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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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und Jagdgesinde war dann um ihn her, auch die Söhne wohl,
die ihm Anna Sydow "die schöne Gießerin", geboren hatte. In
früheren Jahren hatte die schöne Gießerin selbst bei diesen Lustbar-
keiten nicht gefehlt, bis ein an und für sich geringfügiger Vorfall
einen tiefen Eindruck auf des Kurfürsten Herz machte. Die Bauern
sahen, bei einer der Jagden, Anna Sydow sammt ihren Kin-
dern neben dem Kurfürsten stehen und fragten sich einander: "ist
das unsres gnädigsten Herrn unrechte Frau? sind das die unrech-
ten Kinder? wie darf er's thun und wir nicht?" Der Kur-
fürst hörte alles und flüsterte der Gießerin zu: "Du solltest bei
Seite gehn." Seitdem mied sie die öffentlichen Feste.

In diesem Jagdschloß zu Coepenick, das sich Joachim II.
um 1550 erbaut hatte, starb er, zwanzig Jahre später, am 3.
Januar 1571. Eine Wolfsjagd sollte abgehalten werden, trotz der
bittren Kälte, die herrschte, und der sechsundsechzigjährige Joachim
freute sich noch einmal des edlen Waidwerks, dran zeitlebens sein
Herz gehangen hatte. Gegen Abend kehrte er aus den Müggelsee-
Forsten nach Schloß Coepenick zurück und versammelte seine Räthe
und Diener um sich her; -- Distelmeier der Kanzler, Mat-
thias
von Saldern, Albrecht von Thümen, der General-
Superintendent Musculus, alle waren zugegen. Man setzte sich
zu Tisch und speis'te in christlicher Fröhlichkeit. Der Kurfürst
empfand nur ein leises Unbehagen. Der Diskurs ging bald von
geistlichen Dingen und der Page wurde beauftragt, Dr. Lutheri
Predigt über die Weissagung des alten Simeon (Paul Luther,
ein Sohn des Reformators, war Leibarzt des Kurfürsten) vorzu-
lesen. Nach der Vorlesung wurde viel von Christi Tod und Auf-
erstehung gesprochen, von seiner großen Liebe und seinen bittren
Leiden; dabei zeichnete der Kurfürst ein Crucifix auf den Tisch,
betrachtete es andächtiglich und ging dann zu Bett. Als er indessen
kaum einige Stunden geruht, überfiel ihn eine Pressung auf der
Brust, mit einer starken Ohnmacht. Der Kanzler und die Räthe
wurden geweckt, aber das Uebel wuchs rasch und nach einigen

und Jagdgeſinde war dann um ihn her, auch die Söhne wohl,
die ihm Anna Sydow „die ſchöne Gießerin“, geboren hatte. In
früheren Jahren hatte die ſchöne Gießerin ſelbſt bei dieſen Luſtbar-
keiten nicht gefehlt, bis ein an und für ſich geringfügiger Vorfall
einen tiefen Eindruck auf des Kurfürſten Herz machte. Die Bauern
ſahen, bei einer der Jagden, Anna Sydow ſammt ihren Kin-
dern neben dem Kurfürſten ſtehen und fragten ſich einander: „iſt
das unſres gnädigſten Herrn unrechte Frau? ſind das die unrech-
ten Kinder? wie darf er’s thun und wir nicht?“ Der Kur-
fürſt hörte alles und flüſterte der Gießerin zu: „Du ſollteſt bei
Seite gehn.“ Seitdem mied ſie die öffentlichen Feſte.

