ten sich neben der Pracht und Stattlichkeit der Renaissance nicht länger behaupten. Sie schienen nicht ebenbürtig mehr und räumten das Feld. 1658 wurde ein alchymistisches Laboratorium, eine Goldmache-Werkstatt in denselben Zimmern eingerichtet, drin Kur- fürst Joachim kaum 100 Jahre früher, den selbsterlegten Hirsch auf reichbesetzter Tafel gehabt hatte und endlich 1677 fiel das alte Jagdschloß gänzlich, um einem Neubau, dem dritten also, der sich an dieser Stelle erhob, Platz zu machen.
Diesem dritten Schloß Coepenick, einer Schöpfung Rütger's von Langenfeld, der es um die angegebene Zeit für den Kur- prinzen Friedrich erbaute, gilt nunmehr unser Besuch.
Wir benutzen den Omnibus, der zwischen Berlin und Coepe- nick fährt, haben, ähnlich wie auf einer Fahrt nach Charlottenburg, ein sauberes, sorglich gepflegtes Gehölz zu beiden Seiten und rollen an einem klaren Herbsttage die Chaussee entlang, in das Wäldchen hinein. Die Bäume um uns her sind noch jung, kaum älter als wir selbst, aber sie führen uns doch an Plätzen historischer Erinne- rung vorbei, zunächst an jener Waldwiese, wo einige Heißsporns vom schwer beleidigten märkischen Adel den jugendlichen Joachim aufzuheben gedachten, dann um jenes oben erwähnte Rendezvous herum, wo Gustav Adolph und Kurfürst George Wilhelm zu- sammentrafen und so wenig befriedigt von einander schieden. In raschem Trabe geht es dahin, die Pferde werfen die Köpfe und ziehen die Luft mit einem Behagen ein, als freuten sie sich der Herbstesfrische. Die Eichen und Birken, die eingesprengt im Tannicht stehn, lassen die Landschaft in allen Farben schillern und der herbe Duft des Eichenlaubes dringt zu uns in den Wagen hinein. Jetzt aber trifft uns ein Luftzug mit seiner feuchten Kühle, der dem Reisenden ein Wasser ankündigt, auch bevor er es gesehen, und im nächsten Augenblick haben wir ein breites Strombett vor uns, an dessen jenseitigem Ufer, aus hohen Pappeln hervor, ein grau- gelber Schloßbau ragt. Ueber die Brücke hin rollt der Wagen,
ten ſich neben der Pracht und Stattlichkeit der Renaiſſance nicht länger behaupten. Sie ſchienen nicht ebenbürtig mehr und räumten das Feld. 1658 wurde ein alchymiſtiſches Laboratorium, eine Goldmache-Werkſtatt in denſelben Zimmern eingerichtet, drin Kur- fürſt Joachim kaum 100 Jahre früher, den ſelbſterlegten Hirſch auf reichbeſetzter Tafel gehabt hatte und endlich 1677 fiel das alte Jagdſchloß gänzlich, um einem Neubau, dem dritten alſo, der ſich an dieſer Stelle erhob, Platz zu machen.
Dieſem dritten Schloß Coepenick, einer Schöpfung Rütger’s von Langenfeld, der es um die angegebene Zeit für den Kur- prinzen Friedrich erbaute, gilt nunmehr unſer Beſuch.
