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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Rekruten des Jahres nach der Größe in drei Gliedern aufmarschirt. So
erwarteten wir ihn jetzt
.

Der schönste Frühlingstag glänzte zu unsern Häupten, die weite
Haide war mit Zuschauern zu Wagen und zu Pferde überdeckt und der
Kräuterduft des Thymian würzte die Luft. Da sah man eine dicke Staub-
wolke in der Ferne, die sich uns nahte, -- und stiller und stiller ward
es, je näher sie kam. Es war Friedrichs Wagen; bei Körbelitz angelangt,
hielt er. Der König stieg zu Pferde.

Es war ein ungeheuer großer Schimmel, ein Engländer, den er dies
Jahr noch ritt. Im nächsten Jahre (oder war es erst 1785) kam er auf
einem kleinen Litthauer-Schimmel, Langschwanz. So wie er zu Pferde
war, setzte er es gleich in Galopp, so daß bei dem weit ausgreifenden
großen Thiere das ganze Gefolge hinter ihm Carriere ritt.

So kam der 70jährige königliche Greis. Ungefähr 30 Schritt vor
der Linie parirte er zum Schritt, nahm das Augenglas, sah die Linie
von Weitem hinunter, ob Alles gut gerichtet war, -- und es hielt dicht
vor uns Junkern ein kleiner alter Mann mit ungeheuren großen Augen
und durchdringendem Blicke.

Er sah uns an, wandte sich zu Saldern, der unweit von ihm zu
Pferde war, und sagte: "Saldern, was sollen die vielen Boucles da?
eine Boucle ist genug!" -- (Es waren ihm nämlich unsere vier mit
Talg und Puder eingespritzten steifen Haarlocken aufgefallen, die wir an
jeder Seite des Vorderkopfes trugen. Eine große Haarlocke zur Seite war
damals gerade Mode, und jeder von uns dachte daher still bei sich: das
ist unser Mann! Von diesem Augenblick an verschwanden denn diese vier
Perrücken-Plagelocken und eine trat an deren Stelle.)

Den Krückstock auf den rechten Fuß im Steigbügel gestemmt, fragte
er nun jeden Fahnenjunker, und es kam folgendes Gespräch, mit Jedem
der Reihe nach: Zu dem Ersten: "Wie heißt er?" "Hilitan, Ew. Maje-
stät." -- "Wie heißt er?" und ohne die Antwort abzuwarten, mit immer
steigendem ungnädigen Tone ihm folgende Namen gebend: "Kilian, Pe-
likan, Er ist nicht von Adel?" -- hob er schon den Stock, um ihn aus-
zustoßen, als dieser ihm zurief: "Ew. Majestät haben mich von den Ka-
dets hergeschickt; ich bin ein Westpreuße." -- "So!" -- Und sei es nun,
daß er sich kein Dementi geben wollte, da er ihm dort gut gethan hatte,
genug, der Stock ward wieder auf die Steigbügel gesetzt. Hilitan ward
von uns jungen Leuten von jetzt an aber nie mehr anders als Pelikan
oder Kilian gerufen, und behielt diesen Namen, womit ihn Friedrich ge-
tauft hatte. -- Er nahm übrigens später ein schlechtes Ende und verscholl.

Der zweite hieß Hauteville; er war aus Sardinien, sein Vater
hatte ihn, nachdem er seine Studien vollendet, an Friedrich empfohlen
und anvertraut, um in dessen Armee sein Glück zu machen. Als er in
Potsdam angekommen war, hatte der König ihn, um deutsch zu lernen,

Rekruten des Jahres nach der Größe in drei Gliedern aufmarſchirt. So
erwarteten wir ihn jetzt
.

Der ſchönſte Frühlingstag glänzte zu unſern Häupten, die weite
Haide war mit Zuſchauern zu Wagen und zu Pferde überdeckt und der
Kräuterduft des Thymian würzte die Luft. Da ſah man eine dicke Staub-
wolke in der Ferne, die ſich uns nahte, — und ſtiller und ſtiller ward
es, je näher ſie kam. Es war Friedrichs Wagen; bei Körbelitz angelangt,
hielt er. Der König ſtieg zu Pferde.

Es war ein ungeheuer großer Schimmel, ein Engländer, den er dies
Jahr noch ritt. Im nächſten Jahre (oder war es erſt 1785) kam er auf
einem kleinen Litthauer-Schimmel, Langſchwanz. So wie er zu Pferde
war, ſetzte er es gleich in Galopp, ſo daß bei dem weit ausgreifenden
großen Thiere das ganze Gefolge hinter ihm Carriere ritt.

So kam der 70jährige königliche Greis. Ungefähr 30 Schritt vor
der Linie parirte er zum Schritt, nahm das Augenglas, ſah die Linie
von Weitem hinunter, ob Alles gut gerichtet war, — und es hielt dicht
vor uns Junkern ein kleiner alter Mann mit ungeheuren großen Augen
und durchdringendem Blicke.

Er ſah uns an, wandte ſich zu Saldern, der unweit von ihm zu
Pferde war, und ſagte: „Saldern, was ſollen die vielen Boucles da?
eine Boucle iſt genug!“ — (Es waren ihm nämlich unſere vier mit
Talg und Puder eingeſpritzten ſteifen Haarlocken aufgefallen, die wir an
jeder Seite des Vorderkopfes trugen. Eine große Haarlocke zur Seite war
damals gerade Mode, und jeder von uns dachte daher ſtill bei ſich: das
iſt unſer Mann! Von dieſem Augenblick an verſchwanden denn dieſe vier
Perrücken-Plagelocken und eine trat an deren Stelle.)

