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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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dienst in die Wallgangskirche schicken zu können; wurde gewährt.
Etwa vierzig Jahre später, zur Zeit des "Soldatenkönigs," zeigte
das Festungskommando dem Magistrate an, daß die Kirche Gar-
nisonskirche
sei und daß die Küstriner Bürgerschaft nicht länger
Verfügung über dieselbe haben könne. Allgemeine Auflehnung.
Der Kommandant droht mit Gewalt, so bleibt nichts anderes
übrig, als eine Klage beim König. Vergeblich; der König fragt
an bei der Kommandantur, erhält Bescheid und entscheidet den
Streit durch folgende Kabinetsordre: "Mein lieber Oberst von
Reichmann, was Ihr mir wegen des Zustandes der dortigen Gar-
nisonskirche, als worüber der Magistrat sich eine Jurisdiction an-
maßen will, berichtet, solches habe ich mit mehrerem aus Eurem
Schreiben vom 17. d. ersehen; und habt Ihr solches in's Künf-
tige dem Magistrat auf keine Weise zu verstatten, sondern es soll
solche Kirche von dem Gouvernement dependiren. Ihr habt also
Eure Gerechtsame zu mainteniren. Ich werde Euch dabei auf alle
Weise zu souteniren wissen. Ich bin Ew. wohlaffektionirter König
Friedrich Wilhelm." Der Kommandant, begreiflicher Weise ermu-
thigt durch diese Ordre, begann jetzt ein städtisches Thor- und
Brückengeld zu erheben, um einen Prediger und Cantor für seine
eroberte Soldatenkirche besolden zu können. So mußten die Küstri-
ner noch für das bezahlen, was man ihnen genommen hatte. Mit
einem Muth, der in der Zeit des absoluten "Nicht raisonniren!"
aller Achtung werth war, protestirte die Bürgerschaft gegen alle
Uebergriffe und bezeichnete die Kabinetsordre als einen baren Ge-
waltstreich. Zur Zeit Friedrichs des Großen wurde der Streit wie-
der aufgenommen, aber, wie sich denken läßt, mit demselben Erfolg;
eben so unter seinem Nachfolger. Erst Friedrich Wilhelm III., mit
jenem unverbrüchlichen Rechtssinn, der für Soldat und Bürger
die Gesetze gleicher Billigkeit anerkannte, befahl eine Revision des
Prozesses und verhalf der Stadt zu ihrem Recht. Nachdem die
Rechtsfrage erledigt war, kamen die streitenden Parteien leicht zu
einer Versöhnung. Die Stadt trat die Kirche ab und empfängt
dafür, bis diesen Tag, einen jährlichen Zins.


dienſt in die Wallgangskirche ſchicken zu können; wurde gewährt.
Etwa vierzig Jahre ſpäter, zur Zeit des „Soldatenkönigs,“ zeigte
das Feſtungskommando dem Magiſtrate an, daß die Kirche Gar-
niſonskirche
ſei und daß die Küſtriner Bürgerſchaft nicht länger
Verfügung über dieſelbe haben könne. Allgemeine Auflehnung.
