Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41.

Bild:
<< vorherige Seite

jetzt vor seiner Seele standen? Ein Grauen überlief ihn, nicht vor der That, nein, aber bei dem Gedanken, daß das, was erst That werden sollte, vielleicht in diesem Augenblicke schon erkannt und verrathen war. Er zitterte, bis er, sich plötzlich aufraffend, den Spaten wieder in den Boden stieß.

"Unsinn. Ein dummes altes Weib, das gerade klug genug ist, noch Dümmere hinters Licht zu führen. Aber ich will mich ihrer schon wehren, ihrer und ihrer ganzen Todtenkuckerei. Was ist es denn? Nichts. Sie sieht einen Sarg an der Thür stehn, und dann stirbt einer. Ja, sie sagt es, aber sagt es immer erst, wenn einer todt ist oder keinen Athem mehr hat oder das Wasser ihm schon ans Herz stößt. Ja, dann kann ich auch prophezeihn. Alte Hexe, Du sollst mir nicht weiter Sorge machen. Aber Ursel! Wie bring' ich's der bei? Da liegt der Stein. Und wissen muß sie's. Es müssen zwei sein .."

Und er schwieg. Bald aber fuhr er entschlossen fort: "Ah, bah, es wird sich finden, weil sich's finden muß. Noth kennt kein Gebot. Und was sagte sie neulich, als ich das Gespräch mit ihr hatte? ,Nur nicht arm sein .. Armuth ist das Schlimmste.' Daran halt' ich sie; damit zwing' ich sie. Sie muß wollen."

Und so sprechend, ging er, das Grabscheit gewehrüber nehmend, wieder auf das Haus zu.   (Fortsetzung folgt.)



[irrelevantes Material]

jetzt vor seiner Seele standen? Ein Grauen überlief ihn, nicht vor der That, nein, aber bei dem Gedanken, daß das, was erst That werden sollte, vielleicht in diesem Augenblicke schon erkannt und verrathen war. Er zitterte, bis er, sich plötzlich aufraffend, den Spaten wieder in den Boden stieß.

„Unsinn. Ein dummes altes Weib, das gerade klug genug ist, noch Dümmere hinters Licht zu führen. Aber ich will mich ihrer schon wehren, ihrer und ihrer ganzen Todtenkuckerei. Was ist es denn? Nichts. Sie sieht einen Sarg an der Thür stehn, und dann stirbt einer. Ja, sie sagt es, aber sagt es immer erst, wenn einer todt ist oder keinen Athem mehr hat oder das Wasser ihm schon ans Herz stößt. Ja, dann kann ich auch prophezeihn. Alte Hexe, Du sollst mir nicht weiter Sorge machen. Aber Ursel! Wie bring’ ich’s der bei? Da liegt der Stein. Und wissen muß sie’s. Es müssen zwei sein ..“

Und er schwieg. Bald aber fuhr er entschlossen fort: „Ah, bah, es wird sich finden, weil sich’s finden muß. Noth kennt kein Gebot. Und was sagte sie neulich, als ich das Gespräch mit ihr hatte? ‚Nur nicht arm sein .. Armuth ist das Schlimmste.‘ Daran halt’ ich sie; damit zwing’ ich sie. Sie muß wollen.“

Und so sprechend, ging er, das Grabscheit gewehrüber nehmend, wieder auf das Haus zu.   (Fortsetzung folgt.)



