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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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mehr der Hauskapelle, sondern, wie Jedermann weiß, dem Bilder-
Museum an. Nur bei Gelegenheit der Taufe des jungen Prinzen,
dessen Geburt im Februar dieses Jahres alle loyalen Herzen in
Stadt und Land mit Freude füllte, kam auch der Correggio zu
seinem zugesagten Recht und wandelte auf 24 Stunden aus den
Sälen des Museums in den prächtigen Kuppelbau der Schloß-
kapelle hinüber. --

Wir machen von dem Eßsaal aus noch einen Rundgang
durch die Räume des oberen Stockwerkes, inspiciren im Hof den
historischen alten Kaleschwagen, in dem der damalige Oberst
v. Knesebeck die berühmte Reise nach Petersburg antrat, um dem
Kaiser Alexander zuzurufen: "Krieg und wieder Krieg! Die Qua-
dratmeilen Rußlands sind die Rettung Europa's!" -- und kehren
dann in das Empfangs- und Familienzimmer zurück, dessen
bequeme Polsterstühle zu einer kurzen Rast einladen. In diesem
Zimmer pflegte der alte Feldmarschall, beide Hände auf dem Rücken,
den kurzen Sammetrock durch eine Schnur zusammengehalten, mit
großen Schritten auf und ab zu schreiten. Hier war die Arbeits-
stätte seiner Gedanken, hier, wo er in besten Mannesjahren sein
Gehirn zersonnen hatte, wie Rettung zu schaffen und dem Feinde
seines Landes, dem Feinde alles Lebens siegreich beizukommen sei.
Und hier fand er es. Hören wir, was er selbst darüber schreibt:
"Die Karte von Rußland kam nicht von meinem Pult. Ich sah
die unermeßliche Fläche, berechnete die möglichen Märsche des Er-
oberers und siehe da, die beiden großen Alliirten Rußlands: der
Raum und die Zeit
, traten mit einer Lebendigkeit vor meine
Seele, die mir keine Ruhe mehr ließ. Zur Gewißheit wurde es
mir: so ist er zu besiegen und so muß er besiegt werden."

Wir Alle wissen jetzt, wie praktisch-richtig das poetisch Ge-
schaute jener nächtlichen Stunden gewesen ist. Das glänzendste
Zeugniß aber stellte unserem Knesebeck sein Gegner selber aus.
Dieser hatte den Knesebeck'schen Plan gekannt, aber ignorirt. Im
Frühjahr 1813 fand folgende Unterhaltung zwischen Napoleon
und dem Grafen St. Marsan (bis dahin Gesandter am Preu-

mehr der Hauskapelle, ſondern, wie Jedermann weiß, dem Bilder-
Muſeum an. Nur bei Gelegenheit der Taufe des jungen Prinzen,
deſſen Geburt im Februar dieſes Jahres alle loyalen Herzen in
Stadt und Land mit Freude füllte, kam auch der Correggio zu
ſeinem zugeſagten Recht und wandelte auf 24 Stunden aus den
Sälen des Muſeums in den prächtigen Kuppelbau der Schloß-
kapelle hinüber. —

Wir machen von dem Eßſaal aus noch einen Rundgang
durch die Räume des oberen Stockwerkes, inſpiciren im Hof den
hiſtoriſchen alten Kaleſchwagen, in dem der damalige Oberſt
v. Kneſebeck die berühmte Reiſe nach Petersburg antrat, um dem
Kaiſer Alexander zuzurufen: „Krieg und wieder Krieg! Die Qua-
dratmeilen Rußlands ſind die Rettung Europa’s!“ — und kehren
dann in das Empfangs- und Familienzimmer zurück, deſſen
bequeme Polſterſtühle zu einer kurzen Raſt einladen. In dieſem
Zimmer pflegte der alte Feldmarſchall, beide Hände auf dem Rücken,
den kurzen Sammetrock durch eine Schnur zuſammengehalten, mit
großen Schritten auf und ab zu ſchreiten. Hier war die Arbeits-
ſtätte ſeiner Gedanken, hier, wo er in beſten Mannesjahren ſein
Gehirn zerſonnen hatte, wie Rettung zu ſchaffen und dem Feinde
ſeines Landes, dem Feinde alles Lebens ſiegreich beizukommen ſei.
Und hier fand er es. Hören wir, was er ſelbſt darüber ſchreibt:
„Die Karte von Rußland kam nicht von meinem Pult. Ich ſah
die unermeßliche Fläche, berechnete die möglichen Märſche des Er-
oberers und ſiehe da, die beiden großen Alliirten Rußlands: der
Raum und die Zeit
, traten mit einer Lebendigkeit vor meine
Seele, die mir keine Ruhe mehr ließ. Zur Gewißheit wurde es
mir: ſo iſt er zu beſiegen und ſo muß er beſiegt werden.“

