Flügel sind zu lang und der Zwischenraum zwischen denselben, der Schloßhof, ist viel zu schmal. Der ganze Bau erhält dadurch etwas Gefängnißhaftes. Die Rückseite des Schlosses hat die Aus- sicht auf einen schmalen Spreearm, und zugleich auf eine kümmer- liche Baumanlage am andern Ufer des Flusses, die den Namen "Lustgarten" führt. Früher ging eine Brücke über den Spreearm, aber nur ein einziger Pfahl zeigt noch, wo sie stand.
Dieser Lustgarten war es, wohin sich König Friedrich Wil- helm I. in seinem Rollwagen fahren ließ, und die sorglich zu- geschrägte Doppelrampe, die sich in Hufeisenform an die Schloß- flügel anlegt, zeigt am deutlichsten, mit welcher Sorglichkeit ver- fahren werden mußte, um die schlechte Laune des von Gicht und Wassersucht geplagten Königs nicht noch schlechter zu machen.
Wir haben das Schloß umschritten und treten nun ein. Der Eindruck, den es in seinem Innern macht, ist der des Stattlichen, aber zugleich der höchsten Trübseligkeit. Es ist ein imposantes Nichts, eine vornehme Oede, eine würdevolle Leere, -- die Dimen- sionen eines Schlosses und die Nüchternheit einer Kaserne. Wir steigen zunächst treppan. In den Zimmern der Bel-Etage erreicht die Oede den höchsten Grad. Die hechtgrau angestrichenen Thüren tragen in Manneshöhe allerhand gelbe Oelfarbe-Inschriften, und den Corridor des linken Flügels hinunterschreitend, lesen wir, nach der Analogie von Kasernenstube Nr. 3, Nr. 4: "Ihro Hoheit Kron- prinzessin," "Ihre Hoheiten Prinzessin Ulrike und Amalie," "Ihre Königl. Hoheiten Prinz Heinrich und Ferdinand," "Oberhofmei- sterin," "Fräuleins-Kammer" etc. Das Zimmer der beiden jungen Prinzen, Heinrich und Ferdinand, sieht aus wie ein Gefängniß. Dazwischen immer "Garderobezimmer," aber alles in dieselbe weiße Tünche getaucht.
Wir kehren nun aus dem ersten Stock in die Zimmer des Erdgeschosses zurück. Hier in den Zimmern des linken Flügels wohnte der König und mancherlei erinnert noch an ihn, an sei- nen holländischen Geschmack, an seine Neigungen und seine Thä- tigkeit. Im großen Eckzimmer sind die Wände bis zu der Höhe,
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Flügel ſind zu lang und der Zwiſchenraum zwiſchen denſelben, der Schloßhof, iſt viel zu ſchmal. Der ganze Bau erhält dadurch etwas Gefängnißhaftes. Die Rückſeite des Schloſſes hat die Aus- ſicht auf einen ſchmalen Spreearm, und zugleich auf eine kümmer- liche Baumanlage am andern Ufer des Fluſſes, die den Namen „Luſtgarten“ führt. Früher ging eine Brücke über den Spreearm, aber nur ein einziger Pfahl zeigt noch, wo ſie ſtand.
Dieſer Luſtgarten war es, wohin ſich König Friedrich Wil- helm I. in ſeinem Rollwagen fahren ließ, und die ſorglich zu- geſchrägte Doppelrampe, die ſich in Hufeiſenform an die Schloß- flügel anlegt, zeigt am deutlichſten, mit welcher Sorglichkeit ver- fahren werden mußte, um die ſchlechte Laune des von Gicht und Waſſerſucht geplagten Königs nicht noch ſchlechter zu machen.