[irrelevantes Material]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Heft_33">
        <div type="chapter">
          <p><pb facs="#f0006" n="538"/>
jetzt vor seiner Seele standen? Ein Grauen überlief ihn, nicht vor der That, nein, aber bei dem Gedanken, daß das, was erst That werden sollte, vielleicht in diesem Augenblicke schon erkannt und verrathen war. Er zitterte, bis er, sich plötzlich aufraffend, den Spaten wieder in den Boden stieß.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Unsinn. Ein dummes altes Weib, das gerade klug genug ist, noch Dümmere hinters Licht zu führen. Aber ich will mich ihrer schon wehren, ihrer und ihrer ganzen Todtenkuckerei. Was ist es denn? Nichts. Sie sieht einen Sarg an der Thür stehn, und dann stirbt einer. Ja, sie sagt es, aber sagt es immer erst, wenn einer todt ist oder keinen Athem mehr hat oder das Wasser ihm schon ans Herz stößt. Ja, dann kann ich auch prophezeihn. Alte Hexe, Du sollst mir nicht weiter Sorge machen. Aber Ursel! Wie bring&#x2019; ich&#x2019;s der bei? Da liegt der Stein. Und wissen muß sie&#x2019;s. Es müssen zwei sein ..&#x201C;</p><lb/>
          <p>Und er schwieg. Bald aber fuhr er entschlossen fort: &#x201E;Ah, bah, es wird sich finden, weil sich&#x2019;s finden muß. Noth kennt kein Gebot. Und was sagte sie neulich, als ich das Gespräch mit ihr hatte? &#x201A;Nur nicht arm sein .. Armuth ist das Schlimmste.&#x2018; Daran halt&#x2019; ich sie; damit zwing&#x2019; ich sie. Sie <hi rendition="#g">muß</hi> wollen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Und so sprechend, ging er, das Grabscheit gewehrüber nehmend, wieder auf das Haus zu.<space dim="horizontal"/><hi rendition="#g">(Fortsetzung folgt.)</hi></p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <gap reason="insignificant"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[538/0006] jetzt vor seiner Seele standen? Ein Grauen überlief ihn, nicht vor der That, nein, aber bei dem Gedanken, daß das, was erst That werden sollte, vielleicht in diesem Augenblicke schon erkannt und verrathen war. Er zitterte, bis er, sich plötzlich aufraffend, den Spaten wieder in den Boden stieß. „Unsinn. Ein dummes altes Weib, das gerade klug genug ist, noch Dümmere hinters Licht zu führen. Aber ich will mich ihrer schon wehren, ihrer und ihrer ganzen Todtenkuckerei. Was ist es denn? Nichts. Sie sieht einen Sarg an der Thür stehn, und dann stirbt einer. Ja, sie sagt es, aber sagt es immer erst, wenn einer todt ist oder keinen Athem mehr hat oder das Wasser ihm schon ans Herz stößt. Ja, dann kann ich auch prophezeihn. Alte Hexe, Du sollst mir nicht weiter Sorge machen. Aber Ursel! Wie bring’ ich’s der bei? Da liegt der Stein. Und wissen muß sie’s. Es müssen zwei sein ..“ Und er schwieg. Bald aber fuhr er entschlossen fort: „Ah, bah, es wird sich finden, weil sich’s finden muß. Noth kennt kein Gebot. Und was sagte sie neulich, als ich das Gespräch mit ihr hatte? ‚Nur nicht arm sein .. Armuth ist das Schlimmste.‘ Daran halt’ ich sie; damit zwing’ ich sie. Sie muß wollen.“ Und so sprechend, ging er, das Grabscheit gewehrüber nehmend, wieder auf das Haus zu. (Fortsetzung folgt.) _

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-07-12T12:36:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-12T12:36:22Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter https://de.wikisource.org/wiki/Die_Gartenlaube#Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Fontanes Novelle „Unterm Birnbaum“ erschien 1885 in mehreren Fortsetzungen in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“; die einzelnen Textteile wurden im vorliegenden Text zusammengeführt. Die Abbildungen jeweils zu Beginn der einzelnen Hefte bzw. innerhalb der Textteile gehören nicht zur Novelle und wurden daher im vorliegenden DTA-Text nicht ausgewiesen.

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
  • Spaltenumbrüche markiert: nein;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885/6
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885/6>, abgerufen am 09.11.2024.