Wir Alle wiſſen jetzt, wie praktiſch-richtig das poetiſch Ge-
ſchaute jener nächtlichen Stunden geweſen iſt. Das glänzendſte
Zeugniß aber ſtellte unſerem Kneſebeck ſein Gegner ſelber aus.
Dieſer hatte den Kneſebeck’ſchen Plan gekannt, aber ignorirt. Im
Frühjahr 1813 fand folgende Unterhaltung zwiſchen Napoleon
und dem Grafen St. Marſan (bis dahin Geſandter am Preu-

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[23/0041] mehr der Hauskapelle, ſondern, wie Jedermann weiß, dem Bilder- Muſeum an. Nur bei Gelegenheit der Taufe des jungen Prinzen, deſſen Geburt im Februar dieſes Jahres alle loyalen Herzen in Stadt und Land mit Freude füllte, kam auch der Correggio zu ſeinem zugeſagten Recht und wandelte auf 24 Stunden aus den Sälen des Muſeums in den prächtigen Kuppelbau der Schloß- kapelle hinüber. — Wir machen von dem Eßſaal aus noch einen Rundgang durch die Räume des oberen Stockwerkes, inſpiciren im Hof den hiſtoriſchen alten Kaleſchwagen, in dem der damalige Oberſt v. Kneſebeck die berühmte Reiſe nach Petersburg antrat, um dem Kaiſer Alexander zuzurufen: „Krieg und wieder Krieg! Die Qua- dratmeilen Rußlands ſind die Rettung Europa’s!“ — und kehren dann in das Empfangs- und Familienzimmer zurück, deſſen bequeme Polſterſtühle zu einer kurzen Raſt einladen. In dieſem Zimmer pflegte der alte Feldmarſchall, beide Hände auf dem Rücken, den kurzen Sammetrock durch eine Schnur zuſammengehalten, mit großen Schritten auf und ab zu ſchreiten. Hier war die Arbeits- ſtätte ſeiner Gedanken, hier, wo er in beſten Mannesjahren ſein Gehirn zerſonnen hatte, wie Rettung zu ſchaffen und dem Feinde ſeines Landes, dem Feinde alles Lebens ſiegreich beizukommen ſei. Und hier fand er es. Hören wir, was er ſelbſt darüber ſchreibt: „Die Karte von Rußland kam nicht von meinem Pult. Ich ſah die unermeßliche Fläche, berechnete die möglichen Märſche des Er- oberers und ſiehe da, die beiden großen Alliirten Rußlands: der Raum und die Zeit, traten mit einer Lebendigkeit vor meine Seele, die mir keine Ruhe mehr ließ. Zur Gewißheit wurde es mir: ſo iſt er zu beſiegen und ſo muß er beſiegt werden.“ Wir Alle wiſſen jetzt, wie praktiſch-richtig das poetiſch Ge- ſchaute jener nächtlichen Stunden geweſen iſt. Das glänzendſte Zeugniß aber ſtellte unſerem Kneſebeck ſein Gegner ſelber aus. Dieſer hatte den Kneſebeck’ſchen Plan gekannt, aber ignorirt. Im Frühjahr 1813 fand folgende Unterhaltung zwiſchen Napoleon und dem Grafen St. Marſan (bis dahin Geſandter am Preu-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/41>, abgerufen am 21.11.2024.