Den Krückſtock auf den rechten Fuß im Steigbügel geſtemmt, fragte
er nun jeden Fahnenjunker, und es kam folgendes Geſpräch, mit Jedem
der Reihe nach: Zu dem Erſten: „Wie heißt er?“ „Hilitan, Ew. Maje-
ſtät.“ — „Wie heißt er?“ und ohne die Antwort abzuwarten, mit immer
ſteigendem ungnädigen Tone ihm folgende Namen gebend: „Kilian, Pe-
likan, Er iſt nicht von Adel?“ — hob er ſchon den Stock, um ihn aus-
zuſtoßen, als dieſer ihm zurief: „Ew. Majeſtät haben mich von den Ka-
dets hergeſchickt; ich bin ein Weſtpreuße.“ — „So!“ — Und ſei es nun,
daß er ſich kein Dementi geben wollte, da er ihm dort gut gethan hatte,
genug, der Stock ward wieder auf die Steigbügel geſetzt. Hilitan ward
von uns jungen Leuten von jetzt an aber nie mehr anders als Pelikan
oder Kilian gerufen, und behielt dieſen Namen, womit ihn Friedrich ge-
tauft hatte. — Er nahm übrigens ſpäter ein ſchlechtes Ende und verſcholl.

Der zweite hieß Hauteville; er war aus Sardinien, ſein Vater
hatte ihn, nachdem er ſeine Studien vollendet, an Friedrich empfohlen
und anvertraut, um in deſſen Armee ſein Glück zu machen. Als er in
Potsdam angekommen war, hatte der König ihn, um deutſch zu lernen,

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[443/0461] Rekruten des Jahres nach der Größe in drei Gliedern aufmarſchirt. So erwarteten wir ihn jetzt. Der ſchönſte Frühlingstag glänzte zu unſern Häupten, die weite Haide war mit Zuſchauern zu Wagen und zu Pferde überdeckt und der Kräuterduft des Thymian würzte die Luft. Da ſah man eine dicke Staub- wolke in der Ferne, die ſich uns nahte, — und ſtiller und ſtiller ward es, je näher ſie kam. Es war Friedrichs Wagen; bei Körbelitz angelangt, hielt er. Der König ſtieg zu Pferde. Es war ein ungeheuer großer Schimmel, ein Engländer, den er dies Jahr noch ritt. Im nächſten Jahre (oder war es erſt 1785) kam er auf einem kleinen Litthauer-Schimmel, Langſchwanz. So wie er zu Pferde war, ſetzte er es gleich in Galopp, ſo daß bei dem weit ausgreifenden großen Thiere das ganze Gefolge hinter ihm Carriere ritt. So kam der 70jährige königliche Greis. Ungefähr 30 Schritt vor der Linie parirte er zum Schritt, nahm das Augenglas, ſah die Linie von Weitem hinunter, ob Alles gut gerichtet war, — und es hielt dicht vor uns Junkern ein kleiner alter Mann mit ungeheuren großen Augen und durchdringendem Blicke. Er ſah uns an, wandte ſich zu Saldern, der unweit von ihm zu Pferde war, und ſagte: „Saldern, was ſollen die vielen Boucles da? eine Boucle iſt genug!“ — (Es waren ihm nämlich unſere vier mit Talg und Puder eingeſpritzten ſteifen Haarlocken aufgefallen, die wir an jeder Seite des Vorderkopfes trugen. Eine große Haarlocke zur Seite war damals gerade Mode, und jeder von uns dachte daher ſtill bei ſich: das iſt unſer Mann! Von dieſem Augenblick an verſchwanden denn dieſe vier Perrücken-Plagelocken und eine trat an deren Stelle.) Den Krückſtock auf den rechten Fuß im Steigbügel geſtemmt, fragte er nun jeden Fahnenjunker, und es kam folgendes Geſpräch, mit Jedem der Reihe nach: Zu dem Erſten: „Wie heißt er?“ „Hilitan, Ew. Maje- ſtät.“ — „Wie heißt er?“ und ohne die Antwort abzuwarten, mit immer ſteigendem ungnädigen Tone ihm folgende Namen gebend: „Kilian, Pe- likan, Er iſt nicht von Adel?“ — hob er ſchon den Stock, um ihn aus- zuſtoßen, als dieſer ihm zurief: „Ew. Majeſtät haben mich von den Ka- dets hergeſchickt; ich bin ein Weſtpreuße.“ — „So!“ — Und ſei es nun, daß er ſich kein Dementi geben wollte, da er ihm dort gut gethan hatte, genug, der Stock ward wieder auf die Steigbügel geſetzt. Hilitan ward von uns jungen Leuten von jetzt an aber nie mehr anders als Pelikan oder Kilian gerufen, und behielt dieſen Namen, womit ihn Friedrich ge- tauft hatte. — Er nahm übrigens ſpäter ein ſchlechtes Ende und verſcholl. Der zweite hieß Hauteville; er war aus Sardinien, ſein Vater hatte ihn, nachdem er ſeine Studien vollendet, an Friedrich empfohlen und anvertraut, um in deſſen Armee ſein Glück zu machen. Als er in Potsdam angekommen war, hatte der König ihn, um deutſch zu lernen,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/461>, abgerufen am 27.11.2024.