weitüberhängenden Zweige des Parkes zurück. Endlich legten wir an, wo die Wassertreppe an's Ufer führt, und ein Schloß stieg auf mit Flügeln und Thürmen, mit Hof und Treppe und mit einem Säulengange, der Ballustraden und Marmor- bilder trug. Dieser Hof und dieser Säulengang, die Zeugen wie vieler Lust, wie vielen Glanzes waren sie gewesen? Hier über diesen Hof hin hatte die Geige Graun's geklungen, wenn sie das Flötenspiel des prinzlichen Freundes begleitete; hier waren Le Gaillard und Le Constant, die ersten Ritter des Bayard-Ordens, auf und abgeschritten; hier waren, in bun- tem Spiel, in heitrer Ironie, fingirte Ambassaden aus aller Herren Länder erschienen und von hier aus endlich waren die heiter Spielenden hinausgezogen und hatten sich bewährt im Ernst des Kampfs und auf den Höhen des Lebens. Hinter dem Säulengange glitzerten die gelben Schloßwände in aller Helle des Tags, kein romantischer Farbenton mischte sich ein, aber Schloß und Thurm, wohin das Auge fiel, alles trug den breiten historischen Stempel -- die Fundamente der Roman- tik lagen da. Von der andern Seite des See's her grüßte der Obelisk, der die Geschichte des siebenjährigen Krieges im Lapidarstyl trägt.
So war das Bild des Rheinsberger Schlosses, das wie eine Fata Morgana über den Leven-See hinzog, und ehe noch unser Boot auf den Sand des Ufers lief, trat die Frage an mich heran: so schön dies Bild war, das die Insel im Leven-See vor dir entrollte, war jener Tag minder schön, als du im Flachboot über den Rheinsberger See fuhrst, die Schöpfungen und die Erinnerungen einer großen Zeit um dich her? und ich antwortete: nein.
Die Jahre, die seit jenem Tag am Leven-See vergangen sind, haben mich in die Heimath zurückgeführt und die Ent-
weitüberhängenden Zweige des Parkes zurück. Endlich legten wir an, wo die Waſſertreppe an’s Ufer führt, und ein Schloß ſtieg auf mit Flügeln und Thürmen, mit Hof und Treppe und mit einem Säulengange, der Balluſtraden und Marmor- bilder trug. Dieſer Hof und dieſer Säulengang, die Zeugen wie vieler Luſt, wie vielen Glanzes waren ſie geweſen? Hier über dieſen Hof hin hatte die Geige Graun’s geklungen, wenn ſie das Flötenſpiel des prinzlichen Freundes begleitete; hier waren Le Gaillard und Le Conſtant, die erſten Ritter des Bayard-Ordens, auf und abgeſchritten; hier waren, in bun- tem Spiel, in heitrer Ironie, fingirte Ambaſſaden aus aller Herren Länder erſchienen und von hier aus endlich waren die heiter Spielenden hinausgezogen und hatten ſich bewährt im Ernſt des Kampfs und auf den Höhen des Lebens. Hinter dem Säulengange glitzerten die gelben Schloßwände in aller Helle des Tags, kein romantiſcher Farbenton miſchte ſich ein, aber Schloß und Thurm, wohin das Auge fiel, alles trug den breiten hiſtoriſchen Stempel — die Fundamente der Roman- tik lagen da. Von der andern Seite des See’s her grüßte der Obelisk, der die Geſchichte des ſiebenjährigen Krieges im Lapidarſtyl trägt.
So war das Bild des Rheinsberger Schloſſes, das wie eine Fata Morgana über den Leven-See hinzog, und ehe noch unſer Boot auf den Sand des Ufers lief, trat die Frage an mich heran: ſo ſchön dies Bild war, das die Inſel im Leven-See vor dir entrollte, war jener Tag minder ſchön, als du im Flachboot über den Rheinsberger See fuhrſt, die Schöpfungen und die Erinnerungen einer großen Zeit um dich her? und ich antwortete: nein.
Die Jahre, die ſeit jenem Tag am Leven-See vergangen ſind, haben mich in die Heimath zurückgeführt und die Ent-
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[VII/0013]
weitüberhängenden Zweige des Parkes zurück. Endlich legten
wir an, wo die Waſſertreppe an’s Ufer führt, und ein Schloß
ſtieg auf mit Flügeln und Thürmen, mit Hof und Treppe
und mit einem Säulengange, der Balluſtraden und Marmor-
bilder trug. Dieſer Hof und dieſer Säulengang, die Zeugen
wie vieler Luſt, wie vielen Glanzes waren ſie geweſen? Hier
über dieſen Hof hin hatte die Geige Graun’s geklungen, wenn
ſie das Flötenſpiel des prinzlichen Freundes begleitete; hier
waren Le Gaillard und Le Conſtant, die erſten Ritter des
Bayard-Ordens, auf und abgeſchritten; hier waren, in bun-
tem Spiel, in heitrer Ironie, fingirte Ambaſſaden aus aller
Herren Länder erſchienen und von hier aus endlich waren die
heiter Spielenden hinausgezogen und hatten ſich bewährt im
Ernſt des Kampfs und auf den Höhen des Lebens. Hinter dem
Säulengange glitzerten die gelben Schloßwände in aller Helle
des Tags, kein romantiſcher Farbenton miſchte ſich ein, aber
Schloß und Thurm, wohin das Auge fiel, alles trug den
breiten hiſtoriſchen Stempel — die Fundamente der Roman-
tik lagen da. Von der andern Seite des See’s her grüßte
der Obelisk, der die Geſchichte des ſiebenjährigen Krieges im
Lapidarſtyl trägt.
So war das Bild des Rheinsberger Schloſſes, das
wie eine Fata Morgana über den Leven-See hinzog, und ehe
noch unſer Boot auf den Sand des Ufers lief, trat die Frage
an mich heran: ſo ſchön dies Bild war, das die Inſel im
Leven-See vor dir entrollte, war jener Tag minder ſchön, als
du im Flachboot über den Rheinsberger See fuhrſt, die
Schöpfungen und die Erinnerungen einer großen Zeit um
dich her? und ich antwortete: nein.
Die Jahre, die ſeit jenem Tag am Leven-See vergangen
ſind, haben mich in die Heimath zurückgeführt und die Ent-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/13>, abgerufen am 21.11.2024.
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