Der Kommandant droht mit Gewalt, ſo bleibt nichts anderes
übrig, als eine Klage beim König. Vergeblich; der König fragt
an bei der Kommandantur, erhält Beſcheid und entſcheidet den
Streit durch folgende Kabinetsordre: „Mein lieber Oberſt von
Reichmann, was Ihr mir wegen des Zuſtandes der dortigen Gar-
niſonskirche, als worüber der Magiſtrat ſich eine Jurisdiction an-
maßen will, berichtet, ſolches habe ich mit mehrerem aus Eurem
Schreiben vom 17. d. erſehen; und habt Ihr ſolches in’s Künf-
tige dem Magiſtrat auf keine Weiſe zu verſtatten, ſondern es ſoll
ſolche Kirche von dem Gouvernement dependiren. Ihr habt alſo
Eure Gerechtſame zu mainteniren. Ich werde Euch dabei auf alle
Weiſe zu ſouteniren wiſſen. Ich bin Ew. wohlaffektionirter König
Friedrich Wilhelm.“ Der Kommandant, begreiflicher Weiſe ermu-
thigt durch dieſe Ordre, begann jetzt ein ſtädtiſches Thor- und
Brückengeld zu erheben, um einen Prediger und Cantor für ſeine
eroberte Soldatenkirche beſolden zu können. So mußten die Küſtri-
ner noch für das bezahlen, was man ihnen genommen hatte. Mit
einem Muth, der in der Zeit des abſoluten „Nicht raiſonniren!“
aller Achtung werth war, proteſtirte die Bürgerſchaft gegen alle
Uebergriffe und bezeichnete die Kabinetsordre als einen baren Ge-
waltſtreich. Zur Zeit Friedrichs des Großen wurde der Streit wie-
der aufgenommen, aber, wie ſich denken läßt, mit demſelben Erfolg;
eben ſo unter ſeinem Nachfolger. Erſt Friedrich Wilhelm III., mit
jenem unverbrüchlichen Rechtsſinn, der für Soldat und Bürger
die Geſetze gleicher Billigkeit anerkannte, befahl eine Reviſion des
Prozeſſes und verhalf der Stadt zu ihrem Recht. Nachdem die
Rechtsfrage erledigt war, kamen die ſtreitenden Parteien leicht zu
einer Verſöhnung. Die Stadt trat die Kirche ab und empfängt
dafür, bis dieſen Tag, einen jährlichen Zins.


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[333/0351] dienſt in die Wallgangskirche ſchicken zu können; wurde gewährt. Etwa vierzig Jahre ſpäter, zur Zeit des „Soldatenkönigs,“ zeigte das Feſtungskommando dem Magiſtrate an, daß die Kirche Gar- niſonskirche ſei und daß die Küſtriner Bürgerſchaft nicht länger Verfügung über dieſelbe haben könne. Allgemeine Auflehnung. Der Kommandant droht mit Gewalt, ſo bleibt nichts anderes übrig, als eine Klage beim König. Vergeblich; der König fragt an bei der Kommandantur, erhält Beſcheid und entſcheidet den Streit durch folgende Kabinetsordre: „Mein lieber Oberſt von Reichmann, was Ihr mir wegen des Zuſtandes der dortigen Gar- niſonskirche, als worüber der Magiſtrat ſich eine Jurisdiction an- maßen will, berichtet, ſolches habe ich mit mehrerem aus Eurem Schreiben vom 17. d. erſehen; und habt Ihr ſolches in’s Künf- tige dem Magiſtrat auf keine Weiſe zu verſtatten, ſondern es ſoll ſolche Kirche von dem Gouvernement dependiren. Ihr habt alſo Eure Gerechtſame zu mainteniren. Ich werde Euch dabei auf alle Weiſe zu ſouteniren wiſſen. Ich bin Ew. wohlaffektionirter König Friedrich Wilhelm.“ Der Kommandant, begreiflicher Weiſe ermu- thigt durch dieſe Ordre, begann jetzt ein ſtädtiſches Thor- und Brückengeld zu erheben, um einen Prediger und Cantor für ſeine eroberte Soldatenkirche beſolden zu können. So mußten die Küſtri- ner noch für das bezahlen, was man ihnen genommen hatte. Mit einem Muth, der in der Zeit des abſoluten „Nicht raiſonniren!“ aller Achtung werth war, proteſtirte die Bürgerſchaft gegen alle Uebergriffe und bezeichnete die Kabinetsordre als einen baren Ge- waltſtreich. Zur Zeit Friedrichs des Großen wurde der Streit wie- der aufgenommen, aber, wie ſich denken läßt, mit demſelben Erfolg; eben ſo unter ſeinem Nachfolger. Erſt Friedrich Wilhelm III., mit jenem unverbrüchlichen Rechtsſinn, der für Soldat und Bürger die Geſetze gleicher Billigkeit anerkannte, befahl eine Reviſion des Prozeſſes und verhalf der Stadt zu ihrem Recht. Nachdem die Rechtsfrage erledigt war, kamen die ſtreitenden Parteien leicht zu einer Verſöhnung. Die Stadt trat die Kirche ab und empfängt dafür, bis dieſen Tag, einen jährlichen Zins.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/351>, abgerufen am 23.11.2024.