im Schmucke hoher Silberpappeln, streckt sich vom jenseitigen Ufer her eine Halbinsel in das schilfige Flüßchen hinein und giebt dem Ganzen den Charakter einer in's Wasser vorgeschobenen Parkanlage. Die Attribute kleinstädtischen Lebens geben dem Bilde mehr, als sie ihm nehmen, und wir entbehren gern das Schwanenhaus und den Vogel Leda's um der Enten- und Gänseschaaren willen, die das Schlammufer von allen Seiten umspielen und umschnattern. Die Stadt ist, wie kleine märkische Städte zu sein pflegen, schlicht, freundlich, in der Front abgeputzt und zwei Linden vor der Thür, ganz wie die Mädchen, die in diesen Städtchen wohnen. Alles stattlich Damenhafte fehlt; sie stricken, haben Lesekränzchen und kichern verlegen, wenn ein Fremder zu ihnen spricht, aber ihre lachende Freundlichkeit thut wohl.
An den Namen Fehrbellins knüpft sich allerhand Liebes und Gutes. Hier wirkte Friedrich Bolte, einer unserer heimischen Poeten aus der alten märkischen Schule, die nicht voll so schlecht war, wie die Olympier in Weimar es wahr haben wollten; hier wurde unser Thierbildner Friedrich Wilhelm Wolff geboren, der sich den auszeichnenden Namen der "Thier-Wolff" erworben hat, und hier endlich, um das Beste nicht zu vergessen, wurde die berühmte Schlacht geschlagen, die vor beinahe zwei Jahrhunderten den Grund zu der Selbständigkeit und Größe unserer Monarchie legte.
Diesem Schlachtfelde gilt unser Besuch. Es liegt noch eine halbe Meile jenseits Fehrbellin, dicht an der Straße, die sich wie eine Grenzlinie zwischen dem Luch und der Höhe hinzieht. Zunächst erreicht man das Dorf Tornow, dann das Dorf Hakenberg, wo das Höhenterrain beinahe senkrecht in das Luch hinein abfällt. In unmittelbarer Nähe des letzt genannten Dorfes fand das be- rühmte Reitergefecht statt, das indeß, zum Glück für alle preußi- schen Poeten, statt des Namens "Gefecht bei Hakenberg," den schö- nen Namen der Schlacht von Fehrbellin erhalten hat. Jeder, der sich in der Welt der Reime umhergetummelt hat, wird sich der Verlegenheiten entsinnen, die ihm die Sylben "berg" und "burg"
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im Schmucke hoher Silberpappeln, ſtreckt ſich vom jenſeitigen Ufer her eine Halbinſel in das ſchilfige Flüßchen hinein und giebt dem Ganzen den Charakter einer in’s Waſſer vorgeſchobenen Parkanlage. Die Attribute kleinſtädtiſchen Lebens geben dem Bilde mehr, als ſie ihm nehmen, und wir entbehren gern das Schwanenhaus und den Vogel Leda’s um der Enten- und Gänſeſchaaren willen, die das Schlammufer von allen Seiten umſpielen und umſchnattern. Die Stadt iſt, wie kleine märkiſche Städte zu ſein pflegen, ſchlicht, freundlich, in der Front abgeputzt und zwei Linden vor der Thür, ganz wie die Mädchen, die in dieſen Städtchen wohnen. Alles ſtattlich Damenhafte fehlt; ſie ſtricken, haben Leſekränzchen und kichern verlegen, wenn ein Fremder zu ihnen ſpricht, aber ihre lachende Freundlichkeit thut wohl.
An den Namen Fehrbellins knüpft ſich allerhand Liebes und Gutes. Hier wirkte Friedrich Bolte, einer unſerer heimiſchen Poeten aus der alten märkiſchen Schule, die nicht voll ſo ſchlecht war, wie die Olympier in Weimar es wahr haben wollten; hier wurde unſer Thierbildner Friedrich Wilhelm Wolff geboren, der ſich den auszeichnenden Namen der „Thier-Wolff“ erworben hat, und hier endlich, um das Beſte nicht zu vergeſſen, wurde die berühmte Schlacht geſchlagen, die vor beinahe zwei Jahrhunderten den Grund zu der Selbſtändigkeit und Größe unſerer Monarchie legte.
