[Spaltenumbruch]
ist gewiß mancher ein Räuber geworden, der es sich vorhero nimmermehr hätte eingebildet gehabt.
§. 4.
Die meisten Raub-Nester sind auf hohen Bergen und Felsen gebauet, nahe bey den Wäldern, und nicht weit entweder von den Ströhmen, oder von den Land-Strassen, damit sie die Passage der Vorbeyreisenden desto besser in Au- genschein nehmen mögten, und ihnen bey dieser Gelegenheit auf den Dienst lauren. Sie hatten mit andern Räubern auf an- dern Schlössern durch gewisse unterirrdi- sche Gänge ihre Communication, damit sie einander von demjenigen, was zu ih- rem gemeinschafftlichen Interesse gehörte, benachrichtigen konten, und findet man noch an unterschiedenen solchen alten Schlössern die Gänge unter der Erden. So waren auch sehr tieffe und wohlver- wahrte Keller, darinnen sie nicht allein die armen Leute jämmerlich erdrosselten, son- dern auch das geraubte Gut verwahrlich behielten. Die grosse Menge der ehmah- ligen Raub-Nester ist daraus abzuneh- men, weil der Autor der neuesten Beschrei- bung des Fichtel-Berges anführet, daß deren allein 12. um Wohnsiedel gewesen, davon das vornehmste Rudolph-Stein geheissen. Auf dem Thurme dieses Schlos- ses wäre allezeit, wenn es etwas gegeben, eine weisse Fahne ausgesteckt worden, darauf wären die andern aus den übri- gen eilff Raub-Schlössern ausgefallen, und hätten diesen beygestanden, und im Rauben die Causam communem mit je- nen gemacht.
§. 5.
Ob nun gleich Käyser Rudol- phus Habspurgicus allbereits anfieng, die- se Raub-Nester zu demoliren und zu zer- stöhren, so konte er doch nichts rechts aus- richten, sondern es daureten dieselben, son- derlich in Ober-Sachsen, wegen der ietzt angeführten Ursachen, biß in das sech- zehende Seculum hinein. Nachdem nun zu Eingange des sechzehenden Seculi das Licht des heiligen Evangelii die Grentzen Teutschlandes zu erleuchten anfieng, so ereignete sich so wohl im Kirchen-We- sen, als in dem Politischen Zustande, eine gewaltige Veränderung. Die Leute wur- den civilisirter, und legten das vormahli- ge rohe und barbarische Wesen grösten Theils ab, die Policey ward auf bessern Fuß gesetzt, als sie erstlich war, die Län- der wurden friedlicher und ruhiger, es erfolgten in Kirchen-Sachen und im Weltlichen manche heylsame Gesetze und [Spaltenumbruch]
Verordnungen; Die Landes-Herrschaff- ten fiengen an sich mehr um das Heyl ih- rer Unterthanen zu bekümmern; Denn in den ersteren Zeiten waren viele, ja mögt ich fast sagen, die meisten von den hohen Standes-Personen der Römischen Käy- ser ihre Beamten, ihre Gouverneurs, ih- re Richter, oder wie ich sie weiter nennen soll, und die Länder und die Unterthanen waren nicht ihnen eigenthümlich. Die allgemeine Wohlfarth Teutschlandes er- forderte eine innerliche Ruhe, also nah- men sich die hohe Landes-Obrigkeiten mit aller Gewalt vor, diesen Räubern das Gar-aus zu machen, und ihnen ihr Raub- Handwerck zu legen. Daher griffen sie das Werck mit zusammengesetzten Kräff- ten und mit gemeinschafftlichen Consiliis an; Einige Raub-Schlösser wurden mit List weggenommen, ehe sie sichs versa- hen; andere wurden ausgehungert, und bloquirt gehalten, weil man denselben nicht anders beykommen konte; die mei- sten aber mit stürmender Hand erobert. Es haben einige Räuber in diesen Schlös- sern desperate Gegenwehr gethan, wie aus der Historie zu ersehen, und hat es bey manchen viel Zeit und Volck gekostet, ehe man dieselben unter das Joch bringen, und vertilgen können. Wo nun eine de- sperate Gegenwehr gethan wurde, so wurden dieselben Schlösser hernach gantz und gar geschleifft und ruiniret, damit in Zukunfft solch böse Raub-Gesindel keine Gelegenheit finden mögte, sich weiter da- selbst aufzuhalten, und sein vorig Metier auszuüben.
§. 6.
