behaupten ihre Sätze so oft und so beharrlich, daß das kleinere Volk schließlich selber glaubt, es habe eigentlich wenig oder gar nichts gethan. Es kommt aber in dem vorliegenden Fall noch ein anderer Grund hinzu, und zwar der, daß auch in diesen Dingen das Local-Interesse das maßgebende ist. Fehrbellin liegt uns nah und Warschau liegt uns fern. Bis diesen Tag, das stehe hier zur Bestätigung, feiern wir Großbeeren und Dennewitz auf Kosten ent- scheidungsreicherer Tage, nur weil uns an beiden Tagen allerper- sönlichst das Feuer auf den Nägeln brannte. Die Menschen sind Egoisten in allen Stücken, auch in diesen.
Die Beschreibungen der Schlacht von Warschau pflegen des entscheidenden Angriffs Sparr's nur obenhin zu erwähnen; andere verschweigen ihn ganz. Es kann das, aus schon angeführtem Grunde, nicht verwundern; in den Augen der Welt standen wir neben dem damaligen Schweden natürlich in zweiter Reihe, und im eigenen Lande entbehrten wir der Chronisten, die sich unserer angenommen hätten. Pufendorf's Darstellung dieser Vorgänge (De rebus a Carolo Gustavo gestis) kam den Schweden, nicht uns zu Gute. Es könnte somit immerhin fraglich erscheinen, ob die Entscheidung an jenem glorreichen Tage in der That durch Sparr herbeigeführt wurde oder nicht, wenn nicht die Auszeichnungen, die ihm fast unmittelbar darauf von Seiten des Kurfürsten zu Theil wurden, darüber kaum noch einen Zweifel ließen. Am 26. Juni 1657 wurde er zum General-Feldmarschall (der erste in Brandenburg) ernannt und sein Gehalt auf eine für die damalige Zeit überraschende Höhe festgesetzt. Er erhielt 800 Thlr. monat- lich, Futter für 40 Pferde und Verpflegung für eine zahlreiche Dienerschaft. *) Auch Karl Gustav, unter dessen Augen er bei Warschau gekämpft hatte, bestätigte, freilich ebenfalls nur mittel- bar, das Entscheidende des Sparr'schen Angriffs, indem er kurz
*) Wegen schlechter Finanzlage des Landes wurden die Gehälter bald darauf (1660) herabgesetzt und Sparr erhielt von da ab nur noch unge- fähr 500 Thlr. monatlich und 120 Scheffel Korn.
behaupten ihre Sätze ſo oft und ſo beharrlich, daß das kleinere Volk ſchließlich ſelber glaubt, es habe eigentlich wenig oder gar nichts gethan. Es kommt aber in dem vorliegenden Fall noch ein anderer Grund hinzu, und zwar der, daß auch in dieſen Dingen das Local-Intereſſe das maßgebende iſt. Fehrbellin liegt uns nah und Warſchau liegt uns fern. Bis dieſen Tag, das ſtehe hier zur Beſtätigung, feiern wir Großbeeren und Dennewitz auf Koſten ent- ſcheidungsreicherer Tage, nur weil uns an beiden Tagen allerper- ſönlichſt das Feuer auf den Nägeln brannte. Die Menſchen ſind Egoiſten in allen Stücken, auch in dieſen.
