folgen die Anderen mit zinnernen Bechern und blechernen Löffeln, und Alles singt und lacht und klappt mit den Bechern zusammen, das Ganze ein Bacchuszug ohne Satyrn und ohne Panther, ein Festzug aus jenen Regionen, wo das Besingkraut an die Stelle des Weinlaubes tritt.
Neben dem Zuge her mahlt der Loehmer Amtswagen durch den Sand; unsere stattliche Freundin, die seit der stillen Abend- promenade, auf der sie sich verlobte, nicht mehr spazieren gegangen ist, thront mit dem Ausdruck wachsenden Behagens auf ihrem Sitz, und gelegentliche Zurufe, die sich die Erziehung der Zwil- linge, auch auf nicht abzureichende Distancen hin, noch immer an- gelegen sein lassen, geben ihr mehr Befriedigung als Verdruß. Funfzig Schritt hinter dem Wagen folgen die Männer in lebhaf- tem Gespräch. Der Amts-Actuar, der die Berliner Zeitung hält, rectificirt die Aufstellung des rechten Flügels bei Wagram, "die er dem Erzherzog Karl nie zugetraut hätte" -- während in kurzer Entfernung hinter den politisirenden Freunden, eben so unange- fochten durch die Fehler bei Wagram, wie durch den Aerger des Amts-Actuars, Boncoeur, der Vertraute und Liebling der Kinder, einhertrottet, mit einem so ehrlichen Pudelgesicht, als habe er's jedem Einzelnen versprochen, für verlorene Tücher und Schuh- bänder mit der Sicherheit seiner eignen Person aufkommen zu wollen.
Dämmerung liegt auf dem Dorf, als der Zug in die Dorf- straße einzieht; die Spielgefährten, die zu Geburtstag in's Pfarr- haus geladen worden waren, schlüpfen rechts und links in die offenstehenden Thüren, unsere Freunde aber halten alsbald unter den alten Pfarrhaus-Kastanien und "Pastor Schmidt von Wer- neuchen" (denn er ist es) vorantretend, lüftet nunmehr im Haus- flur sein schwarzes Käppchen und dem nach ihm eintretenden Paare seine Hand entgegenstreckend, begrüßt er sie mit einem herzlichen: "gesegnet sei euer Eingang." Dann schließen sich Thür und Laden, nur flüchtig schimmert noch Licht und klingen noch Stimmen. Die Sterne ziehen herauf und es ist still in Dorf und Haus.
folgen die Anderen mit zinnernen Bechern und blechernen Löffeln, und Alles ſingt und lacht und klappt mit den Bechern zuſammen, das Ganze ein Bacchuszug ohne Satyrn und ohne Panther, ein Feſtzug aus jenen Regionen, wo das Beſingkraut an die Stelle des Weinlaubes tritt.
Neben dem Zuge her mahlt der Loehmer Amtswagen durch den Sand; unſere ſtattliche Freundin, die ſeit der ſtillen Abend- promenade, auf der ſie ſich verlobte, nicht mehr ſpazieren gegangen iſt, thront mit dem Ausdruck wachſenden Behagens auf ihrem Sitz, und gelegentliche Zurufe, die ſich die Erziehung der Zwil- linge, auch auf nicht abzureichende Diſtancen hin, noch immer an- gelegen ſein laſſen, geben ihr mehr Befriedigung als Verdruß. Funfzig Schritt hinter dem Wagen folgen die Männer in lebhaf- tem Geſpräch. Der Amts-Actuar, der die Berliner Zeitung hält, rectificirt die Aufſtellung des rechten Flügels bei Wagram, „die er dem Erzherzog Karl nie zugetraut hätte“ — während in kurzer Entfernung hinter den politiſirenden Freunden, eben ſo unange- fochten durch die Fehler bei Wagram, wie durch den Aerger des Amts-Actuars, Boncoeur, der Vertraute und Liebling der Kinder, einhertrottet, mit einem ſo ehrlichen Pudelgeſicht, als habe er’s jedem Einzelnen verſprochen, für verlorene Tücher und Schuh- bänder mit der Sicherheit ſeiner eignen Perſon aufkommen zu wollen.