Jn dem Churfürstenthum Sachsen waren unter andern solche Raub-Schlösser in Liebenwerde, in Doh- na, in Tharand, ingleichen in Wehlen, so an der Elbe gelegen, nicht weit von der Ve- stung Königstein, mitten zwischen den Fel- sen, welches fast von lauter natürlichen Steinen und Felsen aufgeführet worden. Ohnweit von dem Raub-Schloß Weh- len war noch ein anders bey Rathen, eben- falls in den Felsen gebauet, und werden noch heutiges Tages die Rudera von der Brücke, so über die Felsen von Wehlen biß Rathen gegangen, gezeiget, so, daß man auch noch an dem einen Felsen, wo der Thor-Weg hineingangen, erkennen mag, wie die Axen der Räder zu beyden Seiten wegen der Enge des Weges biß- weilen angestrichen. Manche sind in ih- ren Ruderibus und Ruinen liegen blieben, und ist kein Zweifel, daß manche hätten
zu
F 2
Von den Raub-Schloͤſſern.
[Spaltenumbruch]
iſt gewiß mancher ein Raͤuber geworden, der es ſich vorhero nimmermehr haͤtte eingebildet gehabt.
§. 4.
Die meiſten Raub-Neſter ſind auf hohen Bergen und Felſen gebauet, nahe bey den Waͤldern, und nicht weit entweder von den Stroͤhmen, oder von den Land-Straſſen, damit ſie die Paſſage der Vorbeyreiſenden deſto beſſer in Au- genſchein nehmen moͤgten, und ihnen bey dieſer Gelegenheit auf den Dienſt lauren. Sie hatten mit andern Raͤubern auf an- dern Schloͤſſern durch gewiſſe unterirrdi- ſche Gaͤnge ihre Communication, damit ſie einander von demjenigen, was zu ih- rem gemeinſchafftlichen Intereſſe gehoͤrte, benachrichtigen konten, und findet man noch an unterſchiedenen ſolchen alten Schloͤſſern die Gaͤnge unter der Erden. So waren auch ſehr tieffe und wohlver- wahrte Keller, darinnen ſie nicht allein die armen Leute jaͤmmerlich erdroſſelten, ſon- dern auch das geraubte Gut verwahrlich behielten. Die groſſe Menge der ehmah- ligen Raub-Neſter iſt daraus abzuneh- men, weil der Autor der neueſten Beſchrei- bung des Fichtel-Berges anfuͤhret, daß deren allein 12. um Wohnſiedel geweſen, davon das vornehmſte Rudolph-Stein geheiſſen. Auf dem Thurme dieſes Schloſ- ſes waͤre allezeit, wenn es etwas gegeben, eine weiſſe Fahne ausgeſteckt worden, darauf waͤren die andern aus den uͤbri- gen eilff Raub-Schloͤſſern ausgefallen, und haͤtten dieſen beygeſtanden, und im Rauben die Cauſam communem mit je- nen gemacht.
§. 5.
Ob nun gleich Kaͤyſer Rudol- phus Habspurgicus allbereits anfieng, die- ſe Raub-Neſter zu demoliren und zu zer- ſtoͤhren, ſo konte er doch nichts rechts aus- richten, ſondern es daureten dieſelben, ſon- derlich in Ober-Sachſen, wegen der ietzt angefuͤhrten Urſachen, biß in das ſech- zehende Seculum hinein. Nachdem nun zu Eingange des ſechzehenden Seculi das Licht des heiligen Evangelii die Grentzen Teutſchlandes zu erleuchten anfieng, ſo ereignete ſich ſo wohl im Kirchen-We- ſen, als in dem Politiſchen Zuſtande, eine gewaltige Veraͤnderung. Die Leute wur- den civiliſirter, und legten das vormahli- ge rohe und barbariſche Weſen groͤſten Theils ab, die Policey ward auf beſſern Fuß geſetzt, als ſie erſtlich war, die Laͤn- der wurden friedlicher und ruhiger, es erfolgten in Kirchen-Sachen und im Weltlichen manche heylſame Geſetze und [Spaltenumbruch]
