auch einzelne historische Daten angegeben waren. Diese Täfelchen (so erzählt der alte Küster) kamen in die Pfarre, wo sie bei Um- zug und Neubauten längst verloren gegangen sind. Der gegen- wärtige Geistliche, der einen Sinn für die historischen Ueberliefe- rungen seiner Stadt und Kirche hat, hat mit Mühe eine kleine Glasmalerei gerettet, die einen Hergang aus katholischer Zeit (ein Mönch steht predigend auf der Kanzel) darstellt. Sonst ist der Kirche aus der "Schenken-Zeit" nichts geblieben, als ein einziger Backstein am Hintergiebel, der die eingebrannte Inschrift trägt: nobil. v. Otto Schenk v. Landsb. (nobilis vir Otto Schenk von Landsberg.) Wahrscheinlich war er es, unter dem eine frü- here Restaurirung der Kirche (1566) stattfand.
Wir haben den See befahren, das Schloß und die Kirche besucht, es bleibt uns noch eins in Teupitz übrig -- der Jeesen- berg, ein Hügel am Südrande der Stadt gelegen, von dessen Höhe aus man das Schenkenländchen panoramatisch überblickt. Wir erreichen die Höhe und haben nach allen Seiten hin, in weit- gespanntem Bogen, eine Kessellandschaft vor und unter uns. Wo- hin wir blicken, vom Horizont zu uns her, dieselbe Reihenfolge von Hügel, See und Haide, und in der Mitte des Bildes wir selbst und der Berg, auf dem wir stehen.
Das Panorama ist schön, schöner aber wird das Bild, wenn wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die östlich gelegene Hälfte der Landschaft hineinzublicken. Es ist dies die Hälfte, wo Teupitz und sein See gelegen sind. Der Wind weht scharf vom Wasser her, aber eine Hecke von wildem Pflaum- baum giebt uns Schutz, während Einschnitte, wie Schießscharten, uns einen Blick in die Näh und Ferne gestatten. Ein Kornfeld läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuß des Hügels zieht sich ein Feldweg hin, dahinter dehnen sich Gärten und Wiesen, hinter den Wiesen steigt die Stadt auf und hinter der Stadt der See mit seinen Inseln und seinen Hügeln am andern Ufer. Aber auch Leben hat das Bild. Wie losgelöste Ackerschollen treiben die In- seln den See entlang (oder scheinen doch zu treiben), ein satter
auch einzelne hiſtoriſche Daten angegeben waren. Dieſe Täfelchen (ſo erzählt der alte Küſter) kamen in die Pfarre, wo ſie bei Um- zug und Neubauten längſt verloren gegangen ſind. Der gegen- wärtige Geiſtliche, der einen Sinn für die hiſtoriſchen Ueberliefe- rungen ſeiner Stadt und Kirche hat, hat mit Mühe eine kleine Glasmalerei gerettet, die einen Hergang aus katholiſcher Zeit (ein Mönch ſteht predigend auf der Kanzel) darſtellt. Sonſt iſt der Kirche aus der „Schenken-Zeit“ nichts geblieben, als ein einziger Backſtein am Hintergiebel, der die eingebrannte Inſchrift trägt: nobil. v. Otto Schenk v. Landsb. (nobilis vir Otto Schenk von Landsberg.) Wahrſcheinlich war er es, unter dem eine frü- here Reſtaurirung der Kirche (1566) ſtattfand.
Wir haben den See befahren, das Schloß und die Kirche beſucht, es bleibt uns noch eins in Teupitz übrig — der Jeeſen- berg, ein Hügel am Südrande der Stadt gelegen, von deſſen Höhe aus man das Schenkenländchen panoramatiſch überblickt. Wir erreichen die Höhe und haben nach allen Seiten hin, in weit- geſpanntem Bogen, eine Keſſellandſchaft vor und unter uns. Wo- hin wir blicken, vom Horizont zu uns her, dieſelbe Reihenfolge von Hügel, See und Haide, und in der Mitte des Bildes wir ſelbſt und der Berg, auf dem wir ſtehen.
