [Spaltenumbruch]
Krebsen in den Säcken, darinnen sie auf- behalten worden, gestorben.
§. 3.
Jn der Küche sind die Krebse auf allerhand Art sehr wohl zu gebrau- chen. Es werden die Schwäntze, wenn sie abgesotten, zu Suppen, zu allerhand Klößern, zu Pastetgen, und andern der- gleichen, wenn sie gehackt, und mit man- cherley Ingredientien, als Semmel, Eyern, Milch, u. s. w. versehen worden, gebrau- chet. Es ist bekandt, daß sie von dem Monat May an biß auf den September am besten und wohlschmackhafftesten sind. Einige mästen dieselben mit Milch, und Raam, und glauben, daß, wenn sie einige Tage vorher damit eingesprenget worden, sie völler und schmackhaffter davon wer- den sollen. Einige stehen in den Gedan- cken, daß sie zur Zeit des zunehmenden Mondens am völlesten wären, hingegen bey dem abnehmenden Mond wieder ab- zunehmen anfiengen; Es haben aber unterschiedene gelehrte Physici und er- fahrne Haußwirthe unserer Zeiten, die besondere Erfahrungen hierinnen ange- stellet, observiret, daß solches Vorgeben falsch sey.
§. 4.
Man hat wahrgenommen, daß die Krebse einen bessern Geschmack haben, wenn sie sich an solchen Ufern aufhalten, wo sehr viel Calmus zu wachsen pflegt, sie sollen besser schmecken, als die ordinai- ren, und auch gesünder seyn. S. Philipp. Jac. Sachß von Lenenheim in Miscella- neis Curiosorum Observ. 72. Es sind die Krebse unter den Fischen vor Raub- Thiere mit zu achten, doch müssen sie auch offters, wenn sie weiche Schaalen haben, der Fische Beute seyn; Sie greiffen offt einander selbst an, und die stärckern ma- chen sich über die schwächern. Wenn ein todt Aas in einen Strohm geworffen wird, so pflegen die Krebse Hauffen-wei- se hinein zu kriechen, so, daß manche, wenn sie gesehen, daß dergleichen todte Aeser mit Krebsen gantz angefüllet, hernach- mahls vor denselben ein sonderbar Grau- en und Eckel bekommen.
§. 5.
Man hält dafür, daß die Krebse des Nachts aus den Bächen und Wäs- sern austreten, und in dem Grase und am Ufer ihre Weyde suchen, auch Gril- len, Heuschrecken, und dergleichen fressen. Die Frösche und Schnecken sind ihre lieb- ste Speise. Das verwundersamste ist, daß, wenn ihnen eine Scheere abgezwickt, gebissen, oder abgebrochen wird, mit der Zeit wieder eine junge wächst. Sie gehen
so schnell
Des Fiſch-Buchs 38. Capitel/
[Spaltenumbruch]
Das 38. Capitel/ Von den Krebſen.
§. 1.
Der Unterſcheid der Krebſe beſtehet in der Groͤſſe, nach welcher einige groß, die andern mittelmaͤßig, die dritten klein ſind; Die mittelmaͤßigen aber behalten den Preiß, indem das Fleiſch der groſſen hart, die kleinen aber allzu muͤhſam zu eſſen. Sie werden ſo wohl in Stroͤh- men und Baͤchen, als auch in Seen und Teichen gefangen. Es giebt deren allent- halben gar viel, und ſonderlich im Chur- Creyße, in der Nieder-Laußitz, um die Gegenden der ſchwartzen Elſter, inglei- chen der Spree. Die Bach-Krebſe, als welche, wenn ſie geſotten, ſchwartz-roͤth- licht ausſehen, ſind den Strohm-Krebſen vorzuziehen, welche licht-roth, oder roth- gelblicht ſcheinen.
§. 2.
Diejenigen Krebſe, die duͤnne Haͤutgen haben, werden vor die delica- teſten gehalten, die ſich nur geſchaͤlet. Man haͤlt davor, daß die Krebſe dem Temperament nach kalt und feucht, und daher etwas hart zu verdauen ſeyn, wenn ſie aber einen geſunden Magen antreffen, und wohl verdauet werden, geben ſie ſtar- cke Nahrung. Man glaubet, daß ſie den Lungen- und Nierenſuͤchtigen dienen, den ſchwachen Augen aber ſchaden. Hel- montius gedencket in ſeinem Tractat de Lythiaſi c. 7. §. 33. daß eine natuͤrliche Wi- derwaͤrtigkeit zwiſchen den Krebſen und Schweinen ſey, ſagende: Jn der Marck Brandenburg iſt der Krebs-Fang ſehr groß, aber die Fuhrleute muͤſſen des Nachts ihre Wagen bewachen, damit nicht etwan ein Schwein unter dem Wa- gen mit durchlauffe, denn wo ſich das zu- truͤge, wuͤrde man den andern Tag alle Krebſe unter dem Wagen todt finden. Es fuͤhret der Herr Elsholtz in ſeinem Tiſch- Buch p. 389. hierbey gar wohl an, daß er wegen dieſer Antipathie bey den Fuhrleu- ten zwar oͤffters Nachfrage gethan, aber zur Antwort bekommen, daß vom bloſſen Durchlauffen eines Schweines ſo viel Schade nicht geſchehen koͤnte; iedoch, wenn die Schweine unter dem Wagen miſteten, und ſelbiger Geſtanck an die Krebſe ſchluͤ- ge, ſo haͤtte man wahrgenommen, daß des Morgens zwar nicht alle, doch ein gut Theil mehr, als gewoͤhnlich, von den [Spaltenumbruch]
Krebſen in den Saͤcken, darinnen ſie auf- behalten worden, geſtorben.
