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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Wenn die Reiher zur Flucht, im einsam schwirrenden See-Rohr,
Ahnend den Sturm, sich versammelten, -- wenn er am Gitter der
Pfarre
Heulend die braunen Kastanien aus platzenden Schalen zur Erde
Warf und die schüchternen Krammetsvögel vom Felde zu Busch trieb;
Froher alsdann als der Sperling im Dach, dem von hinten die
Federn
Ueber's Köpfchen der Sturmwind blies, unterhielt ich so gerne
In dem rothen Kamine die Gluth mit knisternden Spähnen.

Dies genüge. Wer den Sinn für Naturbeschreibung hat,
wird in diesen wenigen Zeilen Züge von ganz ungewöhnlicher
Feinheit finden (z. B. die Schilderung des Sperlings in der
zweit- und drittletzten Zeile) und nicht länger Lust haben, den
Schmidt von Werneuchen zu den bloßen Reimschmieden zu werfen.

Uebrigens muß er zu seiner Zeit, trotz aller Gegnerschaft,
auch zahlreiche Freunde und Verehrer gehabt haben; selbst die
Goethe'schen Spottverse, die wohl nicht geschrieben worden wären,
wenn nicht der Dichter, gegen den sie sich richteten, einer gewissen
Popularität genossen hätte, deuten durch ihr bloßes Vorhandensein
darauf hin. Deutlicher spricht dafür die äußere Ausstattung, in
der diese Gedichte damals vor das Publicum traten: beneidenswerth
schöner Druck, und die beiden ersten Sammlungen von der Hand
Chodowiecki's und seiner besten Schüler illustrirt. Solche kostspie-
lige Ausstattung wagten die Verleger wohl nur, wo das Ansehen
des Poeten, oder wenigstens seine locale Popularität, einen sichern
Absatz in Aussicht stellte.

Eine locale Bedeutung hatte er allerdings, und wer das
Wesen der Märker, insonderheit auch der Berliner, näher kennt,
wird sich über diese Popularität, die ihm entgegen getragen wurde,
nicht wundern. Denn die Märker lieben es, hinter ironischer Neckerei
ihre Liebe zu verstecken, und während sie sich anschicken, über die
eigene Heimath, über die "Streusandbüchse" und die kahlen Pla-
teau's, die "nichts als Gegend" sind, die spöttischsten und über-
triebensten Bemerkungen zu machen, horchen sie doch mit inner-
licher Befriedigung auf, wenn Jemand den Muth hat, für "Sumpf

Wenn die Reiher zur Flucht, im einſam ſchwirrenden See-Rohr,
Ahnend den Sturm, ſich verſammelten, — wenn er am Gitter der
Pfarre
Heulend die braunen Kaſtanien aus platzenden Schalen zur Erde
Warf und die ſchüchternen Krammetsvögel vom Felde zu Buſch trieb;
Froher alsdann als der Sperling im Dach, dem von hinten die
Federn
Ueber’s Köpfchen der Sturmwind blies, unterhielt ich ſo gerne
In dem rothen Kamine die Gluth mit kniſternden Spähnen.

Dies genüge. Wer den Sinn für Naturbeſchreibung hat,
wird in dieſen wenigen Zeilen Züge von ganz ungewöhnlicher
Feinheit finden (z. B. die Schilderung des Sperlings in der
zweit- und drittletzten Zeile) und nicht länger Luſt haben, den
Schmidt von Werneuchen zu den bloßen Reimſchmieden zu werfen.

