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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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nicht überwinden können, und muß sich nun damit begnügen, die
Rolle des Parasyten an und neben demselben zu spielen.

Wir treten von der Seite her, durch eine Art Vorbau, ein.
Gleich dieser Vorbau, der sein spärliches Licht nur mittelst der
offen stehenden Thür empfängt, durch die wir eben eintraten, zeichnet
sich durch den angedeuteten Gegensatz aus. Zur Linken, fast ein
Viertheil des ganzen Raumes ausfüllend, erhebt sich ein grau ge-
tünchtes Backstein-Monument, das genau die Form und die Größe
jener altmodischen Kachelofen hat, denen man in Bauerstuben
begegnet. Es ist das Grabdenkmal, das Prinz Heinrich dem An-
denken seines Violinisten Ludwig Christoph Pitschner (geb. 5. März
1743, gest. 3. Dezember 1765) hat errichten lassen und trägt
folgende Inschrift:

Un prince, Ami des Arts, secondant mon Genie --
Deja l'Ecole d'Italie
A l'Allemagne mon Berceau
Promet un Amphion nouveau:
Mais comme j'avancois dans ma carriere illustre
J'ai vu de mes beaux jours s'eteindre le flambeau
Sans passer le milieu de mon cinquieme Lustre:
Muses! pleurez sur mon Tombeau.

Also etwa in freier Uebersetzung:

Gepflegt, getragen durch fürstliche Gunst,
Versprach ich, ausübend italische Kunst,
Meiner Heimath zwischen Rhin und Rhein
Demnächst ein neuer Amphion zu sein.
Doch während ich leuchtend wuchs und stieg,
Stieg die Sonne meines Lebens herab.
Dem Tod gehört der letzte Sieg
Und die Muse weint an meinem Grab.

So reimte man damals in Rheinsberg. Dem Pitschner'schen
Monument gegenüber aber stehen, an der Wand entlang, sechs auf-
gerichtete Grabsteine der Bredow'schen Familie, drei Männlein und
drei Fräulein, die bis vor Kurzem im Schiff der Kirche lagen und

nicht überwinden können, und muß ſich nun damit begnügen, die
Rolle des Paraſyten an und neben demſelben zu ſpielen.

Wir treten von der Seite her, durch eine Art Vorbau, ein.
Gleich dieſer Vorbau, der ſein ſpärliches Licht nur mittelſt der
offen ſtehenden Thür empfängt, durch die wir eben eintraten, zeichnet
ſich durch den angedeuteten Gegenſatz aus. Zur Linken, faſt ein
Viertheil des ganzen Raumes ausfüllend, erhebt ſich ein grau ge-
tünchtes Backſtein-Monument, das genau die Form und die Größe
jener altmodiſchen Kachelofen hat, denen man in Bauerſtuben
begegnet. Es iſt das Grabdenkmal, das Prinz Heinrich dem An-
denken ſeines Violiniſten Ludwig Chriſtoph Pitſchner (geb. 5. März
1743, geſt. 3. Dezember 1765) hat errichten laſſen und trägt
folgende Inſchrift:

Un prince, Ami des Arts, secondant mon Genie —
Déjà l’Ecole d’Italie
A l’Allemagne mon Berceau
Promet un Amphion nouveau:
Mais comme j’avancois dans ma carrière illustre
J’ai vu de mes beaux jours s’eteindre le flambeau
Sans passer le milieu de mon cinquième Lustre:
Muses! pleurez sur mon Tombeau.

Alſo etwa in freier Ueberſetzung:

Gepflegt, getragen durch fürſtliche Gunſt,
Verſprach ich, ausübend italiſche Kunſt,
Meiner Heimath zwiſchen Rhin und Rhein
Demnächſt ein neuer Amphion zu ſein.
Doch während ich leuchtend wuchs und ſtieg,
Stieg die Sonne meines Lebens herab.
Dem Tod gehört der letzte Sieg
Und die Muſe weint an meinem Grab.

So reimte man damals in Rheinsberg. Dem Pitſchner’ſchen
Monument gegenüber aber ſtehen, an der Wand entlang, ſechs auf-
gerichtete Grabſteine der Bredow’ſchen Familie, drei Männlein und
drei Fräulein, die bis vor Kurzem im Schiff der Kirche lagen und

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[84/0102] nicht überwinden können, und muß ſich nun damit begnügen, die Rolle des Paraſyten an und neben demſelben zu ſpielen. Wir treten von der Seite her, durch eine Art Vorbau, ein. Gleich dieſer Vorbau, der ſein ſpärliches Licht nur mittelſt der offen ſtehenden Thür empfängt, durch die wir eben eintraten, zeichnet ſich durch den angedeuteten Gegenſatz aus. Zur Linken, faſt ein Viertheil des ganzen Raumes ausfüllend, erhebt ſich ein grau ge- tünchtes Backſtein-Monument, das genau die Form und die Größe jener altmodiſchen Kachelofen hat, denen man in Bauerſtuben begegnet. Es iſt das Grabdenkmal, das Prinz Heinrich dem An- denken ſeines Violiniſten Ludwig Chriſtoph Pitſchner (geb. 5. März 1743, geſt. 3. Dezember 1765) hat errichten laſſen und trägt folgende Inſchrift: Un prince, Ami des Arts, secondant mon Genie — Déjà l’Ecole d’Italie A l’Allemagne mon Berceau Promet un Amphion nouveau: Mais comme j’avancois dans ma carrière illustre J’ai vu de mes beaux jours s’eteindre le flambeau Sans passer le milieu de mon cinquième Lustre: Muses! pleurez sur mon Tombeau. Alſo etwa in freier Ueberſetzung: Gepflegt, getragen durch fürſtliche Gunſt, Verſprach ich, ausübend italiſche Kunſt, Meiner Heimath zwiſchen Rhin und Rhein Demnächſt ein neuer Amphion zu ſein. Doch während ich leuchtend wuchs und ſtieg, Stieg die Sonne meines Lebens herab. Dem Tod gehört der letzte Sieg Und die Muſe weint an meinem Grab. So reimte man damals in Rheinsberg. Dem Pitſchner’ſchen Monument gegenüber aber ſtehen, an der Wand entlang, ſechs auf- gerichtete Grabſteine der Bredow’ſchen Familie, drei Männlein und drei Fräulein, die bis vor Kurzem im Schiff der Kirche lagen und

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/102>, abgerufen am 24.11.2024.