§. 3.
Jn der Kuͤche ſind die Krebſe auf allerhand Art ſehr wohl zu gebrau- chen. Es werden die Schwaͤntze, wenn ſie abgeſotten, zu Suppen, zu allerhand Kloͤßern, zu Paſtetgen, und andern der- gleichen, wenn ſie gehackt, und mit man- cherley Ingredientien, als Semmel, Eyern, Milch, u. ſ. w. verſehen worden, gebrau- chet. Es iſt bekandt, daß ſie von dem Monat May an biß auf den September am beſten und wohlſchmackhaffteſten ſind. Einige maͤſten dieſelben mit Milch, und Raam, und glauben, daß, wenn ſie einige Tage vorher damit eingeſprenget worden, ſie voͤller und ſchmackhaffter davon wer- den ſollen. Einige ſtehen in den Gedan- cken, daß ſie zur Zeit des zunehmenden Mondens am voͤlleſten waͤren, hingegen bey dem abnehmenden Mond wieder ab- zunehmen anfiengen; Es haben aber unterſchiedene gelehrte Phyſici und er- fahrne Haußwirthe unſerer Zeiten, die beſondere Erfahrungen hierinnen ange- ſtellet, obſerviret, daß ſolches Vorgeben falſch ſey.
§. 4.
Man hat wahrgenommen, daß die Krebſe einen beſſern Geſchmack haben, wenn ſie ſich an ſolchen Ufern aufhalten, wo ſehr viel Calmus zu wachſen pflegt, ſie ſollen beſſer ſchmecken, als die ordinai- ren, und auch geſuͤnder ſeyn. S. Philipp. Jac. Sachß von Lenenheim in Miſcella- neis Curioſorum Obſerv. 72. Es ſind die Krebſe unter den Fiſchen vor Raub- Thiere mit zu achten, doch muͤſſen ſie auch offters, wenn ſie weiche Schaalen haben, der Fiſche Beute ſeyn; Sie greiffen offt einander ſelbſt an, und die ſtaͤrckern ma- chen ſich uͤber die ſchwaͤchern. Wenn ein todt Aas in einen Strohm geworffen wird, ſo pflegen die Krebſe Hauffen-wei- ſe hinein zu kriechen, ſo, daß manche, wenn ſie geſehen, daß dergleichen todte Aeſer mit Krebſen gantz angefuͤllet, hernach- mahls vor denſelben ein ſonderbar Grau- en und Eckel bekommen.
§. 5.
Man haͤlt dafuͤr, daß die Krebſe des Nachts aus den Baͤchen und Waͤſ- ſern austreten, und in dem Graſe und am Ufer ihre Weyde ſuchen, auch Gril- len, Heuſchrecken, und dergleichen freſſen. Die Froͤſche und Schnecken ſind ihre lieb- ſte Speiſe. Das verwunderſamſte iſt, daß, wenn ihnen eine Scheere abgezwickt, gebiſſen, oder abgebrochen wird, mit der Zeit wieder eine junge waͤchſt. Sie gehen
ſo ſchnell
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[452/0620]
Des Fiſch-Buchs 38. Capitel/
Das 38. Capitel/
Von den Krebſen.
§. 1.
Der Unterſcheid der Krebſe beſtehet in
der Groͤſſe, nach welcher einige groß,
die andern mittelmaͤßig, die dritten klein
ſind; Die mittelmaͤßigen aber behalten
den Preiß, indem das Fleiſch der groſſen
hart, die kleinen aber allzu muͤhſam zu
eſſen. Sie werden ſo wohl in Stroͤh-
men und Baͤchen, als auch in Seen und
Teichen gefangen. Es giebt deren allent-
halben gar viel, und ſonderlich im Chur-
Creyße, in der Nieder-Laußitz, um die
Gegenden der ſchwartzen Elſter, inglei-
chen der Spree. Die Bach-Krebſe, als
welche, wenn ſie geſotten, ſchwartz-roͤth-
licht ausſehen, ſind den Strohm-Krebſen
vorzuziehen, welche licht-roth, oder roth-
gelblicht ſcheinen.
§. 2. Diejenigen Krebſe, die duͤnne
Haͤutgen haben, werden vor die delica-
teſten gehalten, die ſich nur geſchaͤlet.