Dämmerung liegt auf dem Dorf, als der Zug in die Dorf- ſtraße einzieht; die Spielgefährten, die zu Geburtstag in’s Pfarr- haus geladen worden waren, ſchlüpfen rechts und links in die offenſtehenden Thüren, unſere Freunde aber halten alsbald unter den alten Pfarrhaus-Kaſtanien und „Paſtor Schmidt von Wer- neuchen“ (denn er iſt es) vorantretend, lüftet nunmehr im Haus- flur ſein ſchwarzes Käppchen und dem nach ihm eintretenden Paare ſeine Hand entgegenſtreckend, begrüßt er ſie mit einem herzlichen: „geſegnet ſei euer Eingang.“ Dann ſchließen ſich Thür und Laden, nur flüchtig ſchimmert noch Licht und klingen noch Stimmen. Die Sterne ziehen herauf und es iſt ſtill in Dorf und Haus.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0300"n="282"/>
folgen die Anderen mit zinnernen Bechern und blechernen Löffeln,<lb/>
und Alles ſingt und lacht und klappt mit den Bechern zuſammen,<lb/>
das Ganze ein Bacchuszug ohne Satyrn und ohne Panther, ein<lb/>
Feſtzug aus jenen Regionen, wo das Beſingkraut an die Stelle<lb/>
des Weinlaubes tritt.</p><lb/><p>Neben dem Zuge her mahlt der Loehmer Amtswagen durch<lb/>
den Sand; unſere ſtattliche Freundin, die ſeit der ſtillen Abend-<lb/>
promenade, auf der ſie ſich verlobte, nicht mehr ſpazieren gegangen<lb/>
iſt, thront mit dem Ausdruck wachſenden Behagens auf ihrem<lb/>
Sitz, und gelegentliche Zurufe, die ſich die Erziehung der Zwil-<lb/>
linge, auch auf nicht abzureichende Diſtancen hin, noch immer an-<lb/>
gelegen ſein laſſen, geben ihr mehr Befriedigung als Verdruß.<lb/>
Funfzig Schritt hinter dem Wagen folgen die Männer in lebhaf-<lb/>
tem Geſpräch. Der Amts-Actuar, der die Berliner Zeitung hält,<lb/>
rectificirt die Aufſtellung des rechten Flügels bei Wagram, „die<lb/>
er dem Erzherzog Karl nie zugetraut hätte“— während in kurzer<lb/>
Entfernung hinter den politiſirenden Freunden, eben ſo unange-<lb/>
fochten durch die Fehler bei Wagram, wie durch den Aerger des<lb/>
Amts-Actuars, Boncoeur, der Vertraute und Liebling der Kinder,<lb/>
einhertrottet, mit einem ſo ehrlichen Pudelgeſicht, als habe er’s<lb/>
jedem Einzelnen verſprochen, für verlorene Tücher und Schuh-<lb/>
bänder mit der Sicherheit ſeiner eignen Perſon aufkommen zu<lb/>
wollen.</p><lb/><p>Dämmerung liegt auf dem Dorf, als der Zug in die Dorf-<lb/>ſtraße einzieht; die Spielgefährten, die zu Geburtstag in’s Pfarr-<lb/>
haus geladen worden waren, ſchlüpfen rechts und links in die<lb/>
offenſtehenden Thüren, unſere Freunde aber halten alsbald unter<lb/>
den alten Pfarrhaus-Kaſtanien und „Paſtor Schmidt von Wer-<lb/>
neuchen“ (denn er iſt es) vorantretend, lüftet nunmehr im Haus-<lb/>
flur ſein ſchwarzes Käppchen und dem nach ihm eintretenden Paare<lb/>ſeine Hand entgegenſtreckend, begrüßt er ſie mit einem herzlichen:<lb/>„geſegnet ſei euer Eingang.“ Dann ſchließen ſich Thür und Laden,<lb/>
nur flüchtig ſchimmert noch Licht und klingen noch Stimmen.<lb/>
Die Sterne ziehen herauf und es iſt ſtill in Dorf und Haus.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[282/0300]
folgen die Anderen mit zinnernen Bechern und blechernen Löffeln,
und Alles ſingt und lacht und klappt mit den Bechern zuſammen,
das Ganze ein Bacchuszug ohne Satyrn und ohne Panther, ein
Feſtzug aus jenen Regionen, wo das Beſingkraut an die Stelle
des Weinlaubes tritt.
Neben dem Zuge her mahlt der Loehmer Amtswagen durch
den Sand; unſere ſtattliche Freundin, die ſeit der ſtillen Abend-
promenade, auf der ſie ſich verlobte, nicht mehr ſpazieren gegangen
iſt, thront mit dem Ausdruck wachſenden Behagens auf ihrem
Sitz, und gelegentliche Zurufe, die ſich die Erziehung der Zwil-
linge, auch auf nicht abzureichende Diſtancen hin, noch immer an-
gelegen ſein laſſen, geben ihr mehr Befriedigung als Verdruß.
Funfzig Schritt hinter dem Wagen folgen die Männer in lebhaf-
tem Geſpräch. Der Amts-Actuar, der die Berliner Zeitung hält,
rectificirt die Aufſtellung des rechten Flügels bei Wagram, „die
er dem Erzherzog Karl nie zugetraut hätte“ — während in kurzer
Entfernung hinter den politiſirenden Freunden, eben ſo unange-
fochten durch die Fehler bei Wagram, wie durch den Aerger des
Amts-Actuars, Boncoeur, der Vertraute und Liebling der Kinder,
einhertrottet, mit einem ſo ehrlichen Pudelgeſicht, als habe er’s
jedem Einzelnen verſprochen, für verlorene Tücher und Schuh-
bänder mit der Sicherheit ſeiner eignen Perſon aufkommen zu
wollen.
Dämmerung liegt auf dem Dorf, als der Zug in die Dorf-
ſtraße einzieht; die Spielgefährten, die zu Geburtstag in’s Pfarr-
haus geladen worden waren, ſchlüpfen rechts und links in die
offenſtehenden Thüren, unſere Freunde aber halten alsbald unter
den alten Pfarrhaus-Kaſtanien und „Paſtor Schmidt von Wer-
neuchen“ (denn er iſt es) vorantretend, lüftet nunmehr im Haus-
flur ſein ſchwarzes Käppchen und dem nach ihm eintretenden Paare
ſeine Hand entgegenſtreckend, begrüßt er ſie mit einem herzlichen:
„geſegnet ſei euer Eingang.“ Dann ſchließen ſich Thür und Laden,
nur flüchtig ſchimmert noch Licht und klingen noch Stimmen.
Die Sterne ziehen herauf und es iſt ſtill in Dorf und Haus.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/300>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.