Das Panorama iſt ſchön, ſchöner aber wird das Bild, wenn wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die öſtlich gelegene Hälfte der Landſchaft hineinzublicken. Es iſt dies die Hälfte, wo Teupitz und ſein See gelegen ſind. Der Wind weht ſcharf vom Waſſer her, aber eine Hecke von wildem Pflaum- baum giebt uns Schutz, während Einſchnitte, wie Schießſcharten, uns einen Blick in die Näh und Ferne geſtatten. Ein Kornfeld läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuß des Hügels zieht ſich ein Feldweg hin, dahinter dehnen ſich Gärten und Wieſen, hinter den Wieſen ſteigt die Stadt auf und hinter der Stadt der See mit ſeinen Inſeln und ſeinen Hügeln am andern Ufer. Aber auch Leben hat das Bild. Wie losgelöſte Ackerſchollen treiben die In- ſeln den See entlang (oder ſcheinen doch zu treiben), ein ſatter
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auch einzelne hiſtoriſche Daten angegeben waren. Dieſe Täfelchen
(ſo erzählt der alte Küſter) kamen in die Pfarre, wo ſie bei Um-
zug und Neubauten längſt verloren gegangen ſind. Der gegen-
wärtige Geiſtliche, der einen Sinn für die hiſtoriſchen Ueberliefe-
rungen ſeiner Stadt und Kirche hat, hat mit Mühe eine kleine
Glasmalerei gerettet, die einen Hergang aus katholiſcher Zeit (ein
Mönch ſteht predigend auf der Kanzel) darſtellt. Sonſt iſt der
Kirche aus der „Schenken-Zeit“ nichts geblieben, als ein einziger
Backſtein am Hintergiebel, der die eingebrannte Inſchrift trägt:
nobil. v. Otto Schenk v. Landsb. (nobilis vir Otto Schenk
von Landsberg.) Wahrſcheinlich war er es, unter dem eine frü-
here Reſtaurirung der Kirche (1566) ſtattfand.
Wir haben den See befahren, das Schloß und die Kirche
beſucht, es bleibt uns noch eins in Teupitz übrig — der Jeeſen-
berg, ein Hügel am Südrande der Stadt gelegen, von deſſen
Höhe aus man das Schenkenländchen panoramatiſch überblickt.
Wir erreichen die Höhe und haben nach allen Seiten hin, in weit-
geſpanntem Bogen, eine Keſſellandſchaft vor und unter uns. Wo-
hin wir blicken, vom Horizont zu uns her, dieſelbe Reihenfolge
von Hügel, See und Haide, und in der Mitte des Bildes wir
ſelbſt und der Berg, auf dem wir ſtehen.
Das Panorama iſt ſchön, ſchöner aber wird das Bild, wenn
wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die
öſtlich gelegene Hälfte der Landſchaft hineinzublicken. Es iſt dies
die Hälfte, wo Teupitz und ſein See gelegen ſind. Der Wind
weht ſcharf vom Waſſer her, aber eine Hecke von wildem Pflaum-
baum giebt uns Schutz, während Einſchnitte, wie Schießſcharten,
uns einen Blick in die Näh und Ferne geſtatten. Ein Kornfeld
läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuß des Hügels zieht ſich
ein Feldweg hin, dahinter dehnen ſich Gärten und Wieſen, hinter
den Wieſen ſteigt die Stadt auf und hinter der Stadt der See
mit ſeinen Inſeln und ſeinen Hügeln am andern Ufer. Aber auch
Leben hat das Bild. Wie losgelöſte Ackerſchollen treiben die In-
ſeln den See entlang (oder ſcheinen doch zu treiben), ein ſatter
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Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/152>, abgerufen am 23.11.2024.
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