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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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des Parks. Diese Stelle, in unmittelbarer Nähe des "bekannten
Theaters im Grünen" gelegen, zeigt unter einer Baumgruppe zwei
Marmorarbeiten: eine große Urne auf einem Piedestal und zweitens
eine Art Herme, die aber statt des Hermenkopfes die trefflich aus-
geführte Büste des Prinzen August Wilhelm trägt. Beide Arbeiten
stehen sich, in Entfernung von etwa sechs Schritt, einander gegen-
über. Das Piedestal der Urne trägt die Inschrift: "Hic cineres
Marmor exhibit,"
und darunter: August Gullielm, Princeps
Prussiae Natus Erat IX Die Mens. Aug. Ann. 1722. Obiit
Die XII Mens Jun. Anno
1758." Die Inschrift unter der
Büste aber lautet: "Hic Venustum Os Viri, veritatis, virtu-
tis, patriae amantissimi."
(Hier das freundliche Antlitz des
Lieblings der Wahrheit, der Tugend, des Vaterlands.)

Die erste dieser Inschriften: "Hic eineres Marmor ex-
hibit,"
also: "diese Urne umschließt seine Asche," schafft die eigent-
liche Streitfrage. Ruht der Prinz August Wilhelm, so müssen wir
nunmehr fragen, im Dom zu Berlin, oder ruht er (laut vor-
stehender Inschrift) im Rheinsberger Park? Vielleicht müßte die
Inschrift lauten: "Diese Urne umschließt die Asche seines Her-
zens
." Dann hätte Pastor Ballhorn in der Hauptsache Recht,
nur nicht hinsichtlich der Aufstellung der Urne.



An jenem Tage, als der Prinz August Wilhelm aus dem
Schloßportal getragen wurde und 50 Bürger dem Sarge folgten,
um ihm bis Havelhausen das Geleit zu geben, an jenem Tage
schloß das Leben in Schloß Oranienburg überhaupt. Auf ein
Jahrhundert voll Glanz und lachender Farben folgte ein anderes
voll Oede und Verwahrlosung. Andere Zeiten kamen; der Ge-
schmack ging andere Wege, -- Schloß Oranienburg war vergessen.

1802 wurde der prächtige alte Bau, dessen zahlreiche Decken-
gemälde allein ein bedeutendes, wenn auch freilich todtes Capital
repräsentirten, für 12000 Thaler mit all und jeglichem Zubehör
verkauft und der Käufer nur zur Herausgabe der Eingangs er-

des Parks. Dieſe Stelle, in unmittelbarer Nähe des „bekannten
Theaters im Grünen“ gelegen, zeigt unter einer Baumgruppe zwei
Marmorarbeiten: eine große Urne auf einem Piedeſtal und zweitens
eine Art Herme, die aber ſtatt des Hermenkopfes die trefflich aus-
geführte Büſte des Prinzen Auguſt Wilhelm trägt. Beide Arbeiten
ſtehen ſich, in Entfernung von etwa ſechs Schritt, einander gegen-
über. Das Piedeſtal der Urne trägt die Inſchrift: „Hic cineres
Marmor exhibit,“
und darunter: August Gullielm, Princeps
Prussiae Natus Erat IX Die Mens. Aug. Ann. 1722. Obiit
Die XII Mens Jun. Anno
1758.“ Die Inſchrift unter der
Büſte aber lautet: „Hic Venustum Os Viri, veritatis, virtu-
tis, patriae amantissimi.“
(Hier das freundliche Antlitz des
Lieblings der Wahrheit, der Tugend, des Vaterlands.)