Uebrigens muß er zu ſeiner Zeit, trotz aller Gegnerſchaft,
auch zahlreiche Freunde und Verehrer gehabt haben; ſelbſt die
Goethe’ſchen Spottverſe, die wohl nicht geſchrieben worden wären,
wenn nicht der Dichter, gegen den ſie ſich richteten, einer gewiſſen
Popularität genoſſen hätte, deuten durch ihr bloßes Vorhandenſein
darauf hin. Deutlicher ſpricht dafür die äußere Ausſtattung, in
der dieſe Gedichte damals vor das Publicum traten: beneidenswerth
ſchöner Druck, und die beiden erſten Sammlungen von der Hand
Chodowiecki’s und ſeiner beſten Schüler illuſtrirt. Solche koſtſpie-
lige Ausſtattung wagten die Verleger wohl nur, wo das Anſehen
des Poeten, oder wenigſtens ſeine locale Popularität, einen ſichern
Abſatz in Ausſicht ſtellte.

Eine locale Bedeutung hatte er allerdings, und wer das
Weſen der Märker, inſonderheit auch der Berliner, näher kennt,
wird ſich über dieſe Popularität, die ihm entgegen getragen wurde,
nicht wundern. Denn die Märker lieben es, hinter ironiſcher Neckerei
ihre Liebe zu verſtecken, und während ſie ſich anſchicken, über die
eigene Heimath, über die „Streuſandbüchſe“ und die kahlen Pla-
teau’s, die „nichts als Gegend“ ſind, die ſpöttiſchſten und über-
triebenſten Bemerkungen zu machen, horchen ſie doch mit inner-
licher Befriedigung auf, wenn Jemand den Muth hat, für „Sumpf

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[294/0312] Wenn die Reiher zur Flucht, im einſam ſchwirrenden See-Rohr, Ahnend den Sturm, ſich verſammelten, — wenn er am Gitter der Pfarre Heulend die braunen Kaſtanien aus platzenden Schalen zur Erde Warf und die ſchüchternen Krammetsvögel vom Felde zu Buſch trieb; Froher alsdann als der Sperling im Dach, dem von hinten die Federn Ueber’s Köpfchen der Sturmwind blies, unterhielt ich ſo gerne In dem rothen Kamine die Gluth mit kniſternden Spähnen. Dies genüge. Wer den Sinn für Naturbeſchreibung hat, wird in dieſen wenigen Zeilen Züge von ganz ungewöhnlicher Feinheit finden (z. B. die Schilderung des Sperlings in der zweit- und drittletzten Zeile) und nicht länger Luſt haben, den Schmidt von Werneuchen zu den bloßen Reimſchmieden zu werfen. Uebrigens muß er zu ſeiner Zeit, trotz aller Gegnerſchaft, auch zahlreiche Freunde und Verehrer gehabt haben; ſelbſt die Goethe’ſchen Spottverſe, die wohl nicht geſchrieben worden wären, wenn nicht der Dichter, gegen den ſie ſich richteten, einer gewiſſen Popularität genoſſen hätte, deuten durch ihr bloßes Vorhandenſein darauf hin. Deutlicher ſpricht dafür die äußere Ausſtattung, in der dieſe Gedichte damals vor das Publicum traten: beneidenswerth ſchöner Druck, und die beiden erſten Sammlungen von der Hand Chodowiecki’s und ſeiner beſten Schüler illuſtrirt. Solche koſtſpie- lige Ausſtattung wagten die Verleger wohl nur, wo das Anſehen des Poeten, oder wenigſtens ſeine locale Popularität, einen ſichern Abſatz in Ausſicht ſtellte. Eine locale Bedeutung hatte er allerdings, und wer das Weſen der Märker, inſonderheit auch der Berliner, näher kennt, wird ſich über dieſe Popularität, die ihm entgegen getragen wurde, nicht wundern. Denn die Märker lieben es, hinter ironiſcher Neckerei ihre Liebe zu verſtecken, und während ſie ſich anſchicken, über die eigene Heimath, über die „Streuſandbüchſe“ und die kahlen Pla- teau’s, die „nichts als Gegend“ ſind, die ſpöttiſchſten und über- triebenſten Bemerkungen zu machen, horchen ſie doch mit inner- licher Befriedigung auf, wenn Jemand den Muth hat, für „Sumpf

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/312>, abgerufen am 23.11.2024.