Wir benutzen den Omnibus, der zwiſchen Berlin und Coepe- nick fährt, haben, ähnlich wie auf einer Fahrt nach Charlottenburg, ein ſauberes, ſorglich gepflegtes Gehölz zu beiden Seiten und rollen an einem klaren Herbſttage die Chauſſee entlang, in das Wäldchen hinein. Die Bäume um uns her ſind noch jung, kaum älter als wir ſelbſt, aber ſie führen uns doch an Plätzen hiſtoriſcher Erinne- rung vorbei, zunächſt an jener Waldwieſe, wo einige Heißſporns vom ſchwer beleidigten märkiſchen Adel den jugendlichen Joachim aufzuheben gedachten, dann um jenes oben erwähnte Rendezvous herum, wo Guſtav Adolph und Kurfürſt George Wilhelm zu- ſammentrafen und ſo wenig befriedigt von einander ſchieden. In raſchem Trabe geht es dahin, die Pferde werfen die Köpfe und ziehen die Luft mit einem Behagen ein, als freuten ſie ſich der Herbſtesfriſche. Die Eichen und Birken, die eingeſprengt im Tannicht ſtehn, laſſen die Landſchaft in allen Farben ſchillern und der herbe Duft des Eichenlaubes dringt zu uns in den Wagen hinein. Jetzt aber trifft uns ein Luftzug mit ſeiner feuchten Kühle, der dem Reiſenden ein Waſſer ankündigt, auch bevor er es geſehen, und im nächſten Augenblick haben wir ein breites Strombett vor uns, an deſſen jenſeitigem Ufer, aus hohen Pappeln hervor, ein grau- gelber Schloßbau ragt. Ueber die Brücke hin rollt der Wagen,
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ten ſich neben der Pracht und Stattlichkeit der Renaiſſance nicht
länger behaupten. Sie ſchienen nicht ebenbürtig mehr und räumten
das Feld. 1658 wurde ein alchymiſtiſches Laboratorium, eine
Goldmache-Werkſtatt in denſelben Zimmern eingerichtet, drin Kur-
fürſt Joachim kaum 100 Jahre früher, den ſelbſterlegten Hirſch
auf reichbeſetzter Tafel gehabt hatte und endlich 1677 fiel das
alte Jagdſchloß gänzlich, um einem Neubau, dem dritten alſo,
der ſich an dieſer Stelle erhob, Platz zu machen.
Dieſem dritten Schloß Coepenick, einer Schöpfung Rütger’s
von Langenfeld, der es um die angegebene Zeit für den Kur-
prinzen Friedrich erbaute, gilt nunmehr unſer Beſuch.
Wir benutzen den Omnibus, der zwiſchen Berlin und Coepe-
nick fährt, haben, ähnlich wie auf einer Fahrt nach Charlottenburg,
ein ſauberes, ſorglich gepflegtes Gehölz zu beiden Seiten und rollen
an einem klaren Herbſttage die Chauſſee entlang, in das Wäldchen
hinein. Die Bäume um uns her ſind noch jung, kaum älter als
wir ſelbſt, aber ſie führen uns doch an Plätzen hiſtoriſcher Erinne-
rung vorbei, zunächſt an jener Waldwieſe, wo einige Heißſporns
vom ſchwer beleidigten märkiſchen Adel den jugendlichen Joachim
aufzuheben gedachten, dann um jenes oben erwähnte Rendezvous
herum, wo Guſtav Adolph und Kurfürſt George Wilhelm zu-
ſammentrafen und ſo wenig befriedigt von einander ſchieden. In
raſchem Trabe geht es dahin, die Pferde werfen die Köpfe und
ziehen die Luft mit einem Behagen ein, als freuten ſie ſich der
Herbſtesfriſche. Die Eichen und Birken, die eingeſprengt im Tannicht
ſtehn, laſſen die Landſchaft in allen Farben ſchillern und der herbe
Duft des Eichenlaubes dringt zu uns in den Wagen hinein. Jetzt
aber trifft uns ein Luftzug mit ſeiner feuchten Kühle, der dem
Reiſenden ein Waſſer ankündigt, auch bevor er es geſehen, und
im nächſten Augenblick haben wir ein breites Strombett vor uns,
an deſſen jenſeitigem Ufer, aus hohen Pappeln hervor, ein grau-
gelber Schloßbau ragt. Ueber die Brücke hin rollt der Wagen,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/364>, abgerufen am 25.11.2024.
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