Wir haben das Schloß umſchritten und treten nun ein. Der Eindruck, den es in ſeinem Innern macht, iſt der des Stattlichen, aber zugleich der höchſten Trübſeligkeit. Es iſt ein impoſantes Nichts, eine vornehme Oede, eine würdevolle Leere, — die Dimen- ſionen eines Schloſſes und die Nüchternheit einer Kaſerne. Wir ſteigen zunächſt treppan. In den Zimmern der Bel-Etage erreicht die Oede den höchſten Grad. Die hechtgrau angeſtrichenen Thüren tragen in Manneshöhe allerhand gelbe Oelfarbe-Inſchriften, und den Corridor des linken Flügels hinunterſchreitend, leſen wir, nach der Analogie von Kaſernenſtube Nr. 3, Nr. 4: „Ihro Hoheit Kron- prinzeſſin,“ „Ihre Hoheiten Prinzeſſin Ulrike und Amalie,“ „Ihre Königl. Hoheiten Prinz Heinrich und Ferdinand,“ „Oberhofmei- ſterin,“ „Fräuleins-Kammer“ ꝛc. Das Zimmer der beiden jungen Prinzen, Heinrich und Ferdinand, ſieht aus wie ein Gefängniß. Dazwiſchen immer „Garderobezimmer,“ aber alles in dieſelbe weiße Tünche getaucht.
Wir kehren nun aus dem erſten Stock in die Zimmer des Erdgeſchoſſes zurück. Hier in den Zimmern des linken Flügels wohnte der König und mancherlei erinnert noch an ihn, an ſei- nen holländiſchen Geſchmack, an ſeine Neigungen und ſeine Thä- tigkeit. Im großen Eckzimmer ſind die Wände bis zu der Höhe,
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Flügel ſind zu lang und der Zwiſchenraum zwiſchen denſelben,
der Schloßhof, iſt viel zu ſchmal. Der ganze Bau erhält dadurch
etwas Gefängnißhaftes. Die Rückſeite des Schloſſes hat die Aus-
ſicht auf einen ſchmalen Spreearm, und zugleich auf eine kümmer-
liche Baumanlage am andern Ufer des Fluſſes, die den Namen
„Luſtgarten“ führt. Früher ging eine Brücke über den Spreearm,
aber nur ein einziger Pfahl zeigt noch, wo ſie ſtand.
Dieſer Luſtgarten war es, wohin ſich König Friedrich Wil-
helm I. in ſeinem Rollwagen fahren ließ, und die ſorglich zu-
geſchrägte Doppelrampe, die ſich in Hufeiſenform an die Schloß-
flügel anlegt, zeigt am deutlichſten, mit welcher Sorglichkeit ver-
fahren werden mußte, um die ſchlechte Laune des von Gicht und
Waſſerſucht geplagten Königs nicht noch ſchlechter zu machen.
Wir haben das Schloß umſchritten und treten nun ein. Der
Eindruck, den es in ſeinem Innern macht, iſt der des Stattlichen,
aber zugleich der höchſten Trübſeligkeit. Es iſt ein impoſantes
Nichts, eine vornehme Oede, eine würdevolle Leere, — die Dimen-
ſionen eines Schloſſes und die Nüchternheit einer Kaſerne. Wir
ſteigen zunächſt treppan. In den Zimmern der Bel-Etage erreicht
die Oede den höchſten Grad. Die hechtgrau angeſtrichenen Thüren
tragen in Manneshöhe allerhand gelbe Oelfarbe-Inſchriften, und den
Corridor des linken Flügels hinunterſchreitend, leſen wir, nach der
Analogie von Kaſernenſtube Nr. 3, Nr. 4: „Ihro Hoheit Kron-
prinzeſſin,“ „Ihre Hoheiten Prinzeſſin Ulrike und Amalie,“ „Ihre
Königl. Hoheiten Prinz Heinrich und Ferdinand,“ „Oberhofmei-
ſterin,“ „Fräuleins-Kammer“ ꝛc. Das Zimmer der beiden jungen
Prinzen, Heinrich und Ferdinand, ſieht aus wie ein Gefängniß.
Dazwiſchen immer „Garderobezimmer,“ aber alles in dieſelbe weiße
Tünche getaucht.
Wir kehren nun aus dem erſten Stock in die Zimmer des
Erdgeſchoſſes zurück. Hier in den Zimmern des linken Flügels
wohnte der König und mancherlei erinnert noch an ihn, an ſei-
nen holländiſchen Geſchmack, an ſeine Neigungen und ſeine Thä-
tigkeit. Im großen Eckzimmer ſind die Wände bis zu der Höhe,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/127>, abgerufen am 25.11.2024.
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