gemüthliche Resignation, die schließlich über einen kommt. Mit dem Moment, wo man die letzte trockne Stelle naß werden fühlt, fühlt man auch, daß das Wetter seinen letzten Pfeil verschossen hat und daß es nur besser werden kann, aber nicht schlimmer. Lächelnd saßen wir jetzt da, nichts vor uns, als den grünen Streifen des Luch's, der mit dem Grau von Regen und Himmel in eins ver- schwamm, und sahen dem Tropfentanze zu, als ständen wir am Fenster und freuten uns der Wasserblasen auf Teich und Tümpel. Endlich hielten wir; wir hatten den Nordrand des Luch's erreicht, und die Sonne, die eben sich wieder durchkämpfte und ihren Friedensbogen über das Luch warf, vergoldete den hübschen Thurm des Dorfes Langen und zeigte uns den Weg. In weni- gen Minuten hatten wir das Wirthshaus erreicht, bestellten, in fast beschwörendem Ton, "einen allerbesten Kaffee," und baten um die Erlaubniß, am Küchenfeuer Platz nehmen und unsere Garde- robe stückweise trocknen zu dürfen. Wir traten in die große, alt- modische Küche mit dem riesigen Herd, dem offenen Feuer und dem Hängekessel über demselben. Der Rauchfang war mit kupfer- nem Geschirr und die rothen Wände mit Fliegen bedeckt. Die Sonne stand jetzt brennend über dem Haus und drückte von Zeit zu Zeit den Rauch in die Küche hinein. Wir achteten dessen wenig; von Minute zu Minute ward uns besser. Eine braune weitbäuchige Kanne stand bereits auf dem Herd, und die Alte, die, eine große Kaffeemühle zwischen den Knieen, mit wunderbarem Ernst die Kurbel gedreht und Kreise beschrieben hatte, erhob sich jetzt von ihrem Schemel, um das braune Pulver in den Trichter zu schüt- ten. Die Magd mit dem Hängekessel war zur Hand, und im näch- sten Augenblick zischte das Wasser und trieb die braunen Schaum- blasen hoch über den Rand. Wir standen umher und sogen begierig den aromatischen Duft ein. Alles Frösteln war vorbei, und Tasse und Herdfeuer vor uns, auf Stuhl und Schemel uns wiegend, plauderten wir vom Luch, als wären wir eben den Kansas-River hinauf gefahren oder hätten die ungeheure Prairie in ihrer ganzen Länge durchritten.
gemüthliche Reſignation, die ſchließlich über einen kommt. Mit dem Moment, wo man die letzte trockne Stelle naß werden fühlt, fühlt man auch, daß das Wetter ſeinen letzten Pfeil verſchoſſen hat und daß es nur beſſer werden kann, aber nicht ſchlimmer. Lächelnd ſaßen wir jetzt da, nichts vor uns, als den grünen Streifen des Luch’s, der mit dem Grau von Regen und Himmel in eins ver- ſchwamm, und ſahen dem Tropfentanze zu, als ſtänden wir am Fenſter und freuten uns der Waſſerblaſen auf Teich und Tümpel. Endlich hielten wir; wir hatten den Nordrand des Luch’s erreicht, und die Sonne, die eben ſich wieder durchkämpfte und ihren Friedensbogen über das Luch warf, vergoldete den hübſchen Thurm des Dorfes Langen und zeigte uns den Weg. In weni- gen Minuten hatten wir das Wirthshaus erreicht, beſtellten, in faſt beſchwörendem Ton, „einen allerbeſten Kaffee,“ und baten um die Erlaubniß, am Küchenfeuer Platz nehmen und unſere Garde- robe ſtückweiſe trocknen zu dürfen. Wir traten in die große, alt- modiſche Küche mit dem rieſigen Herd, dem offenen Feuer und dem Hängekeſſel über demſelben. Der Rauchfang war mit kupfer- nem Geſchirr und die rothen Wände mit Fliegen bedeckt. Die Sonne ſtand jetzt brennend über dem Haus und drückte von Zeit zu Zeit den Rauch in die Küche hinein. Wir achteten deſſen wenig; von Minute zu Minute ward uns beſſer. Eine braune weitbäuchige Kanne ſtand bereits auf dem Herd, und die Alte, die, eine große Kaffeemühle zwiſchen den Knieen, mit wunderbarem Ernſt die Kurbel gedreht und Kreiſe beſchrieben hatte, erhob ſich jetzt von ihrem Schemel, um das braune Pulver in den Trichter zu ſchüt- ten. Die Magd mit dem Hängekeſſel war zur Hand, und im näch- ſten Augenblick ziſchte das Waſſer und trieb die braunen Schaum- blaſen hoch über den Rand. Wir ſtanden umher und ſogen begierig den aromatiſchen Duft ein. Alles Fröſteln war vorbei, und Taſſe und Herdfeuer vor uns, auf Stuhl und Schemel uns wiegend, plauderten wir vom Luch, als wären wir eben den Kanſas-River hinauf gefahren oder hätten die ungeheure Prairie in ihrer ganzen Länge durchritten.
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gemüthliche Reſignation, die ſchließlich über einen kommt. Mit dem
Moment, wo man die letzte trockne Stelle naß werden fühlt, fühlt
man auch, daß das Wetter ſeinen letzten Pfeil verſchoſſen hat und
daß es nur beſſer werden kann, aber nicht ſchlimmer. Lächelnd
ſaßen wir jetzt da, nichts vor uns, als den grünen Streifen des
Luch’s, der mit dem Grau von Regen und Himmel in eins ver-
ſchwamm, und ſahen dem Tropfentanze zu, als ſtänden wir am
Fenſter und freuten uns der Waſſerblaſen auf Teich und Tümpel.
Endlich hielten wir; wir hatten den Nordrand des Luch’s erreicht,
und die Sonne, die eben ſich wieder durchkämpfte und ihren
Friedensbogen über das Luch warf, vergoldete den hübſchen
Thurm des Dorfes Langen und zeigte uns den Weg. In weni-
gen Minuten hatten wir das Wirthshaus erreicht, beſtellten, in
faſt beſchwörendem Ton, „einen allerbeſten Kaffee,“ und baten um
die Erlaubniß, am Küchenfeuer Platz nehmen und unſere Garde-
robe ſtückweiſe trocknen zu dürfen. Wir traten in die große, alt-
modiſche Küche mit dem rieſigen Herd, dem offenen Feuer und
dem Hängekeſſel über demſelben. Der Rauchfang war mit kupfer-
nem Geſchirr und die rothen Wände mit Fliegen bedeckt. Die
Sonne ſtand jetzt brennend über dem Haus und drückte von Zeit
zu Zeit den Rauch in die Küche hinein. Wir achteten deſſen wenig;
von Minute zu Minute ward uns beſſer. Eine braune weitbäuchige
Kanne ſtand bereits auf dem Herd, und die Alte, die, eine große
Kaffeemühle zwiſchen den Knieen, mit wunderbarem Ernſt die
Kurbel gedreht und Kreiſe beſchrieben hatte, erhob ſich jetzt von
ihrem Schemel, um das braune Pulver in den Trichter zu ſchüt-
ten. Die Magd mit dem Hängekeſſel war zur Hand, und im näch-
ſten Augenblick ziſchte das Waſſer und trieb die braunen Schaum-
blaſen hoch über den Rand. Wir ſtanden umher und ſogen begierig
den aromatiſchen Duft ein. Alles Fröſteln war vorbei, und Taſſe
und Herdfeuer vor uns, auf Stuhl und Schemel uns wiegend,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/203>, abgerufen am 28.11.2024.
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