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Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642].

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Poetischer Wälder
Ein reicher Uberschuß. Den Hyazinth/ den frommen/
der Gärten frühe Zier/ hab' ich so ümm sehn kommen/
sein blaues Haupt hengt ab/ wenn etwan ihm der Nord
mit Sturme zugeweht ein scharffes Morgen-wort/
darvon er gantz erstarrt. Du wirst/ du schöner Knabe/
im Lentzen deiner Zeit geführt zu deinem Grabe.
Gerissen wirstu hin. O unversehne Noth!
Soll denn das frische Kind zugleich seyn starck und todt?
Sind Todt und Leben eins? Wen schmertzt des Sohnes
Sterben
mehr als die Mutter selbst? Ach soll sie ihren Erben
so sehen tragen hin? Gleich so that' Hecuba/
Als sie ihr letztes Kind zum Opffer führen sah'/
und weinte mehr als das. Jn gleicher Angst und Peine
stund Niobe/ und ward gemählich zu dem Steine/
der noch so heist/ wie Sie. Die Angst tritt häuffig auß/
und bricht für heisser Noth zu Mund' und Augen rauß.
Sie denckt der ersten Zeit/ da sie das liebe Hertze
sah ümm sich springen her mit lauter Lust und Schertze.
Jtzt bildet sie ihr ab die liebliche Gestalt;
Der frischen Augen Schein/ der Tugend Auffenthalt/
Der weisen Sinnen Zier/ mit der er noch ein Knabe
viel Männer übertraff. Sein kluges Wesen gabe
was grosses zu verstehn. Das ewige Latein
war ihm fast mit der Milch der Mutter gangen ein.
Da war gemeines nichts. Der fromme Jüngling lachte/
wenn man an ein srembd Land und reisen ihm gedachte/
darzu er schon war reiff. Sein auffgeweckter Sinn/
der stund von wiegen an schon allbereit dahinn/
Wo mehr von Künsten ist. Wo man gepreiste Sitten
und Höfligkeit hoolt her. Er lieff mit vollen Schritten
auff die Vollkommenheit/ er sparte keinen Fleiß/
kein Winter war zu kalt/ kein Sommer-Tag zu heiß/
Er war ihm allzeit gleich. Versuchte was er kunte
vor Jahren alt zu seyn. Jtzt da er nun beguntte
Zu
Poetiſcher Waͤlder
Ein reicher Uberſchuß. Den Hyazinth/ den frommen/
der Gaͤrten fruͤhe Zier/ hab’ ich ſo uͤmm ſehn kommen/
ſein blaues Haupt hengt ab/ wenn etwan ihm der Nord
mit Sturme zugeweht ein ſcharffes Morgen-wort/
darvon er gantz erſtarrt. Du wirſt/ du ſchoͤner Knabe/
im Lentzen deiner Zeit gefuͤhrt zu deinem Grabe.
Geriſſen wirſtu hin. O unverſehne Noth!
Soll denn das friſche Kind zugleich ſeyn ſtarck und todt?
Sind Todt und Leben eins? Wen ſchmertzt des Sohnes
Sterben
mehr als die Mutter ſelbſt? Ach ſoll ſie ihren Erben
ſo ſehen tragen hin? Gleich ſo that’ Hecuba/
Als ſie ihr letztes Kind zum Opffer fuͤhren ſah’/
und weinte mehr als das. Jn gleicher Angſt und Peine
ſtund Niobe/ und ward gemaͤhlich zu dem Steine/
der noch ſo heiſt/ wie Sie. Die Angſt tritt haͤuffig auß/
und bricht fuͤr heiſſer Noth zu Mund’ und Augen rauß.
Sie denckt der erſten Zeit/ da ſie das liebe Hertze
ſah uͤmm ſich ſpringen her mit lauter Luſt und Schertze.
Jtzt bildet ſie ihr ab die liebliche Geſtalt;
Der friſchen Augen Schein/ der Tugend Auffenthalt/
Der weiſen Sinnen Zier/ mit der er noch ein Knabe
viel Maͤnner uͤbertraff. Sein kluges Weſen gabe
was groſſes zu verſtehn. Das ewige Latein
war ihm faſt mit der Milch der Mutter gangen ein.
Da war gemeines nichts. Der fromme Juͤngling lachte/
wenn man an ein ſrembd Land und reiſen ihm gedachte/
darzu er ſchon war reiff. Sein auffgeweckter Sinn/
der ſtund von wiegen an ſchon allbereit dahinn/
Wo mehr von Kuͤnſten iſt. Wo man gepreiſte Sitten
und Hoͤfligkeit hoolt her. Er lieff mit vollen Schritten
auff die Vollkommenheit/ er ſparte keinen Fleiß/
kein Winter war zu kalt/ kein Sommer-Tag zu heiß/
Er war ihm allzeit gleich. Verſuchte was er kunte
vor Jahren alt zu ſeyn. Jtzt da er nun beguntte
Zu
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[136/0156] Poetiſcher Waͤlder Ein reicher Uberſchuß. Den Hyazinth/ den frommen/ der Gaͤrten fruͤhe Zier/ hab’ ich ſo uͤmm ſehn kommen/ ſein blaues Haupt hengt ab/ wenn etwan ihm der Nord mit Sturme zugeweht ein ſcharffes Morgen-wort/ darvon er gantz erſtarrt. Du wirſt/ du ſchoͤner Knabe/ im Lentzen deiner Zeit gefuͤhrt zu deinem Grabe. Geriſſen wirſtu hin. O unverſehne Noth! Soll denn das friſche Kind zugleich ſeyn ſtarck und todt? Sind Todt und Leben eins? Wen ſchmertzt des Sohnes Sterben mehr als die Mutter ſelbſt? Ach ſoll ſie ihren Erben ſo ſehen tragen hin? Gleich ſo that’ Hecuba/ Als ſie ihr letztes Kind zum Opffer fuͤhren ſah’/ und weinte mehr als das. Jn gleicher Angſt und Peine ſtund Niobe/ und ward gemaͤhlich zu dem Steine/ der noch ſo heiſt/ wie Sie. Die Angſt tritt haͤuffig auß/ und bricht fuͤr heiſſer Noth zu Mund’ und Augen rauß. Sie denckt der erſten Zeit/ da ſie das liebe Hertze ſah uͤmm ſich ſpringen her mit lauter Luſt und Schertze. Jtzt bildet ſie ihr ab die liebliche Geſtalt; Der friſchen Augen Schein/ der Tugend Auffenthalt/ Der weiſen Sinnen Zier/ mit der er noch ein Knabe viel Maͤnner uͤbertraff. Sein kluges Weſen gabe was groſſes zu verſtehn. Das ewige Latein war ihm faſt mit der Milch der Mutter gangen ein. Da war gemeines nichts. Der fromme Juͤngling lachte/ wenn man an ein ſrembd Land und reiſen ihm gedachte/ darzu er ſchon war reiff. Sein auffgeweckter Sinn/ der ſtund von wiegen an ſchon allbereit dahinn/ Wo mehr von Kuͤnſten iſt. Wo man gepreiſte Sitten und Hoͤfligkeit hoolt her. Er lieff mit vollen Schritten auff die Vollkommenheit/ er ſparte keinen Fleiß/ kein Winter war zu kalt/ kein Sommer-Tag zu heiß/ Er war ihm allzeit gleich. Verſuchte was er kunte vor Jahren alt zu ſeyn. Jtzt da er nun beguntte Zu

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Zitationshilfe: Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642], S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_poemata_1642/156>, abgerufen am 23.11.2024.