Reisigsammlers Ziegenstall, als Zahlung für bei'm Sprengen und Ausgraben geleistete Dienste, sondern auch die Wirthschaftsgebäude des Krügers selber aus dem bequemen Steinbruch des alten Sparren-Schlosses gebaut seien. Ich trat nun in den Garten, um die noch vorhandenen Reste, die der Spreng- und Grabekunst der Prendener bisher gespottet haben, in Augenschein zu nehmen. An- fangs erschien mir Alles als eine unentwirrbare Masse, bald aber fand ich mich zurecht und konnte mit Hülfe der nach zwei Seiten hin völlig intact erhaltenen Fundamente, die Grundform des alten Schlosses leicht erkennen. Es scheint ein Gebäude von 50 Fuß Länge und halb so viel Tiefe gewesen zu sein, an das sich nach der Hofseite hin ein Thurm, wahrscheinlich der Treppenthurm, an- lehnte. Die schön gewölbten Keller sind theilweis noch im Gebrauch; bis vor Kurzem ließ sich das ganze Souterrain durchschreiten, und Küche und Waschküche (mit dem eingemauerten Kessel) waren un- verkennbar. Die Festigkeit dieser Fundamente ist ihr Schutz, sonst würden sie bald verschwunden sein, um als Stallgebäude wieder aufzuwachsen. Ein theilweiser Schutz mag ihnen auch das sein, daß sie hoch mit Erdreich überschüttet sind, so daß Birnbäume darauf wachsen und Hagebuttensträucher eine Art lebendiger Hecke bilden.
Ich pflückte einen Zweig ab, an dem bereits die rothen Beeren hingen, steckte ihn an den Hut und trat meinen Rückmarsch an. Als ich wieder auf der Höhe des Hügels war und noch einmal in das verschleiert daliegende Dorf zurückblickte, das jetzt, wo eben die Sonne unterging, in wunderbaren Farben schwamm, klang von der andern Hügelseite her die Betglocke zu mir herüber. Es waren die alten Sparrschen Glocken, und es war mir, als riefen sie mir ihren Gruß nach und einen Dank für freundliches Gedenken.
Als ich in den Forst trat, dunkelte es schon und die Fichten- kronen neigten sich tief im Abendwind. Ein Rauschen ging voll und wachsend durch den Wald. Ich zuckte zusammen, halb in Lächeln und halb in Bangen, und murmelte vor mich hin: "Sparr kümmt, -- man kann et nich weeten."
Reiſigſammlers Ziegenſtall, als Zahlung für bei’m Sprengen und Ausgraben geleiſtete Dienſte, ſondern auch die Wirthſchaftsgebäude des Krügers ſelber aus dem bequemen Steinbruch des alten Sparren-Schloſſes gebaut ſeien. Ich trat nun in den Garten, um die noch vorhandenen Reſte, die der Spreng- und Grabekunſt der Prendener bisher geſpottet haben, in Augenſchein zu nehmen. An- fangs erſchien mir Alles als eine unentwirrbare Maſſe, bald aber fand ich mich zurecht und konnte mit Hülfe der nach zwei Seiten hin völlig intact erhaltenen Fundamente, die Grundform des alten Schloſſes leicht erkennen. Es ſcheint ein Gebäude von 50 Fuß Länge und halb ſo viel Tiefe geweſen zu ſein, an das ſich nach der Hofſeite hin ein Thurm, wahrſcheinlich der Treppenthurm, an- lehnte. Die ſchön gewölbten Keller ſind theilweis noch im Gebrauch; bis vor Kurzem ließ ſich das ganze Souterrain durchſchreiten, und Küche und Waſchküche (mit dem eingemauerten Keſſel) waren un- verkennbar. Die Feſtigkeit dieſer Fundamente iſt ihr Schutz, ſonſt würden ſie bald verſchwunden ſein, um als Stallgebäude wieder aufzuwachſen. Ein theilweiſer Schutz mag ihnen auch das ſein, daß ſie hoch mit Erdreich überſchüttet ſind, ſo daß Birnbäume darauf wachſen und Hagebuttenſträucher eine Art lebendiger Hecke bilden.