In dieſem Jagdſchloß zu Coepenick, das ſich Joachim II.
um 1550 erbaut hatte, ſtarb er, zwanzig Jahre ſpäter, am 3.
Januar 1571. Eine Wolfsjagd ſollte abgehalten werden, trotz der
bittren Kälte, die herrſchte, und der ſechsundſechzigjährige Joachim
freute ſich noch einmal des edlen Waidwerks, dran zeitlebens ſein
Herz gehangen hatte. Gegen Abend kehrte er aus den Müggelſee-
Forſten nach Schloß Coepenick zurück und verſammelte ſeine Räthe
und Diener um ſich her; — Diſtelmeier der Kanzler, Mat-
thias
von Saldern, Albrecht von Thümen, der General-
Superintendent Musculus, alle waren zugegen. Man ſetzte ſich
zu Tiſch und ſpeiſ’te in chriſtlicher Fröhlichkeit. Der Kurfürſt
empfand nur ein leiſes Unbehagen. Der Diskurs ging bald von
geiſtlichen Dingen und der Page wurde beauftragt, Dr. Lutheri
Predigt über die Weiſſagung des alten Simeon (Paul Luther,
ein Sohn des Reformators, war Leibarzt des Kurfürſten) vorzu-
leſen. Nach der Vorleſung wurde viel von Chriſti Tod und Auf-
erſtehung geſprochen, von ſeiner großen Liebe und ſeinen bittren
Leiden; dabei zeichnete der Kurfürſt ein Crucifix auf den Tiſch,
betrachtete es andächtiglich und ging dann zu Bett. Als er indeſſen
kaum einige Stunden geruht, überfiel ihn eine Preſſung auf der
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[344/0362] und Jagdgeſinde war dann um ihn her, auch die Söhne wohl, die ihm Anna Sydow „die ſchöne Gießerin“, geboren hatte. In früheren Jahren hatte die ſchöne Gießerin ſelbſt bei dieſen Luſtbar- keiten nicht gefehlt, bis ein an und für ſich geringfügiger Vorfall einen tiefen Eindruck auf des Kurfürſten Herz machte. Die Bauern ſahen, bei einer der Jagden, Anna Sydow ſammt ihren Kin- dern neben dem Kurfürſten ſtehen und fragten ſich einander: „iſt das unſres gnädigſten Herrn unrechte Frau? ſind das die unrech- ten Kinder? wie darf er’s thun und wir nicht?“ Der Kur- fürſt hörte alles und flüſterte der Gießerin zu: „Du ſollteſt bei Seite gehn.“ Seitdem mied ſie die öffentlichen Feſte. In dieſem Jagdſchloß zu Coepenick, das ſich Joachim II. um 1550 erbaut hatte, ſtarb er, zwanzig Jahre ſpäter, am 3. Januar 1571. Eine Wolfsjagd ſollte abgehalten werden, trotz der bittren Kälte, die herrſchte, und der ſechsundſechzigjährige Joachim freute ſich noch einmal des edlen Waidwerks, dran zeitlebens ſein Herz gehangen hatte. Gegen Abend kehrte er aus den Müggelſee- Forſten nach Schloß Coepenick zurück und verſammelte ſeine Räthe und Diener um ſich her; — Diſtelmeier der Kanzler, Mat- thias von Saldern, Albrecht von Thümen, der General- Superintendent Musculus, alle waren zugegen. Man ſetzte ſich zu Tiſch und ſpeiſ’te in chriſtlicher Fröhlichkeit. Der Kurfürſt empfand nur ein leiſes Unbehagen. Der Diskurs ging bald von geiſtlichen Dingen und der Page wurde beauftragt, Dr. Lutheri Predigt über die Weiſſagung des alten Simeon (Paul Luther, ein Sohn des Reformators, war Leibarzt des Kurfürſten) vorzu- leſen. Nach der Vorleſung wurde viel von Chriſti Tod und Auf- erſtehung geſprochen, von ſeiner großen Liebe und ſeinen bittren Leiden; dabei zeichnete der Kurfürſt ein Crucifix auf den Tiſch, betrachtete es andächtiglich und ging dann zu Bett. Als er indeſſen kaum einige Stunden geruht, überfiel ihn eine Preſſung auf der Bruſt, mit einer ſtarken Ohnmacht. Der Kanzler und die Räthe wurden geweckt, aber das Uebel wuchs raſch und nach einigen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/362>, abgerufen am 24.11.2024.