Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.Garten (zur Seite desselben) und mit einer gegenüberliegenden *) Prinzessin Wilhelmine (die Markgräfin) erzählt an einer andern
Stelle ihrer Memoiren: "ich war all die Zeit über so leidend, daß ich versichern darf, zwei Jahre lang von nichts anderem als Wasser und trocken Brot gelebt zu haben". Es scheint fast, daß sie die Entsagung, die ihr ihr Krankheitszustand auferlegte, der Kärglichkeit der Königlichen Tafel zur Last legen will. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß es so knapp in Wusterhausen hergegangen sein sollte. Der König war ein sehr starker Esser, und alle Personen von gutem Appetit haben die Maxime: "leben und leben lassen". Außerdem liegen glaubhafte Berichte vor, aus denen sich ganz genau ersehen läßt, was an Königs Tisch gespeist wurde. Es gab: Suppe, gestovtes Fleisch, Schinken, eine Gans, Fisch, dann Pastete. Dazu sehr guten Rheinwein und Ungar. In Wusterhausen kamen noch (weil es die Jahreszeit mit sich brachte), Krammetsvögel, Leipziger Lerchen und Rebhühner hinzu, besonders auch Früchte zum Dessert, darunter die schönsten Weintrauben. Das klingt schon einladender, als die Beschreibung der Prinzessin. Garten (zur Seite deſſelben) und mit einer gegenüberliegenden *) Prinzeſſin Wilhelmine (die Markgräfin) erzählt an einer andern
Stelle ihrer Memoiren: „ich war all die Zeit über ſo leidend, daß ich verſichern darf, zwei Jahre lang von nichts anderem als Waſſer und trocken Brot gelebt zu haben“. Es ſcheint faſt, daß ſie die Entſagung, die ihr ihr Krankheitszuſtand auferlegte, der Kärglichkeit der Königlichen Tafel zur Laſt legen will. Es iſt nicht ſehr wahrſcheinlich, daß es ſo knapp in Wuſterhauſen hergegangen ſein ſollte. Der König war ein ſehr ſtarker Eſſer, und alle Perſonen von gutem Appetit haben die Maxime: „leben und leben laſſen“. Außerdem liegen glaubhafte Berichte vor, aus denen ſich ganz genau erſehen läßt, was an Königs Tiſch geſpeiſt wurde. Es gab: Suppe, geſtovtes Fleiſch, Schinken, eine Gans, Fiſch, dann Paſtete. Dazu ſehr guten Rheinwein und Ungar. In Wuſterhauſen kamen noch (weil es die Jahreszeit mit ſich brachte), Krammetsvögel, Leipziger Lerchen und Rebhühner hinzu, beſonders auch Früchte zum Deſſert, darunter die ſchönſten Weintrauben. Das klingt ſchon einladender, als die Beſchreibung der Prinzeſſin. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="120"/> Garten (zur Seite deſſelben) und mit einer gegenüberliegenden<lb/> Mühle. Der nach vornhin gelegene Hof war durch zwei Flügel<lb/> flankirt, in denen die Herren von des Königs Gefolge wohnten.<lb/> Am Eingang in den Schloßhof hielten zwei Bären Wacht (bei-<lb/> läufig geſagt ſehr böſe Thiere), die auf ihren Hintertatzen umher-<lb/> ſpazierten, weil man ihnen die vorderen abgeſchnitten hatte. Mit-<lb/> ten im Hof befand ſich ein kleiner Born, aus dem man mit vie-<lb/> ler Kunſt einen Springbrunnen gemacht hatte. Er war mit einem<lb/> eiſernen Geländer umgeben, einige Stufen führten hinauf, und<lb/> dies war der Platz, den ſich der König Abends zum Tabackrau-<lb/> chen auszuwählen pflegte. Meine Schweſter (Charlotte; ſpäter Her-<lb/> zogin von Braunſchweig) und ich, hatten für uns und unſer gan-<lb/> zes Gefolge nur zwei Zimmer, oder vielmehr zwei Dachſtübchen.<lb/> Wie auch das Wetter ſein mochte, wir aßen zu Mittag immer<lb/> im Freien unter einem Zelte, das unter einer großen Linde auf-<lb/> geſchlagen war. Bei ſtarkem Regen ſaßen wir bis an die Waden<lb/> im Waſſer, da der Platz vertieft war. Wir waren immer 24 Per-<lb/> ſonen zu Tiſch, von denen drei Viertel jederzeit faſteten; denn es<lb/> wurden nie mehr als ſechs Schüſſeln aufgetragen und dieſe waren<lb/> ſo ſchmal zugeſchnitten, daß ein nur halbwegs hungriger Menſch<lb/> ſie mit vieler Bequemlichkeit allein aufzehren konnte.