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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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lehne" schreibt er. Ich lache und sage zu Spilleken (der jetzt die
Post fährt): "Spilleke, sag' ich, wenn Sie 'rauskommen, fragen
Sie doch auf'm Bahnhof." Er fragt auch und am Abend ist der
Ueberzieher hier. Wo war er gewesen? "Ueber einer Stuhllehne."
Alles ganz richtig, meine Herrn, aber -- auf'm Bahnhof. So
geht es immer."

Die beiden Zuhörer antworteten durch ein Gemurmel, das
halb ihre Uebereinstimmung mit dem Sprecher, halb ihre Mißbilli-
gung des Dresdners ausdrücken sollte. Ich aber, um auch mei-
nestheils jede Gemeinschaft mit dem letzteren abzulehnen, fuhr mit
Ostentation in den neben mir liegenden Ueberzieher, empfahl mich
und stieg in den bereits draußen stehenden Postwagen.

In demselben fand ich einen Reisegefährten, einen jungen
Beeskower, der also dieselbe Tour mit mir machte. Während der
Wagen über das Pflaster rasselte und von rechts und links her
das helle Licht großstädtischer Gaslaternen in unser Fenster fiel,
wandte ich mich, halb überrascht, mit der Frage an meinen Ge-
fährten:

"Fürstenwalde hat Gas?"

"Ja, und aus Stubben;" lautete die Antwort.

"Aus Stubben?"

"Ja, aus Stubben."

Nun erfuhr ich ein Langes und Breites über den Fürsten-
walder Stadtforst, über Holzhandel und Wohlhabenheit und zuletzt
auch über die "Stubben", die in einer städtischen Gasanstalt auf
Gas verarbeitet würden. Ich gestehe, daß ich Respekt bekam. Wer
unsere kleinen Städte kennt, weiß am besten, wie abgeneigt sie
sind, auf spekulative Neuerungen einzugehen. Staatsneuerungen, --
ja; Stadtneuerungen, -- nein. Die Fürstenwalder haben ein
Stück städtischen Lebens gezeigt; die meisten unserer Ackerstädte
sind todt.

Beeskow erreichten wir um Mitternacht. Ich schlief in einem
alten Hause, dessen Hinterwand die Stadtmauer bildet, und erfuhr
en passant, daß dies Haus ein Ursulinerinnen-Kloster gewesen

lehne“ ſchreibt er. Ich lache und ſage zu Spilleken (der jetzt die
Poſt fährt): „Spilleke, ſag’ ich, wenn Sie ’rauskommen, fragen
Sie doch auf’m Bahnhof.“ Er fragt auch und am Abend iſt der
Ueberzieher hier. Wo war er geweſen? „Ueber einer Stuhllehne.“
Alles ganz richtig, meine Herrn, aber — auf’m Bahnhof. So
geht es immer.“

Die beiden Zuhörer antworteten durch ein Gemurmel, das
halb ihre Uebereinſtimmung mit dem Sprecher, halb ihre Mißbilli-
gung des Dresdners ausdrücken ſollte. Ich aber, um auch mei-
nestheils jede Gemeinſchaft mit dem letzteren abzulehnen, fuhr mit
Oſtentation in den neben mir liegenden Ueberzieher, empfahl mich
und ſtieg in den bereits draußen ſtehenden Poſtwagen.

In demſelben fand ich einen Reiſegefährten, einen jungen
Beeskower, der alſo dieſelbe Tour mit mir machte. Während der
Wagen über das Pflaſter raſſelte und von rechts und links her
das helle Licht großſtädtiſcher Gaslaternen in unſer Fenſter fiel,
wandte ich mich, halb überraſcht, mit der Frage an meinen Ge-
fährten:

„Fürſtenwalde hat Gas?“

„Ja, und aus Stubben;“ lautete die Antwort.

„Aus Stubben?“

„Ja, aus Stubben.“

Nun erfuhr ich ein Langes und Breites über den Fürſten-
walder Stadtforſt, über Holzhandel und Wohlhabenheit und zuletzt
auch über die „Stubben“, die in einer ſtädtiſchen Gasanſtalt auf
Gas verarbeitet würden. Ich geſtehe, daß ich Reſpekt bekam. Wer
unſere kleinen Städte kennt, weiß am beſten, wie abgeneigt ſie
ſind, auf ſpekulative Neuerungen einzugehen. Staatsneuerungen, —
ja; Stadtneuerungen, — nein. Die Fürſtenwalder haben ein
Stück ſtädtiſchen Lebens gezeigt; die meiſten unſerer Ackerſtädte
ſind todt.

Beeskow erreichten wir um Mitternacht. Ich ſchlief in einem
alten Hauſe, deſſen Hinterwand die Stadtmauer bildet, und erfuhr
en passant, daß dies Haus ein Urſulinerinnen-Kloſter geweſen

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[102/0114] lehne“ ſchreibt er. Ich lache und ſage zu Spilleken (der jetzt die Poſt fährt): „Spilleke, ſag’ ich, wenn Sie ’rauskommen, fragen Sie doch auf’m Bahnhof.“ Er fragt auch und am Abend iſt der Ueberzieher hier. Wo war er geweſen? „Ueber einer Stuhllehne.“ Alles ganz richtig, meine Herrn, aber — auf’m Bahnhof. So geht es immer.“ Die beiden Zuhörer antworteten durch ein Gemurmel, das halb ihre Uebereinſtimmung mit dem Sprecher, halb ihre Mißbilli- gung des Dresdners ausdrücken ſollte. Ich aber, um auch mei- nestheils jede Gemeinſchaft mit dem letzteren abzulehnen, fuhr mit Oſtentation in den neben mir liegenden Ueberzieher, empfahl mich und ſtieg in den bereits draußen ſtehenden Poſtwagen. In demſelben fand ich einen Reiſegefährten, einen jungen Beeskower, der alſo dieſelbe Tour mit mir machte. Während der Wagen über das Pflaſter raſſelte und von rechts und links her das helle Licht großſtädtiſcher Gaslaternen in unſer Fenſter fiel, wandte ich mich, halb überraſcht, mit der Frage an meinen Ge- fährten: „Fürſtenwalde hat Gas?“ „Ja, und aus Stubben;“ lautete die Antwort. „Aus Stubben?“ „Ja, aus Stubben.“ Nun erfuhr ich ein Langes und Breites über den Fürſten- walder Stadtforſt, über Holzhandel und Wohlhabenheit und zuletzt auch über die „Stubben“, die in einer ſtädtiſchen Gasanſtalt auf Gas verarbeitet würden. Ich geſtehe, daß ich Reſpekt bekam. Wer unſere kleinen Städte kennt, weiß am beſten, wie abgeneigt ſie ſind, auf ſpekulative Neuerungen einzugehen. Staatsneuerungen, — ja; Stadtneuerungen, — nein. Die Fürſtenwalder haben ein Stück ſtädtiſchen Lebens gezeigt; die meiſten unſerer Ackerſtädte ſind todt. Beeskow erreichten wir um Mitternacht. Ich ſchlief in einem alten Hauſe, deſſen Hinterwand die Stadtmauer bildet, und erfuhr en passant, daß dies Haus ein Urſulinerinnen-Kloſter geweſen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/114>, abgerufen am 24.11.2024.