Kraft, im anderen Falle um Geschick und Schnelligkeit, um das Bedenkliche der Lage zu überwinden, und der Schleppdampfer ist in der glücklichen Verfassung, Beides, je nach Bedürfniß, bieten zu können. Aber freilich -- gegen Zahlung. Nun beginnen die tragikomischsten Unterhaltungen, die man sich denken kann. Sie werden vom Kajütendach des Oderkahns einerseits, andererseits vom Radkasten des Dampfers aus geführt. Der geängstigte Schif- fer hebt zunächst einfach seine Hand in die Höh', alle fünf Finger deutungsreich ausspreizend. Der Mann auf dem Radkasten schlägt eine verächtliche Lache auf und donnert seinen Befehl zu größerer Eile in den Maschinenraum hinunter, bis das bittende "Halloh" des Schiffers ihn wieder zu einem "stop" bestimmt. Der Schiffer hebt jetzt seine Hand mit den gespreizten Fingern zweimal in die Luft. Dasselbe Lachen als Antwort. So geht es weiter, bis der Kahnführer, der namentlich, wenn er zwischen Holzflößen steckt, seinen Ruin vor Augen sieht, die Summe bewilligt, die der Ca- pitain des Dampfers zu fordern für gut befindet. Diese Forde- rungen wechseln, da der letztere, mit scharfem Auge, je nach dem Grad der Gefahr, auch die Taxe bestimmt. Es kommt vor, daß der geängstigte Schiffer seine fünf Finger zehnmal erheben, d. h. also seine Befreiung aus dem verfahrenen Defilee mit 50 Thalern preußisch bezahlen muß.
Die Schleppdampfer, wie hieraus genugsam erhellen wird, spielen also auf der Oderstrecke, die sie befahren, die Doppelrolle des Retters und des Tyrannen, und im Einklang mit dieser Doppelrolle ist auch die Empfindung, mit der sie Seitens der Schiffer betrachtet werden. Man liebt sie oder haßt sie. Alles, je nachdem die Gefahr im Anzuge oder glücklich überwunden ist. Die am Horizont heraufdämmernde schwarze Dampfsäule wird im einen Fall als Hoffnungsbanner begrüßt, im andern Fall als abziehende Piratenflagge verwünscht. Dazwischen liegt die Rettung. Nichts ist kürzer als Dank. Die Capitäne wissen das; aber als praktische Männer kennen sie keine Empfindelei und halten sich schadlos beim
Kraft, im anderen Falle um Geſchick und Schnelligkeit, um das Bedenkliche der Lage zu überwinden, und der Schleppdampfer iſt in der glücklichen Verfaſſung, Beides, je nach Bedürfniß, bieten zu können. Aber freilich — gegen Zahlung. Nun beginnen die tragikomiſchſten Unterhaltungen, die man ſich denken kann. Sie werden vom Kajütendach des Oderkahns einerſeits, andererſeits vom Radkaſten des Dampfers aus geführt. Der geängſtigte Schif- fer hebt zunächſt einfach ſeine Hand in die Höh’, alle fünf Finger deutungsreich ausſpreizend. Der Mann auf dem Radkaſten ſchlägt eine verächtliche Lache auf und donnert ſeinen Befehl zu größerer Eile in den Maſchinenraum hinunter, bis das bittende „Halloh“ des Schiffers ihn wieder zu einem „stop“ beſtimmt. Der Schiffer hebt jetzt ſeine Hand mit den geſpreizten Fingern zweimal in die Luft. Daſſelbe Lachen als Antwort. So geht es weiter, bis der Kahnführer, der namentlich, wenn er zwiſchen Holzflößen ſteckt, ſeinen Ruin vor Augen ſieht, die Summe bewilligt, die der Ca- pitain des Dampfers zu fordern für gut befindet. Dieſe Forde- rungen wechſeln, da der letztere, mit ſcharfem Auge, je nach dem Grad der Gefahr, auch die Taxe beſtimmt. Es kommt vor, daß der geängſtigte Schiffer ſeine fünf Finger zehnmal erheben, d. h. alſo ſeine Befreiung aus dem verfahrenen Defilée mit 50 Thalern preußiſch bezahlen muß.
Die Schleppdampfer, wie hieraus genugſam erhellen wird, ſpielen alſo auf der Oderſtrecke, die ſie befahren, die Doppelrolle des Retters und des Tyrannen, und im Einklang mit dieſer Doppelrolle iſt auch die Empfindung, mit der ſie Seitens der Schiffer betrachtet werden. Man liebt ſie oder haßt ſie. Alles, je nachdem die Gefahr im Anzuge oder glücklich überwunden iſt. Die am Horizont heraufdämmernde ſchwarze Dampfſäule wird im einen Fall als Hoffnungsbanner begrüßt, im andern Fall als abziehende Piratenflagge verwünſcht. Dazwiſchen liegt die Rettung. Nichts iſt kürzer als Dank. Die Capitäne wiſſen das; aber als praktiſche Männer kennen ſie keine Empfindelei und halten ſich ſchadlos beim
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Kraft, im anderen Falle um Geſchick und Schnelligkeit, um
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zu können. Aber freilich — gegen Zahlung. Nun beginnen die
tragikomiſchſten Unterhaltungen, die man ſich denken kann. Sie
werden vom Kajütendach des Oderkahns einerſeits, andererſeits
vom Radkaſten des Dampfers aus geführt. Der geängſtigte Schif-
fer hebt zunächſt einfach ſeine Hand in die Höh’, alle fünf Finger
deutungsreich ausſpreizend. Der Mann auf dem Radkaſten ſchlägt
eine verächtliche Lache auf und donnert ſeinen Befehl zu größerer
Eile in den Maſchinenraum hinunter, bis das bittende „Halloh“
des Schiffers ihn wieder zu einem „stop“ beſtimmt. Der Schiffer
hebt jetzt ſeine Hand mit den geſpreizten Fingern zweimal in die
Luft. Daſſelbe Lachen als Antwort. So geht es weiter, bis der
Kahnführer, der namentlich, wenn er zwiſchen Holzflößen ſteckt,
ſeinen Ruin vor Augen ſieht, die Summe bewilligt, die der Ca-
pitain des Dampfers zu fordern für gut befindet. Dieſe Forde-
rungen wechſeln, da der letztere, mit ſcharfem Auge, je nach dem
Grad der Gefahr, auch die Taxe beſtimmt. Es kommt vor, daß
der geängſtigte Schiffer ſeine fünf Finger zehnmal erheben, d. h.
alſo ſeine Befreiung aus dem verfahrenen Defilée mit 50 Thalern
preußiſch bezahlen muß.
Die Schleppdampfer, wie hieraus genugſam erhellen wird,
ſpielen alſo auf der Oderſtrecke, die ſie befahren, die Doppelrolle
des Retters und des Tyrannen, und im Einklang mit dieſer
Doppelrolle iſt auch die Empfindung, mit der ſie Seitens der
Schiffer betrachtet werden. Man liebt ſie oder haßt ſie. Alles, je
nachdem die Gefahr im Anzuge oder glücklich überwunden iſt. Die
am Horizont heraufdämmernde ſchwarze Dampfſäule wird im einen
Fall als Hoffnungsbanner begrüßt, im andern Fall als abziehende
Piratenflagge verwünſcht. Dazwiſchen liegt die Rettung. Nichts iſt
kürzer als Dank. Die Capitäne wiſſen das; aber als praktiſche
Männer kennen ſie keine Empfindelei und halten ſich ſchadlos beim
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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