aus dem Schlaf gerüttelt fühlte. Die geisteskranke Königin, die eine Glasthür erbrochen hatte, stand weißgekleidet und mit bluten- den Händen vor ihm. Der König versuchte sich aufzurichten, aber er sank in seinen Stuhl zurück. "Ich habe die weiße Frau ge- sehen." Wenige Wochen später hatte sich die alte Prophezeihung seines Hauses an ihm erfüllt. Nicht zu seinem Glück hatte die mecklenburgische Prinzessin das Land und als erste Stufe zum Thron, die Marmortreppe von Schloß Oranienburg betreten.
(Die Zeit des Prinzen August Wilhelm von 1744 bis 1758.) Der Tod König Friedrichs I. traf keinen Punkt des Landes härter als Oranienburg; bis dahin ein Lieblingssitz, wurde es jetzt von der Liste der Residenzen so gut wie gestrichen. Dem Soldatenkönige, dessen Sinn auf andere Dinge gerichtet war als auf Springbrunnen und künstliche Grotten, genügte es nicht, die Schöpfung seines Vaters sich selbst zu überlassen; er griff, voll festen und praktischen Sinnes, selbständig mit ein, um die, in sei- nen Augen halb nutzlose, halb kostspielige Hinterlassenschaft nach Möglichkeit zu verwerthen. Bauten wurden abgebrochen und die Materialien verkauft; die Fasanerie, das Einzige, woran er als Jäger ein Interesse hatte, kam nach Potsdam; die 1029 Stück eiserne Röhren aber, die der Wasserkunst im Schlosse das Wasser zugeführt hatten, wurden auf neun Oderkähnen nach Stettin ge- schafft.
Schloß und Park verwilderten. Wie das Schloß im Mär- chen, eingesponnen in undurchdringliches Grün, lag Oranienburg da, als 31 Jahre nach dem Tode des ersten Königs sein Name wieder genannt wurde. Im Jahre 1744 war es, wo Friedrich II., in Betreff seiner Brüder, allerhand Ernennungen und Entschei- dungen traf. Prinz Heinrich erhielt Rheinsberg, Prinz Ferdinand das Palais und den Garten in Neu-Ruppin; der älteste Bruder August Wilhelm aber, unter gleichzeitiger Erhebung zum Prinzen von Preußen, wurde mit Schloß Oranienburg belehnt.
aus dem Schlaf gerüttelt fühlte. Die geiſteskranke Königin, die eine Glasthür erbrochen hatte, ſtand weißgekleidet und mit bluten- den Händen vor ihm. Der König verſuchte ſich aufzurichten, aber er ſank in ſeinen Stuhl zurück. „Ich habe die weiße Frau ge- ſehen.“ Wenige Wochen ſpäter hatte ſich die alte Prophezeihung ſeines Hauſes an ihm erfüllt. Nicht zu ſeinem Glück hatte die mecklenburgiſche Prinzeſſin das Land und als erſte Stufe zum Thron, die Marmortreppe von Schloß Oranienburg betreten.
(Die Zeit des Prinzen Auguſt Wilhelm von 1744 bis 1758.) Der Tod König Friedrichs I. traf keinen Punkt des Landes härter als Oranienburg; bis dahin ein Lieblingsſitz, wurde es jetzt von der Liſte der Reſidenzen ſo gut wie geſtrichen. Dem Soldatenkönige, deſſen Sinn auf andere Dinge gerichtet war als auf Springbrunnen und künſtliche Grotten, genügte es nicht, die Schöpfung ſeines Vaters ſich ſelbſt zu überlaſſen; er griff, voll feſten und praktiſchen Sinnes, ſelbſtändig mit ein, um die, in ſei- nen Augen halb nutzloſe, halb koſtſpielige Hinterlaſſenſchaft nach Möglichkeit zu verwerthen. Bauten wurden abgebrochen und die Materialien verkauft; die Faſanerie, das Einzige, woran er als Jäger ein Intereſſe hatte, kam nach Potsdam; die 1029 Stück eiſerne Röhren aber, die der Waſſerkunſt im Schloſſe das Waſſer zugeführt hatten, wurden auf neun Oderkähnen nach Stettin ge- ſchafft.
Schloß und Park verwilderten. Wie das Schloß im Mär- chen, eingeſponnen in undurchdringliches Grün, lag Oranienburg da, als 31 Jahre nach dem Tode des erſten Königs ſein Name wieder genannt wurde. Im Jahre 1744 war es, wo Friedrich II., in Betreff ſeiner Brüder, allerhand Ernennungen und Entſchei- dungen traf. Prinz Heinrich erhielt Rheinsberg, Prinz Ferdinand das Palais und den Garten in Neu-Ruppin; der älteſte Bruder Auguſt Wilhelm aber, unter gleichzeitiger Erhebung zum Prinzen von Preußen, wurde mit Schloß Oranienburg belehnt.
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aus dem Schlaf gerüttelt fühlte. Die geiſteskranke Königin, die
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den Händen vor ihm. Der König verſuchte ſich aufzurichten, aber
er ſank in ſeinen Stuhl zurück. „Ich habe die weiße Frau ge-
ſehen.“ Wenige Wochen ſpäter hatte ſich die alte Prophezeihung
ſeines Hauſes an ihm erfüllt. Nicht zu ſeinem Glück hatte die
mecklenburgiſche Prinzeſſin das Land und als erſte Stufe zum
Thron, die Marmortreppe von Schloß Oranienburg betreten.
(Die Zeit des Prinzen Auguſt Wilhelm von 1744 bis
1758.) Der Tod König Friedrichs I. traf keinen Punkt des
Landes härter als Oranienburg; bis dahin ein Lieblingsſitz, wurde
es jetzt von der Liſte der Reſidenzen ſo gut wie geſtrichen. Dem
Soldatenkönige, deſſen Sinn auf andere Dinge gerichtet war als
auf Springbrunnen und künſtliche Grotten, genügte es nicht, die
Schöpfung ſeines Vaters ſich ſelbſt zu überlaſſen; er griff, voll
feſten und praktiſchen Sinnes, ſelbſtändig mit ein, um die, in ſei-
nen Augen halb nutzloſe, halb koſtſpielige Hinterlaſſenſchaft nach
Möglichkeit zu verwerthen. Bauten wurden abgebrochen und die
Materialien verkauft; die Faſanerie, das Einzige, woran er als
Jäger ein Intereſſe hatte, kam nach Potsdam; die 1029 Stück
eiſerne Röhren aber, die der Waſſerkunſt im Schloſſe das Waſſer
zugeführt hatten, wurden auf neun Oderkähnen nach Stettin ge-
ſchafft.
Schloß und Park verwilderten. Wie das Schloß im Mär-
chen, eingeſponnen in undurchdringliches Grün, lag Oranienburg
da, als 31 Jahre nach dem Tode des erſten Königs ſein Name
wieder genannt wurde. Im Jahre 1744 war es, wo Friedrich II.,
in Betreff ſeiner Brüder, allerhand Ernennungen und Entſchei-
dungen traf. Prinz Heinrich erhielt Rheinsberg, Prinz Ferdinand
das Palais und den Garten in Neu-Ruppin; der älteſte Bruder
Auguſt Wilhelm aber, unter gleichzeitiger Erhebung zum Prinzen
von Preußen, wurde mit Schloß Oranienburg belehnt.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/240>, abgerufen am 24.11.2024.
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