Ich pflückte einen Zweig ab, an dem bereits die rothen Beeren hingen, ſteckte ihn an den Hut und trat meinen Rückmarſch an. Als ich wieder auf der Höhe des Hügels war und noch einmal in das verſchleiert daliegende Dorf zurückblickte, das jetzt, wo eben die Sonne unterging, in wunderbaren Farben ſchwamm, klang von der andern Hügelſeite her die Betglocke zu mir herüber. Es waren die alten Sparrſchen Glocken, und es war mir, als riefen ſie mir ihren Gruß nach und einen Dank für freundliches Gedenken.
Als ich in den Forſt trat, dunkelte es ſchon und die Fichten- kronen neigten ſich tief im Abendwind. Ein Rauſchen ging voll und wachſend durch den Wald. Ich zuckte zuſammen, halb in Lächeln und halb in Bangen, und murmelte vor mich hin: „Sparr kümmt, — man kann et nich weeten.“
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Reiſigſammlers Ziegenſtall, als Zahlung für bei’m Sprengen und
Ausgraben geleiſtete Dienſte, ſondern auch die Wirthſchaftsgebäude
des Krügers ſelber aus dem bequemen Steinbruch des alten
Sparren-Schloſſes gebaut ſeien. Ich trat nun in den Garten, um
die noch vorhandenen Reſte, die der Spreng- und Grabekunſt der
Prendener bisher geſpottet haben, in Augenſchein zu nehmen. An-
fangs erſchien mir Alles als eine unentwirrbare Maſſe, bald aber
fand ich mich zurecht und konnte mit Hülfe der nach zwei Seiten
hin völlig intact erhaltenen Fundamente, die Grundform des alten
Schloſſes leicht erkennen. Es ſcheint ein Gebäude von 50 Fuß
Länge und halb ſo viel Tiefe geweſen zu ſein, an das ſich nach
der Hofſeite hin ein Thurm, wahrſcheinlich der Treppenthurm, an-
lehnte. Die ſchön gewölbten Keller ſind theilweis noch im Gebrauch;
bis vor Kurzem ließ ſich das ganze Souterrain durchſchreiten, und
Küche und Waſchküche (mit dem eingemauerten Keſſel) waren un-
verkennbar. Die Feſtigkeit dieſer Fundamente iſt ihr Schutz, ſonſt
würden ſie bald verſchwunden ſein, um als Stallgebäude wieder
aufzuwachſen. Ein theilweiſer Schutz mag ihnen auch das ſein,
daß ſie hoch mit Erdreich überſchüttet ſind, ſo daß Birnbäume
darauf wachſen und Hagebuttenſträucher eine Art lebendiger Hecke
bilden.
Ich pflückte einen Zweig ab, an dem bereits die rothen Beeren
hingen, ſteckte ihn an den Hut und trat meinen Rückmarſch an.
Als ich wieder auf der Höhe des Hügels war und noch einmal
in das verſchleiert daliegende Dorf zurückblickte, das jetzt, wo eben
die Sonne unterging, in wunderbaren Farben ſchwamm, klang
von der andern Hügelſeite her die Betglocke zu mir herüber. Es
waren die alten Sparrſchen Glocken, und es war mir, als riefen
ſie mir ihren Gruß nach und einen Dank für freundliches Gedenken.
Als ich in den Forſt trat, dunkelte es ſchon und die Fichten-
kronen neigten ſich tief im Abendwind. Ein Rauſchen ging voll
und wachſend durch den Wald. Ich zuckte zuſammen, halb in
Lächeln und halb in Bangen, und murmelte vor mich hin:
„Sparr kümmt, — man kann et nich weeten.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/334>, abgerufen am 23.11.2024.
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