Dieſem Schlachtfelde gilt unſer Beſuch. Es liegt noch eine halbe Meile jenſeits Fehrbellin, dicht an der Straße, die ſich wie eine Grenzlinie zwiſchen dem Luch und der Höhe hinzieht. Zunächſt erreicht man das Dorf Tornow, dann das Dorf Hakenberg, wo das Höhenterrain beinahe ſenkrecht in das Luch hinein abfällt. In unmittelbarer Nähe des letzt genannten Dorfes fand das be- rühmte Reitergefecht ſtatt, das indeß, zum Glück für alle preußi- ſchen Poeten, ſtatt des Namens „Gefecht bei Hakenberg,“ den ſchö- nen Namen der Schlacht von Fehrbellin erhalten hat. Jeder, der ſich in der Welt der Reime umhergetummelt hat, wird ſich der Verlegenheiten entſinnen, die ihm die Sylben „berg“ und „burg“
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im Schmucke hoher Silberpappeln, ſtreckt ſich vom jenſeitigen Ufer
her eine Halbinſel in das ſchilfige Flüßchen hinein und giebt dem
Ganzen den Charakter einer in’s Waſſer vorgeſchobenen Parkanlage.
Die Attribute kleinſtädtiſchen Lebens geben dem Bilde mehr, als
ſie ihm nehmen, und wir entbehren gern das Schwanenhaus und
den Vogel Leda’s um der Enten- und Gänſeſchaaren willen, die
das Schlammufer von allen Seiten umſpielen und umſchnattern.
Die Stadt iſt, wie kleine märkiſche Städte zu ſein pflegen, ſchlicht,
freundlich, in der Front abgeputzt und zwei Linden vor der Thür,
ganz wie die Mädchen, die in dieſen Städtchen wohnen. Alles
ſtattlich Damenhafte fehlt; ſie ſtricken, haben Leſekränzchen und
kichern verlegen, wenn ein Fremder zu ihnen ſpricht, aber ihre
lachende Freundlichkeit thut wohl.
An den Namen Fehrbellins knüpft ſich allerhand Liebes und
Gutes. Hier wirkte Friedrich Bolte, einer unſerer heimiſchen Poeten
aus der alten märkiſchen Schule, die nicht voll ſo ſchlecht war,
wie die Olympier in Weimar es wahr haben wollten; hier wurde
unſer Thierbildner Friedrich Wilhelm Wolff geboren, der ſich den
auszeichnenden Namen der „Thier-Wolff“ erworben hat, und hier
endlich, um das Beſte nicht zu vergeſſen, wurde die berühmte
Schlacht geſchlagen, die vor beinahe zwei Jahrhunderten den Grund
zu der Selbſtändigkeit und Größe unſerer Monarchie legte.
Dieſem Schlachtfelde gilt unſer Beſuch. Es liegt noch eine
halbe Meile jenſeits Fehrbellin, dicht an der Straße, die ſich wie
eine Grenzlinie zwiſchen dem Luch und der Höhe hinzieht. Zunächſt
erreicht man das Dorf Tornow, dann das Dorf Hakenberg,
wo das Höhenterrain beinahe ſenkrecht in das Luch hinein abfällt.
In unmittelbarer Nähe des letzt genannten Dorfes fand das be-
rühmte Reitergefecht ſtatt, das indeß, zum Glück für alle preußi-
ſchen Poeten, ſtatt des Namens „Gefecht bei Hakenberg,“ den ſchö-
nen Namen der Schlacht von Fehrbellin erhalten hat. Jeder,
der ſich in der Welt der Reime umhergetummelt hat, wird ſich der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/181>, abgerufen am 30.11.2024.
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