Die Beſchreibungen der Schlacht von Warſchau pflegen des entſcheidenden Angriffs Sparr’s nur obenhin zu erwähnen; andere verſchweigen ihn ganz. Es kann das, aus ſchon angeführtem Grunde, nicht verwundern; in den Augen der Welt ſtanden wir neben dem damaligen Schweden natürlich in zweiter Reihe, und im eigenen Lande entbehrten wir der Chroniſten, die ſich unſerer angenommen hätten. Pufendorf’s Darſtellung dieſer Vorgänge (De rebus a Carolo Gustavo gestis) kam den Schweden, nicht uns zu Gute. Es könnte ſomit immerhin fraglich erſcheinen, ob die Entſcheidung an jenem glorreichen Tage in der That durch Sparr herbeigeführt wurde oder nicht, wenn nicht die Auszeichnungen, die ihm faſt unmittelbar darauf von Seiten des Kurfürſten zu Theil wurden, darüber kaum noch einen Zweifel ließen. Am 26. Juni 1657 wurde er zum General-Feldmarſchall (der erſte in Brandenburg) ernannt und ſein Gehalt auf eine für die damalige Zeit überraſchende Höhe feſtgeſetzt. Er erhielt 800 Thlr. monat- lich, Futter für 40 Pferde und Verpflegung für eine zahlreiche Dienerſchaft. *) Auch Karl Guſtav, unter deſſen Augen er bei Warſchau gekämpft hatte, beſtätigte, freilich ebenfalls nur mittel- bar, das Entſcheidende des Sparr’ſchen Angriffs, indem er kurz
*) Wegen ſchlechter Finanzlage des Landes wurden die Gehälter bald darauf (1660) herabgeſetzt und Sparr erhielt von da ab nur noch unge- fähr 500 Thlr. monatlich und 120 Scheffel Korn.
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behaupten ihre Sätze ſo oft und ſo beharrlich, daß das kleinere Volk
ſchließlich ſelber glaubt, es habe eigentlich wenig oder gar nichts
gethan. Es kommt aber in dem vorliegenden Fall noch ein anderer
Grund hinzu, und zwar der, daß auch in dieſen Dingen das
Local-Intereſſe das maßgebende iſt. Fehrbellin liegt uns nah
und Warſchau liegt uns fern. Bis dieſen Tag, das ſtehe hier zur
Beſtätigung, feiern wir Großbeeren und Dennewitz auf Koſten ent-
ſcheidungsreicherer Tage, nur weil uns an beiden Tagen allerper-
ſönlichſt das Feuer auf den Nägeln brannte. Die Menſchen ſind
Egoiſten in allen Stücken, auch in dieſen.
Die Beſchreibungen der Schlacht von Warſchau pflegen des
entſcheidenden Angriffs Sparr’s nur obenhin zu erwähnen; andere
verſchweigen ihn ganz. Es kann das, aus ſchon angeführtem
Grunde, nicht verwundern; in den Augen der Welt ſtanden wir
neben dem damaligen Schweden natürlich in zweiter Reihe, und
im eigenen Lande entbehrten wir der Chroniſten, die ſich unſerer
angenommen hätten. Pufendorf’s Darſtellung dieſer Vorgänge
(De rebus a Carolo Gustavo gestis) kam den Schweden, nicht
uns zu Gute. Es könnte ſomit immerhin fraglich erſcheinen, ob die
Entſcheidung an jenem glorreichen Tage in der That durch Sparr
herbeigeführt wurde oder nicht, wenn nicht die Auszeichnungen,
die ihm faſt unmittelbar darauf von Seiten des Kurfürſten zu
Theil wurden, darüber kaum noch einen Zweifel ließen. Am 26.
Juni 1657 wurde er zum General-Feldmarſchall (der erſte in
Brandenburg) ernannt und ſein Gehalt auf eine für die damalige
Zeit überraſchende Höhe feſtgeſetzt. Er erhielt 800 Thlr. monat-
lich, Futter für 40 Pferde und Verpflegung für eine zahlreiche
Dienerſchaft. *) Auch Karl Guſtav, unter deſſen Augen er bei
Warſchau gekämpft hatte, beſtätigte, freilich ebenfalls nur mittel-
bar, das Entſcheidende des Sparr’ſchen Angriffs, indem er kurz
*) Wegen ſchlechter Finanzlage des Landes wurden die Gehälter bald
darauf (1660) herabgeſetzt und Sparr erhielt von da ab nur noch unge-
fähr 500 Thlr. monatlich und 120 Scheffel Korn.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/324>, abgerufen am 23.11.2024.
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