Man haͤlt davor, daß die Krebſe dem
Temperament nach kalt und feucht, und
daher etwas hart zu verdauen ſeyn, wenn
ſie aber einen geſunden Magen antreffen,
und wohl verdauet werden, geben ſie ſtar-
cke Nahrung. Man glaubet, daß ſie den
Lungen- und Nierenſuͤchtigen dienen,
den ſchwachen Augen aber ſchaden. Hel-
montius gedencket in ſeinem Tractat de
Lythiaſi c. 7. §. 33. daß eine natuͤrliche Wi-
derwaͤrtigkeit zwiſchen den Krebſen und
Schweinen ſey, ſagende: Jn der Marck
Brandenburg iſt der Krebs-Fang ſehr
groß, aber die Fuhrleute muͤſſen des
Nachts ihre Wagen bewachen, damit
nicht etwan ein Schwein unter dem Wa-
gen mit durchlauffe, denn wo ſich das zu-
truͤge, wuͤrde man den andern Tag alle
Krebſe unter dem Wagen todt finden. Es
fuͤhret der Herr Elsholtz in ſeinem Tiſch-
Buch p. 389. hierbey gar wohl an, daß er
wegen dieſer Antipathie bey den Fuhrleu-
ten zwar oͤffters Nachfrage gethan, aber
zur Antwort bekommen, daß vom bloſſen
Durchlauffen eines Schweines ſo viel
Schade nicht geſchehen koͤnte; iedoch, wenn
die Schweine unter dem Wagen miſteten,
und ſelbiger Geſtanck an die Krebſe ſchluͤ-
ge, ſo haͤtte man wahrgenommen, daß des
Morgens zwar nicht alle, doch ein gut
Theil mehr, als gewoͤhnlich, von den
Krebſen in den Saͤcken, darinnen ſie auf-
behalten worden, geſtorben.
§. 3. Jn der Kuͤche ſind die Krebſe
auf allerhand Art ſehr wohl zu gebrau-
chen. Es werden die Schwaͤntze, wenn
ſie abgeſotten, zu Suppen, zu allerhand
Kloͤßern, zu Paſtetgen, und andern der-
gleichen, wenn ſie gehackt, und mit man-
cherley Ingredientien, als Semmel, Eyern,
Milch, u. ſ. w. verſehen worden, gebrau-
chet. Es iſt bekandt, daß ſie von dem
Monat May an biß auf den September
am beſten und wohlſchmackhaffteſten ſind.
Einige maͤſten dieſelben mit Milch, und
Raam, und glauben, daß, wenn ſie einige
Tage vorher damit eingeſprenget worden,
ſie voͤller und ſchmackhaffter davon wer-
den ſollen. Einige ſtehen in den Gedan-
cken, daß ſie zur Zeit des zunehmenden
Mondens am voͤlleſten waͤren, hingegen
bey dem abnehmenden Mond wieder ab-
zunehmen anfiengen; Es haben aber
unterſchiedene gelehrte Phyſici und er-
fahrne Haußwirthe unſerer Zeiten, die
beſondere Erfahrungen hierinnen ange-
ſtellet, obſerviret, daß ſolches Vorgeben
falſch ſey.
§. 4. Man hat wahrgenommen, daß
die Krebſe einen beſſern Geſchmack haben,
wenn ſie ſich an ſolchen Ufern aufhalten,
wo ſehr viel Calmus zu wachſen pflegt,
ſie ſollen beſſer ſchmecken, als die ordinai-
ren, und auch geſuͤnder ſeyn. S. Philipp.
Jac. Sachß von Lenenheim in Miſcella-
neis Curioſorum Obſerv. 72. Es ſind
die Krebſe unter den Fiſchen vor Raub-
Thiere mit zu achten, doch muͤſſen ſie auch
offters, wenn ſie weiche Schaalen haben,
der Fiſche Beute ſeyn; Sie greiffen offt
einander ſelbſt an, und die ſtaͤrckern ma-
chen ſich uͤber die ſchwaͤchern. Wenn ein
todt Aas in einen Strohm geworffen
wird, ſo pflegen die Krebſe Hauffen-wei-
ſe hinein zu kriechen, ſo, daß manche, wenn
ſie geſehen, daß dergleichen todte Aeſer
mit Krebſen gantz angefuͤllet, hernach-
mahls vor denſelben ein ſonderbar Grau-
en und Eckel bekommen.
§. 5. Man haͤlt dafuͤr, daß die Krebſe
des Nachts aus den Baͤchen und Waͤſ-
ſern austreten, und in dem Graſe und
am Ufer ihre Weyde ſuchen, auch Gril-
len, Heuſchrecken, und dergleichen freſſen.
Die Froͤſche und Schnecken ſind ihre lieb-
ſte Speiſe. Das verwunderſamſte iſt,
daß, wenn ihnen eine Scheere abgezwickt,
gebiſſen, oder abgebrochen wird, mit der
Zeit wieder eine junge waͤchſt. Sie gehen
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/620>, abgerufen am 22.12.2024.
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