Verordnungen; Die Landes-Herrſchaff- ten fiengen an ſich mehr um das Heyl ih- rer Unterthanen zu bekuͤmmern; Denn in den erſteren Zeiten waren viele, ja moͤgt ich faſt ſagen, die meiſten von den hohen Standes-Perſonen der Roͤmiſchen Kaͤy- ſer ihre Beamten, ihre Gouverneurs, ih- re Richter, oder wie ich ſie weiter nennen ſoll, und die Laͤnder und die Unterthanen waren nicht ihnen eigenthuͤmlich. Die allgemeine Wohlfarth Teutſchlandes er- forderte eine innerliche Ruhe, alſo nah- men ſich die hohe Landes-Obrigkeiten mit aller Gewalt vor, dieſen Raͤubern das Gar-aus zu machen, und ihnen ihr Raub- Handwerck zu legen. Daher griffen ſie das Werck mit zuſammengeſetzten Kraͤff- ten und mit gemeinſchafftlichen Conſiliis an; Einige Raub-Schloͤſſer wurden mit Liſt weggenommen, ehe ſie ſichs verſa- hen; andere wurden ausgehungert, und bloquirt gehalten, weil man denſelben nicht anders beykommen konte; die mei- ſten aber mit ſtuͤrmender Hand erobert. Es haben einige Raͤuber in dieſen Schloͤſ- ſern deſperate Gegenwehr gethan, wie aus der Hiſtorie zu erſehen, und hat es bey manchen viel Zeit und Volck gekoſtet, ehe man dieſelben unter das Joch bringen, und vertilgen koͤnnen. Wo nun eine de- ſperate Gegenwehr gethan wurde, ſo wurden dieſelben Schloͤſſer hernach gantz und gar geſchleifft und ruiniret, damit in Zukunfft ſolch boͤſe Raub-Geſindel keine Gelegenheit finden moͤgte, ſich weiter da- ſelbſt aufzuhalten, und ſein vorig Metier auszuuͤben.
§. 6.
Jn dem Churfuͤrſtenthum Sachſen waren unter andern ſolche Raub-Schloͤſſer in Liebenwerde, in Doh- na, in Tharand, ingleichen in Wehlen, ſo an der Elbe gelegen, nicht weit von der Ve- ſtung Koͤnigſtein, mitten zwiſchen den Fel- ſen, welches faſt von lauter natuͤrlichen Steinen und Felſen aufgefuͤhret worden. Ohnweit von dem Raub-Schloß Weh- len war noch ein anders bey Rathen, eben- falls in den Felſen gebauet, und werden noch heutiges Tages die Rudera von der Bruͤcke, ſo uͤber die Felſen von Wehlen biß Rathen gegangen, gezeiget, ſo, daß man auch noch an dem einen Felſen, wo der Thor-Weg hineingangen, erkennen mag, wie die Axen der Raͤder zu beyden Seiten wegen der Enge des Weges biß- weilen angeſtrichen. Manche ſind in ih- ren Ruderibus und Ruinen liegen blieben, und iſt kein Zweifel, daß manche haͤtten
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Von den Raub-Schloͤſſern.
iſt gewiß mancher ein Raͤuber geworden,
der es ſich vorhero nimmermehr haͤtte
eingebildet gehabt.
§. 4. Die meiſten Raub-Neſter ſind
auf hohen Bergen und Felſen gebauet,
nahe bey den Waͤldern, und nicht weit
entweder von den Stroͤhmen, oder von
den Land-Straſſen, damit ſie die Paſſage
der Vorbeyreiſenden deſto beſſer in Au-
genſchein nehmen moͤgten, und ihnen bey
dieſer Gelegenheit auf den Dienſt lauren.
Sie hatten mit andern Raͤubern auf an-
dern Schloͤſſern durch gewiſſe unterirrdi-
ſche Gaͤnge ihre Communication, damit
ſie einander von demjenigen, was zu ih-
rem gemeinſchafftlichen Intereſſe gehoͤrte,
benachrichtigen konten, und findet man
noch an unterſchiedenen ſolchen alten
Schloͤſſern die Gaͤnge unter der Erden.
So waren auch ſehr tieffe und wohlver-
wahrte Keller, darinnen ſie nicht allein die
armen Leute jaͤmmerlich erdroſſelten, ſon-
dern auch das geraubte Gut verwahrlich
behielten. Die groſſe Menge der ehmah-
ligen Raub-Neſter iſt daraus abzuneh-
men, weil der Autor der neueſten Beſchrei-
bung des Fichtel-Berges anfuͤhret, daß
deren allein 12. um Wohnſiedel geweſen,
davon das vornehmſte Rudolph-Stein
geheiſſen. Auf dem Thurme dieſes Schloſ-
ſes waͤre allezeit, wenn es etwas gegeben,
eine weiſſe Fahne ausgeſteckt worden,
darauf waͤren die andern aus den uͤbri-
gen eilff Raub-Schloͤſſern ausgefallen,
und haͤtten dieſen beygeſtanden, und im
Rauben die Cauſam communem mit je-
nen gemacht.
