Künste des Friedens, so tritt er an uns heran. Nur zwei kurze Jahre waren ihm an dieser Stelle gegönnt, aber sie genügten ihm, um überall eine Spur seines Wirkens, den charakteristischen Stem- pel seines Geistes zurückzulassen. Wir übergehen kleinere Dinge, Urnen und Inschriften, die sich in den schattigen Gängen des Par- kes vorfinden und treten im ersten Stock des Schlosses, nachdem wir eine Reihe von Gemächern und Corridoren passirt haben, an ein nach Süd-Osten hin gelegenes Eckzimmer, dessen eines Fenster auf den Park, das andere auf die wendische Spree herniederblickt. Eine Doppelthür bildet den Eingang. Es ist nicht leicht möglich, beim Durchstöbern alter Schlösser einem überraschenderen Anblick zu begegnen, als ihn dieses Zimmer bietet. Der ganze Raum ist zeltartig mit weißer und gelber Gaze ausgeschlagen und zwar so, daß die obere Gaze-Drapirung die Decke in zwei gleiche Hälften theilt. An jeder der beiden Stellen, wo die Gaze wie zu einer Art Betthimmel zusammengefaltet ist, befindet sich ein Deckengemälde allegorischen Inhalts. Auf dem ersten, mehr dem Fenster zu gele- genen Bilde bringt Mercur der Minerva eine Pergamentrolle, auf der der Name Roßbach steht; Minerva ihrerseits hält einen Lorbeerkranz in der Rechten, bereit ihn gegen die Siegesbotschaft auszutauschen. Das zweite Bild, ungleich besser in Composition und Farbe als das erste, stellt eine Apotheose des großen Königs dar. Auf einer Felsenburg zur Linken stehen Bewaffnete und blicken einer Anzahl davon eilender Genien nach, die das gold- umrahmte Bildniß Friedrichs in ihrer Mitte tragen und mit ihrer Last dem Tempel des Ruhmes zuschweben. Zur Rechten ragt der Tempel selber auf, an dessen Stufen die hohe Göttin steht, be- reit, das Bildniß des Königs mit ihrem Sternen-Diadem zu krönen. Von Mobiliar keine Spur in diesen vier Wänden. Seit Schmettau vor mehr als 50 Jahren diese Zimmer verließ, sind sie unbewohnt geblieben und diese Dekoration von Gaze und Spinnweb, dieses Durcheinander von Farbenfrische und blinden Fensterscheiben, von Apotheose und Staub, macht eine Wirkung, der sich wenige Besucher werden entziehen können. Höchstes und
Künſte des Friedens, ſo tritt er an uns heran. Nur zwei kurze Jahre waren ihm an dieſer Stelle gegönnt, aber ſie genügten ihm, um überall eine Spur ſeines Wirkens, den charakteriſtiſchen Stem- pel ſeines Geiſtes zurückzulaſſen. Wir übergehen kleinere Dinge, Urnen und Inſchriften, die ſich in den ſchattigen Gängen des Par- kes vorfinden und treten im erſten Stock des Schloſſes, nachdem wir eine Reihe von Gemächern und Corridoren paſſirt haben, an ein nach Süd-Oſten hin gelegenes Eckzimmer, deſſen eines Fenſter auf den Park, das andere auf die wendiſche Spree herniederblickt. Eine Doppelthür bildet den Eingang. Es iſt nicht leicht möglich, beim Durchſtöbern alter Schlöſſer einem überraſchenderen Anblick zu begegnen, als ihn dieſes Zimmer bietet. Der ganze Raum iſt zeltartig mit weißer und gelber Gaze ausgeſchlagen und zwar ſo, daß die obere Gaze-Drapirung die Decke in zwei gleiche Hälften theilt. An jeder der beiden Stellen, wo die Gaze wie zu einer Art Betthimmel zuſammengefaltet iſt, befindet ſich ein Deckengemälde allegoriſchen Inhalts. Auf dem erſten, mehr dem Fenſter zu gele- genen Bilde bringt Mercur der Minerva eine Pergamentrolle, auf