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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Gepräge eher als das des großen Königs trugen, die schwärmeri-
sche Verehrung für den Hingeschiedenen zurückzog, um einer großen
Zeit zu gedenken, die nicht mehr war. Wir billigen diesen
Cultus nicht, denn es steht geschrieben: "Du sollst keine andern
Götter haben neben mir", aber wir begreifen ihn.

In diesem Zimmer sicherlich war es, wo Graf Schmettau
die letzten Augenblicke zubrachte, bevor ihn die Ereignisse des Jah-
res 1806 aus der Stille von Schloß Coepenick wieder in den
Lärm des Krieges riefen. Und was er an dieser Stelle gelobt
hatte, das hielt er. Am Unglückstage von Auerstädt (unglücklich
nicht durch seine Schuld) erstürmte er, an der Spitze seiner Ba-
taillone, die Höhen von Hassenhausen, die der Feind unter'm
Schutz eines herbstlichen Morgennebels schon vor ihm besetzt hatte.
Zweimal nahm er sie und zweimal war er gezwungen, sie wieder
aufzugeben. Als er sich zum dritten Angriff anschickte, um den
entscheidenden Stoß zu thun und die mehr und mehr in Unord-
nung gerathenden Franzosen in das Saalthal hinabzudrängen,
traf ihn eine Kartätschenkugel und warf ihn tödtlich verwundet
vom Pferde. Vier Tage nach der Schlacht verschied er, am
18. Oktober 1806. So starb Friedrich Wilhelm Karl Graf
von Schmettau; nicht an Glück, aber an kriegerischen Tugen-
den, so wie an jeglichen Gaben des Herzens und Verstandes jenen
Schmettau's gleich, die unter Eugen und Marlborough
zuerst die Schlachtfelder Europa's betraten und unter dem großen
König siegreich kämpfend, den Ruhm ihrer Familie begründeten.



Schloß Coepenick war wieder verwaist. Die Krone kaufte im
Jahre 1811 den Besitz zurück, aber Zimmer und Treppen blieben
öde. Das Laub an Ulmen und Ahornplatanen kam und ging,
ohne daß die Gänge und Grasplätze des Parks ein anderes Leben
gesehen hätten, als die laute Heiterkeit der Schuljugend, die hier
ein prächtiges, Gestrüpp-durchwachsenes Terrain fand für ihre
Spiele, für "Hirsch und Jäger" und "Wanderer und Stadtsoldat."


Gepräge eher als das des großen Königs trugen, die ſchwärmeri-
ſche Verehrung für den Hingeſchiedenen zurückzog, um einer großen
Zeit zu gedenken, die nicht mehr war. Wir billigen dieſen
Cultus nicht, denn es ſteht geſchrieben: „Du ſollſt keine andern
Götter haben neben mir“, aber wir begreifen ihn.

In dieſem Zimmer ſicherlich war es, wo Graf Schmettau
die letzten Augenblicke zubrachte, bevor ihn die Ereigniſſe des Jah-
res 1806 aus der Stille von Schloß Coepenick wieder in den
Lärm des Krieges riefen. Und was er an dieſer Stelle gelobt
hatte, das hielt er. Am Unglückstage von Auerſtädt (unglücklich
nicht durch ſeine Schuld) erſtürmte er, an der Spitze ſeiner Ba-
taillone, die Höhen von Haſſenhauſen, die der Feind unter’m
Schutz eines herbſtlichen Morgennebels ſchon vor ihm beſetzt hatte.
Zweimal nahm er ſie und zweimal war er gezwungen, ſie wieder
aufzugeben. Als er ſich zum dritten Angriff anſchickte, um den
entſcheidenden Stoß zu thun und die mehr und mehr in Unord-
nung gerathenden Franzoſen in das Saalthal hinabzudrängen,
traf ihn eine Kartätſchenkugel und warf ihn tödtlich verwundet
vom Pferde. Vier Tage nach der Schlacht verſchied er, am
18. Oktober 1806. So ſtarb Friedrich Wilhelm Karl Graf
von Schmettau; nicht an Glück, aber an kriegeriſchen Tugen-
den, ſo wie an jeglichen Gaben des Herzens und Verſtandes jenen
Schmettau’s gleich, die unter Eugen und Marlborough
zuerſt die Schlachtfelder Europa’s betraten und unter dem großen
König ſiegreich kämpfend, den Ruhm ihrer Familie begründeten.



Schloß Coepenick war wieder verwaiſt. Die Krone kaufte im
Jahre 1811 den Beſitz zurück, aber Zimmer und Treppen blieben
öde. Das Laub an Ulmen und Ahornplatanen kam und ging,
ohne daß die Gänge und Grasplätze des Parks ein anderes Leben
geſehen hätten, als die laute Heiterkeit der Schuljugend, die hier
ein prächtiges, Geſtrüpp-durchwachſenes Terrain fand für ihre
Spiele, für „Hirſch und Jäger“ und „Wanderer und Stadtſoldat.“


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[361/0379] Gepräge eher als das des großen Königs trugen, die ſchwärmeri- ſche Verehrung für den Hingeſchiedenen zurückzog, um einer großen Zeit zu gedenken, die nicht mehr war. Wir billigen dieſen Cultus nicht, denn es ſteht geſchrieben: „Du ſollſt keine andern Götter haben neben mir“, aber wir begreifen ihn. In dieſem Zimmer ſicherlich war es, wo Graf Schmettau die letzten Augenblicke zubrachte, bevor ihn die Ereigniſſe des Jah- res 1806 aus der Stille von Schloß Coepenick wieder in den Lärm des Krieges riefen. Und was er an dieſer Stelle gelobt hatte, das hielt er. Am Unglückstage von Auerſtädt (unglücklich nicht durch ſeine Schuld) erſtürmte er, an der Spitze ſeiner Ba- taillone, die Höhen von Haſſenhauſen, die der Feind unter’m Schutz eines herbſtlichen Morgennebels ſchon vor ihm beſetzt hatte. Zweimal nahm er ſie und zweimal war er gezwungen, ſie wieder aufzugeben. Als er ſich zum dritten Angriff anſchickte, um den entſcheidenden Stoß zu thun und die mehr und mehr in Unord- nung gerathenden Franzoſen in das Saalthal hinabzudrängen, traf ihn eine Kartätſchenkugel und warf ihn tödtlich verwundet vom Pferde. Vier Tage nach der Schlacht verſchied er, am 18. Oktober 1806. So ſtarb Friedrich Wilhelm Karl Graf von Schmettau; nicht an Glück, aber an kriegeriſchen Tugen- den, ſo wie an jeglichen Gaben des Herzens und Verſtandes jenen Schmettau’s gleich, die unter Eugen und Marlborough zuerſt die Schlachtfelder Europa’s betraten und unter dem großen König ſiegreich kämpfend, den Ruhm ihrer Familie begründeten. Schloß Coepenick war wieder verwaiſt. Die Krone kaufte im Jahre 1811 den Beſitz zurück, aber Zimmer und Treppen blieben öde. Das Laub an Ulmen und Ahornplatanen kam und ging, ohne daß die Gänge und Grasplätze des Parks ein anderes Leben geſehen hätten, als die laute Heiterkeit der Schuljugend, die hier ein prächtiges, Geſtrüpp-durchwachſenes Terrain fand für ihre Spiele, für „Hirſch und Jäger“ und „Wanderer und Stadtſoldat.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/379>, abgerufen am 17.06.2024.