<note place="foot" n="*)">Prinzeſſin Wilhelmine (die Markgräfin) erzählt an einer andern<lb/> Stelle ihrer Memoiren: „ich war all die Zeit über ſo leidend, daß ich<lb/> verſichern darf, zwei Jahre lang von nichts anderem als Waſſer und<lb/> trocken Brot gelebt zu haben“. Es ſcheint faſt, daß ſie die Entſagung, die<lb/> ihr ihr Krankheitszuſtand auferlegte, der Kärglichkeit der Königlichen Tafel<lb/> zur Laſt legen will. Es iſt nicht ſehr wahrſcheinlich, daß es ſo <hi rendition="#g">knapp</hi> in<lb/> Wuſterhauſen hergegangen ſein ſollte. Der König war ein ſehr ſtarker<lb/> Eſſer, und alle Perſonen von gutem Appetit haben die Maxime: „leben<lb/> und leben laſſen“. Außerdem liegen glaubhafte Berichte vor, aus denen<lb/> ſich ganz genau erſehen läßt, was an Königs Tiſch geſpeiſt wurde. Es<lb/> gab: Suppe, geſtovtes Fleiſch, Schinken, eine Gans, Fiſch, dann Paſtete.<lb/> Dazu ſehr guten Rheinwein und Ungar. In <hi rendition="#g">Wuſterhauſen</hi> kamen noch<lb/> (weil es die Jahreszeit mit ſich brachte), Krammetsvögel, Leipziger Lerchen<lb/> und Rebhühner hinzu, beſonders auch Früchte zum Deſſert, darunter die<lb/> ſchönſten Weintrauben. Das klingt ſchon einladender, als die Beſchreibung<lb/> der Prinzeſſin.</note> .... In<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [120/0132]
Garten (zur Seite deſſelben) und mit einer gegenüberliegenden
Mühle. Der nach vornhin gelegene Hof war durch zwei Flügel
flankirt, in denen die Herren von des Königs Gefolge wohnten.
Am Eingang in den Schloßhof hielten zwei Bären Wacht (bei-
läufig geſagt ſehr böſe Thiere), die auf ihren Hintertatzen umher-
ſpazierten, weil man ihnen die vorderen abgeſchnitten hatte. Mit-
ten im Hof befand ſich ein kleiner Born, aus dem man mit vie-
ler Kunſt einen Springbrunnen gemacht hatte. Er war mit einem
eiſernen Geländer umgeben, einige Stufen führten hinauf, und
dies war der Platz, den ſich der König Abends zum Tabackrau-
chen auszuwählen pflegte. Meine Schweſter (Charlotte; ſpäter Her-
zogin von Braunſchweig) und ich, hatten für uns und unſer gan-
zes Gefolge nur zwei Zimmer, oder vielmehr zwei Dachſtübchen.
Wie auch das Wetter ſein mochte, wir aßen zu Mittag immer
im Freien unter einem Zelte, das unter einer großen Linde auf-
geſchlagen war. Bei ſtarkem Regen ſaßen wir bis an die Waden
im Waſſer, da der Platz vertieft war. Wir waren immer 24 Per-
ſonen zu Tiſch, von denen drei Viertel jederzeit faſteten; denn es
wurden nie mehr als ſechs Schüſſeln aufgetragen und dieſe waren
ſo ſchmal zugeſchnitten, daß ein nur halbwegs hungriger Menſch
ſie mit vieler Bequemlichkeit allein aufzehren konnte. *) .... In
*) Prinzeſſin Wilhelmine (die Markgräfin) erzählt an einer andern
Stelle ihrer Memoiren: „ich war all die Zeit über ſo leidend, daß ich
verſichern darf, zwei Jahre lang von nichts anderem als Waſſer und
trocken Brot gelebt zu haben“. Es ſcheint faſt, daß ſie die Entſagung, die
ihr ihr Krankheitszuſtand auferlegte, der Kärglichkeit der Königlichen Tafel
zur Laſt legen will. Es iſt nicht ſehr wahrſcheinlich, daß es ſo knapp in
Wuſterhauſen hergegangen ſein ſollte. Der König war ein ſehr ſtarker
Eſſer, und alle Perſonen von gutem Appetit haben die Maxime: „leben
und leben laſſen“. Außerdem liegen glaubhafte Berichte vor, aus denen
ſich ganz genau erſehen läßt, was an Königs Tiſch geſpeiſt wurde. Es
gab: Suppe, geſtovtes Fleiſch, Schinken, eine Gans, Fiſch, dann Paſtete.
Dazu ſehr guten Rheinwein und Ungar. In Wuſterhauſen kamen noch
(weil es die Jahreszeit mit ſich brachte), Krammetsvögel, Leipziger Lerchen
und Rebhühner hinzu, beſonders auch Früchte zum Deſſert, darunter die
ſchönſten Weintrauben. Das klingt ſchon einladender, als die Beſchreibung
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