der der Name Roßbach ſteht; Minerva ihrerſeits hält einen Lorbeerkranz in der Rechten, bereit ihn gegen die Siegesbotſchaft auszutauſchen. Das zweite Bild, ungleich beſſer in Compoſition und Farbe als das erſte, ſtellt eine Apotheoſe des großen Königs dar. Auf einer Felſenburg zur Linken ſtehen Bewaffnete und blicken einer Anzahl davon eilender Genien nach, die das gold- umrahmte Bildniß Friedrichs in ihrer Mitte tragen und mit ihrer Laſt dem Tempel des Ruhmes zuſchweben. Zur Rechten ragt der Tempel ſelber auf, an deſſen Stufen die hohe Göttin ſteht, be- reit, das Bildniß des Königs mit ihrem Sternen-Diadem zu krönen. Von Mobiliar keine Spur in dieſen vier Wänden. Seit Schmettau vor mehr als 50 Jahren dieſe Zimmer verließ, ſind ſie unbewohnt geblieben und dieſe Dekoration von Gaze und Spinnweb, dieſes Durcheinander von Farbenfriſche und blinden Fenſterſcheiben, von Apotheoſe und Staub, macht eine Wirkung, der ſich wenige Beſucher werden entziehen können. Höchſtes und
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Künſte des Friedens, ſo tritt er an uns heran. Nur zwei kurze
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um überall eine Spur ſeines Wirkens, den charakteriſtiſchen Stem-
pel ſeines Geiſtes zurückzulaſſen. Wir übergehen kleinere Dinge,
Urnen und Inſchriften, die ſich in den ſchattigen Gängen des Par-
kes vorfinden und treten im erſten Stock des Schloſſes, nachdem
wir eine Reihe von Gemächern und Corridoren paſſirt haben, an
ein nach Süd-Oſten hin gelegenes Eckzimmer, deſſen eines Fenſter
auf den Park, das andere auf die wendiſche Spree herniederblickt.
Eine Doppelthür bildet den Eingang. Es iſt nicht leicht möglich,
beim Durchſtöbern alter Schlöſſer einem überraſchenderen Anblick
zu begegnen, als ihn dieſes Zimmer bietet. Der ganze Raum iſt
zeltartig mit weißer und gelber Gaze ausgeſchlagen und zwar ſo,
daß die obere Gaze-Drapirung die Decke in zwei gleiche Hälften
theilt. An jeder der beiden Stellen, wo die Gaze wie zu einer Art
Betthimmel zuſammengefaltet iſt, befindet ſich ein Deckengemälde
allegoriſchen Inhalts. Auf dem erſten, mehr dem Fenſter zu gele-
genen Bilde bringt Mercur der Minerva eine Pergamentrolle,
auf der der Name Roßbach ſteht; Minerva ihrerſeits hält einen
Lorbeerkranz in der Rechten, bereit ihn gegen die Siegesbotſchaft
auszutauſchen. Das zweite Bild, ungleich beſſer in Compoſition
und Farbe als das erſte, ſtellt eine Apotheoſe des großen Königs
dar. Auf einer Felſenburg zur Linken ſtehen Bewaffnete und
blicken einer Anzahl davon eilender Genien nach, die das gold-
umrahmte Bildniß Friedrichs in ihrer Mitte tragen und mit ihrer
Laſt dem Tempel des Ruhmes zuſchweben. Zur Rechten ragt der
Tempel ſelber auf, an deſſen Stufen die hohe Göttin ſteht, be-
reit, das Bildniß des Königs mit ihrem Sternen-Diadem zu
krönen. Von Mobiliar keine Spur in dieſen vier Wänden. Seit
Schmettau vor mehr als 50 Jahren dieſe Zimmer verließ, ſind
ſie unbewohnt geblieben und dieſe Dekoration von Gaze und
Spinnweb, dieſes Durcheinander von Farbenfriſche und blinden
Fenſterſcheiben, von Apotheoſe und Staub, macht eine Wirkung,
der ſich wenige Beſucher werden entziehen können. Höchſtes und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/377>, abgerufen am 25.11.2024.
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