Die erſte dieſer Inſchriften: „Hic eineres Marmor ex-
hibit,“
alſo: „dieſe Urne umſchließt ſeine Aſche,“ ſchafft die eigent-
liche Streitfrage. Ruht der Prinz Auguſt Wilhelm, ſo müſſen wir
nunmehr fragen, im Dom zu Berlin, oder ruht er (laut vor-
ſtehender Inſchrift) im Rheinsberger Park? Vielleicht müßte die
Inſchrift lauten: „Dieſe Urne umſchließt die Aſche ſeines Her-
zens
.“ Dann hätte Paſtor Ballhorn in der Hauptſache Recht,
nur nicht hinſichtlich der Aufſtellung der Urne.



An jenem Tage, als der Prinz Auguſt Wilhelm aus dem
Schloßportal getragen wurde und 50 Bürger dem Sarge folgten,
um ihm bis Havelhauſen das Geleit zu geben, an jenem Tage
ſchloß das Leben in Schloß Oranienburg überhaupt. Auf ein
Jahrhundert voll Glanz und lachender Farben folgte ein anderes
voll Oede und Verwahrloſung. Andere Zeiten kamen; der Ge-
ſchmack ging andere Wege, — Schloß Oranienburg war vergeſſen.

1802 wurde der prächtige alte Bau, deſſen zahlreiche Decken-
gemälde allein ein bedeutendes, wenn auch freilich todtes Capital
repräſentirten, für 12000 Thaler mit all und jeglichem Zubehör
verkauft und der Käufer nur zur Herausgabe der Eingangs er-

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[229/0247] des Parks. Dieſe Stelle, in unmittelbarer Nähe des „bekannten Theaters im Grünen“ gelegen, zeigt unter einer Baumgruppe zwei Marmorarbeiten: eine große Urne auf einem Piedeſtal und zweitens eine Art Herme, die aber ſtatt des Hermenkopfes die trefflich aus- geführte Büſte des Prinzen Auguſt Wilhelm trägt. Beide Arbeiten ſtehen ſich, in Entfernung von etwa ſechs Schritt, einander gegen- über. Das Piedeſtal der Urne trägt die Inſchrift: „Hic cineres Marmor exhibit,“ und darunter: August Gullielm, Princeps Prussiae Natus Erat IX Die Mens. Aug. Ann. 1722. Obiit Die XII Mens Jun. Anno 1758.“ Die Inſchrift unter der Büſte aber lautet: „Hic Venustum Os Viri, veritatis, virtu- tis, patriae amantissimi.“ (Hier das freundliche Antlitz des Lieblings der Wahrheit, der Tugend, des Vaterlands.) Die erſte dieſer Inſchriften: „Hic eineres Marmor ex- hibit,“ alſo: „dieſe Urne umſchließt ſeine Aſche,“ ſchafft die eigent- liche Streitfrage. Ruht der Prinz Auguſt Wilhelm, ſo müſſen wir nunmehr fragen, im Dom zu Berlin, oder ruht er (laut vor- ſtehender Inſchrift) im Rheinsberger Park? Vielleicht müßte die Inſchrift lauten: „Dieſe Urne umſchließt die Aſche ſeines Her- zens.“ Dann hätte Paſtor Ballhorn in der Hauptſache Recht, nur nicht hinſichtlich der Aufſtellung der Urne. An jenem Tage, als der Prinz Auguſt Wilhelm aus dem Schloßportal getragen wurde und 50 Bürger dem Sarge folgten, um ihm bis Havelhauſen das Geleit zu geben, an jenem Tage ſchloß das Leben in Schloß Oranienburg überhaupt. Auf ein Jahrhundert voll Glanz und lachender Farben folgte ein anderes voll Oede und Verwahrloſung. Andere Zeiten kamen; der Ge- ſchmack ging andere Wege, — Schloß Oranienburg war vergeſſen. 1802 wurde der prächtige alte Bau, deſſen zahlreiche Decken- gemälde allein ein bedeutendes, wenn auch freilich todtes Capital repräſentirten, für 12000 Thaler mit all und jeglichem Zubehör verkauft und der Käufer nur zur Herausgabe der Eingangs er-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/247>, abgerufen am 19.05.2024.