an die Potsdamer Regierung benutzt. In genanntem Jahre wurde nämlich Herrn v. Hake sein erstes Töchterchen geboren und behufs einer "Ausrichtung", wie sie die Urkunde vorgesehen hat, wurde nun um ein Stück "rothes Wildbret" petitionirt. Die Regierung beeilte sich dem wohlbegründeten Gesuch nachzukommen und ein tüchtiger Hirsch wurde zur Taufe des kleinen Fräulein v. Hake in die gutsherrliche Küche geliefert. "Leider -- so erzählt Herr v. Hake -- hatte es bei diesem einen Hirsch sein Bewenden; noch andre Kinder sind mir seitdem geboren worden, aber die Aufhebung des Jagdrechts hat inzwischen meine alte Wildbrets-Urkunde zu einem todten Stück Papier gemacht."
Machenow auf dem Sande ist nur eine gute halbe Stunde vom Wannen- und Schlachten-See und von vielen andern jener Wald- und Wasser-Parthieen des Grunewalds entfernt, die, wenn jetzt gehegte Wünsche und Projekte in Erfüllung gehn, mit Hülfe einer Havel-Eisenbahn bald vor die Thore Berlins gerückt sein werden. Dann wenn die steil abfallende Hügelreihe, die das weite Becken des Wannensees im Südosten begrenzt, zu einem Quai für heitre, von wildem Wein umlaubte Villen geworden und Forst und Fluß nach allen Seiten durchstreift werden wird, dann wird auch das schöne Dorf am Telte-Fließ seine Besucher und seine Verehrer finden. Mögen sie dann an der alten, epheu- versteckten Kirche und an dem Steinkreuz des gefallenen Schlabren- dorf nicht vorübergehn.
an die Potsdamer Regierung benutzt. In genanntem Jahre wurde nämlich Herrn v. Hake ſein erſtes Töchterchen geboren und behufs einer „Ausrichtung“, wie ſie die Urkunde vorgeſehen hat, wurde nun um ein Stück „rothes Wildbret“ petitionirt. Die Regierung beeilte ſich dem wohlbegründeten Geſuch nachzukommen und ein tüchtiger Hirſch wurde zur Taufe des kleinen Fräulein v. Hake in die gutsherrliche Küche geliefert. „Leider — ſo erzählt Herr v. Hake — hatte es bei dieſem einen Hirſch ſein Bewenden; noch andre Kinder ſind mir ſeitdem geboren worden, aber die Aufhebung des Jagdrechts hat inzwiſchen meine alte Wildbrets-Urkunde zu einem todten Stück Papier gemacht.“
Machenow auf dem Sande iſt nur eine gute halbe Stunde vom Wannen- und Schlachten-See und von vielen andern jener Wald- und Waſſer-Parthieen des Grunewalds entfernt, die, wenn jetzt gehegte Wünſche und Projekte in Erfüllung gehn, mit Hülfe einer Havel-Eiſenbahn bald vor die Thore Berlins gerückt ſein werden. Dann wenn die ſteil abfallende Hügelreihe, die das weite Becken des Wannenſees im Südoſten begrenzt, zu einem Quai für heitre, von wildem Wein umlaubte Villen geworden und Forſt und Fluß nach allen Seiten durchſtreift werden wird, dann wird auch das ſchöne Dorf am Telte-Fließ ſeine Beſucher und ſeine Verehrer finden. Mögen ſie dann an der alten, epheu- verſteckten Kirche und an dem Steinkreuz des gefallenen Schlabren- dorf nicht vorübergehn.
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an die Potsdamer Regierung benutzt. In genanntem Jahre wurde
nämlich Herrn v. Hake ſein erſtes Töchterchen geboren und behufs
einer „Ausrichtung“, wie ſie die Urkunde vorgeſehen hat, wurde
nun um ein Stück „rothes Wildbret“ petitionirt. Die Regierung
beeilte ſich dem wohlbegründeten Geſuch nachzukommen und ein
tüchtiger Hirſch wurde zur Taufe des kleinen Fräulein v. Hake
in die gutsherrliche Küche geliefert. „Leider — ſo erzählt Herr v.
Hake — hatte es bei dieſem einen Hirſch ſein Bewenden; noch
andre Kinder ſind mir ſeitdem geboren worden, aber die Aufhebung
des Jagdrechts hat inzwiſchen meine alte Wildbrets-Urkunde zu
einem todten Stück Papier gemacht.“
Machenow auf dem Sande iſt nur eine gute halbe Stunde
vom Wannen- und Schlachten-See und von vielen andern
jener Wald- und Waſſer-Parthieen des Grunewalds entfernt, die,
wenn jetzt gehegte Wünſche und Projekte in Erfüllung gehn, mit
Hülfe einer Havel-Eiſenbahn bald vor die Thore Berlins gerückt
ſein werden. Dann wenn die ſteil abfallende Hügelreihe, die das
weite Becken des Wannenſees im Südoſten begrenzt, zu einem
Quai für heitre, von wildem Wein umlaubte Villen geworden
und Forſt und Fluß nach allen Seiten durchſtreift werden wird,
dann wird auch das ſchöne Dorf am Telte-Fließ ſeine Beſucher
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/410>, abgerufen am 23.11.2024.
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