§. 5. Ob nun gleich Kaͤyſer Rudol-
phus Habspurgicus allbereits anfieng, die-
ſe Raub-Neſter zu demoliren und zu zer-
ſtoͤhren, ſo konte er doch nichts rechts aus-
richten, ſondern es daureten dieſelben, ſon-
derlich in Ober-Sachſen, wegen der ietzt
angefuͤhrten Urſachen, biß in das ſech-
zehende Seculum hinein. Nachdem nun
zu Eingange des ſechzehenden Seculi das
Licht des heiligen Evangelii die Grentzen
Teutſchlandes zu erleuchten anfieng, ſo
ereignete ſich ſo wohl im Kirchen-We-
ſen, als in dem Politiſchen Zuſtande, eine
gewaltige Veraͤnderung. Die Leute wur-
den civiliſirter, und legten das vormahli-
ge rohe und barbariſche Weſen groͤſten
Theils ab, die Policey ward auf beſſern
Fuß geſetzt, als ſie erſtlich war, die Laͤn-
der wurden friedlicher und ruhiger, es
erfolgten in Kirchen-Sachen und im
Weltlichen manche heylſame Geſetze und
Verordnungen; Die Landes-Herrſchaff-
ten fiengen an ſich mehr um das Heyl ih-
rer Unterthanen zu bekuͤmmern; Denn
in den erſteren Zeiten waren viele, ja moͤgt
ich faſt ſagen, die meiſten von den hohen
Standes-Perſonen der Roͤmiſchen Kaͤy-
ſer ihre Beamten, ihre Gouverneurs, ih-
re Richter, oder wie ich ſie weiter nennen
ſoll, und die Laͤnder und die Unterthanen
waren nicht ihnen eigenthuͤmlich. Die
allgemeine Wohlfarth Teutſchlandes er-
forderte eine innerliche Ruhe, alſo nah-
men ſich die hohe Landes-Obrigkeiten mit
aller Gewalt vor, dieſen Raͤubern das
Gar-aus zu machen, und ihnen ihr Raub-
Handwerck zu legen. Daher griffen ſie
das Werck mit zuſammengeſetzten Kraͤff-
ten und mit gemeinſchafftlichen Conſiliis
an; Einige Raub-Schloͤſſer wurden mit
Liſt weggenommen, ehe ſie ſichs verſa-
hen; andere wurden ausgehungert, und
bloquirt gehalten, weil man denſelben
nicht anders beykommen konte; die mei-
ſten aber mit ſtuͤrmender Hand erobert.
Es haben einige Raͤuber in dieſen Schloͤſ-
ſern deſperate Gegenwehr gethan, wie
aus der Hiſtorie zu erſehen, und hat es
bey manchen viel Zeit und Volck gekoſtet,
ehe man dieſelben unter das Joch bringen,
und vertilgen koͤnnen. Wo nun eine de-
ſperate Gegenwehr gethan wurde, ſo
wurden dieſelben Schloͤſſer hernach gantz
und gar geſchleifft und ruiniret, damit in
Zukunfft ſolch boͤſe Raub-Geſindel keine
Gelegenheit finden moͤgte, ſich weiter da-
ſelbſt aufzuhalten, und ſein vorig Metier
auszuuͤben.
§. 6. Jn dem Churfuͤrſtenthum
Sachſen waren unter andern ſolche
Raub-Schloͤſſer in Liebenwerde, in Doh-
na, in Tharand, ingleichen in Wehlen, ſo
an der Elbe gelegen, nicht weit von der Ve-
ſtung Koͤnigſtein, mitten zwiſchen den Fel-
ſen, welches faſt von lauter natuͤrlichen
Steinen und Felſen aufgefuͤhret worden.
Ohnweit von dem Raub-Schloß Weh-
len war noch ein anders bey Rathen, eben-
falls in den Felſen gebauet, und werden
noch heutiges Tages die Rudera von der
Bruͤcke, ſo uͤber die Felſen von Wehlen
biß Rathen gegangen, gezeiget, ſo, daß
man auch noch an dem einen Felſen, wo
der Thor-Weg hineingangen, erkennen
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Seiten wegen der Enge des Weges biß-
weilen angeſtrichen. Manche ſind in ih-
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und iſt kein Zweifel, daß manche haͤtten
zu
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/99>, abgerufen am 22.12.2024.
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