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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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wider des Todes allgemeinen Einbruch als eines Landraths (d. h.
trotzdem er ein Landrath war) nichts vermochte. Seine Schwach-
heit und Stärke ſiegen zugleich. Seine Stärke durch weiſen Rath
wider die Unſterblichkeit. Darum ſtößt die Fama durch Poſaunen
noch ſeinen Ruhm aus und die flüchtige Zeit kann ſeine ruhm-
würdigen Thaten nicht verbergen noch zernichten. Sein Lorbeer-
kranz grünt mitten unter Cypreſſen und ſein Palmbaum trägt
Früchte in Apollens Garten, wo Mars ihm von ferne ſteht und
den Zutritt ſcheuet wie ein Unbekannter. Die Schwachheit ſiegt
durch’s Alter und trägt die Krone des Lebens im Glauben davon
am Ende.“ *)

Die Jürgaß’ſche Gruft iſt ohne Schmuck und Bild, aber
draußen auf dem Kirchhof, zwiſchen Blumen und Gräbern, ſteht
ein mächtiges Monument, das nicht einem einzelnen Todten, ſon-
dern dem ganzen aus dieſem Leben geſchiedenen Geſchlechte er-
richtet iſt. Die beiden letzten Jürgaße (de ſtrenge un de gode
Herr) wieſen in ihrem Teſtamente eine bedeutende Summe zur

*) Einzelne Stellen dieſer Grabſchrift ſind völlig unverſtändlich; am
ſchönſten iſt unbedingt der Paſſus, wo Mars, in ſeines Nichts durchboh-
rendem Gefühle, ſich genirt dem alten Rohr unter die Augen zu treten.
Alle dieſe Inſchriften, in denen der Lebensberuf des Hingeſchiedenen zu
allerhand Wortſpielen benutzt wird (hier alſo „Landrath“), haben ihr un-
erreichtes Vorbild in der berühmten Poſtmeiſter-Grabſchrift zu Salzwedel.
Sie lautet: „Eile nicht, Wandersmann! als (wie) auf der Poſt; auch
die geſchwindeſte Poſt erfordert Verzug im Poſthauſe. Hier ruhen die Ge-
beine Herrn Matthias Schulzen, Königl. Preußiſchen 25jährigen, unter-
thänigſt treu geweſenen Poſtmeiſters zu Salzwedel. Er kam allhier 1655
als ein Fremdling an. Durch die heilige Taufe ward er in die Poſt-
charte zum himmliſchen Canaan eingeſchrieben. Darauf reiſete er in der
Lebens-Wallfahrt durch Schulen und Akademieen mit löblichem Verzug.
Hernach bei angetretenem Poſtamte und anderen Berufsſorgen richtete er
ſich nach dem göttlichen Troſtbriefe. Endlich bei ſeiner Leibes-Schwachheit,
dem gegebenen Zeichen der ankommenden Todespoſt, machte er ſich fertig.
Die Seele reiſete den 2. Junius 1711 hinauf in’s Paradies, der Leib
hernachmalen in dieſes Grab. Gedenke Leſer bei Deiner Wallfahrt beſtän-
dig an die Prophetiſche Todespoſt Jeſ. 38, 1.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/173>, abgerufen am 20.02.2025.